Was ist das bloß immer mit diesen Kanadiern im Moment? Da reiht sich eine gute Band nach der anderen auf und strömt aus den Tiefen Montreals hervor. So auch The Barr Brothers, eine Band, die die passende Abwechslung bietet, welche doch so manches Mal in der Indie-Musikwelt zu fehlen scheint. Irgendwie. Die Koffer bepackt mit inspirationsgeladenen Tanks, die sie mit über den großen Teich haben schleppen können, sitzen mir nun die zwei Bandmitglieder Sarah Pagé und Brad Barr von The Barr Brothers gegenüber, während das Licht von draußen unser Gespräch zu begleiten scheint. 

The Barr Brothers – “Half Crazy” (Official Video) from Secret City on Vimeo.

The Barr Brothers wurden auf Grund der beiden Bandmitglieder und Brüder Brad Barr und Andrew Barr auf jenen Namen getauft. Und so gerne man seine Geschwister auch in den Arm nimmt, mit ihnen in einer Band zu spielen, auf Tour zu gehen und Non-Stop von ihnen umgeben zu sein, kann dann doch schon mal zu Rivalitäten führen, oder? Brad Barr bleibt nichts anderes übrig, als das Wort zu ergreifen:

“Das Positive ist, dass es fast schon telepathisch zwischen uns verläuft oder zumindest so wirken muss. […] Wir geraten zwar manchmal in Unstimmigkeiten, weil wir zwei ziemlich stur sind. Meistens versuchen wir, die Dinge dann rational zu lösen, doch es endet dann schon mal darin, dass ich ihn angreife und mich dann letzten Endes selbst verletze.”. 

“Wenn wir erst einmal dabei sind, einen Song zu entdecken und mit ihm das Leben der Reise, das er einschlägt, suchen wir umher, um den Sound zu finden, der das Gefühl vermittelt, dass er vermitteln sollte.”

Und auf die Frage, was aus den alten Boxhandschuhen geworden ist, die die beiden Brüder ehemals als Jugendliche besaßen folgt: “Wir sollten uns die wiederholen! Ich denke, dass wir manche Dinge um einiges schneller lösen würdenber.”

Nachdem die familiäre Situation in der Band geklärt ist, folgt das eigentlich Interessante: die Musik! Denn am 10.10.2014 veröffentlichen The Barr Brothers ihr neues Album „Sleeping Operator“ hierzulande, was uns gespannt darüber grübeln lässt, was eigentlich hinter den ausgewählten Instrumenten des afrikanischen Kontinents steckt, die sich auf dieser finden lassen, sodass Sarah Pagé das Wort ergreift: 

„Wir haben es nicht darauf angelegt, neue Instrumente zu entdecken. Es ist nur meist so, dass Brad, der ein wirklich wundervoller Songwriter ist, einen Song anschleppt und Andrew und ich uns danach richten. So helfen wir, Dinge in eine bestimmte Form zu bringen. Man bekommt einen Sinn für bestimmte Songs und es dauert eine Weile, um den bestimmten Charakter eines Songs zu kennen. Wenn wir erst einmal dabei sind, einen Song zu entdecken und mit ihm das Leben der Reise, den er einschlägt, suchen wir umher, um den Sound zu finden, der das Gefühl vermittelt, dass er vermitteln sollte. […]“ 

 Gitarrist und Sänger Brad Barr fügt ein:

„Das wäre so der Hauptweg, wie wir zu diesen Instrumenten gelangen. […] Es ist eine ziemlich normale Sache, diese anderen Kulturen zu entdecken. Eine Ngoni ist eine urzeitliche afrikanische Gitarre. […] Als ich das erste Mal eines dieser Instrumente gehört habe, mit all den Übertönen, war mein Kopf, mein Geist am Explodieren. […] Stell dir vor: Wenn Du eine Malerin wärst, dann wäre es vielleicht so, als fändest Du eine seltsame Art von Pinsel, die jemand einst verwendet hat, um bestimmte Effekte zu erzielen. Und häufig sind es die primitiveren Versionen von Instrumenten, die uns faszinieren. Was zuvor gewesen ist und sich dann zu einer Art Schatzjagd in der Musikgeschichte gewandelt hat.“ 

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Und wer von euch schon mal eine Ngoni gehört haben sollte, der wird sich genau wie wir bei der Frage, wie man ein solches Instrument in den kanadischen Gefilden findet, verwundert an seinem klangerfüllten Köpfchen kratzen. Doch wie auf so vieles, haben die zwei Musiker von The Barr Brothers auch hierfür eine passende Antwort parat, denn kaum hat die aus meinem Mund fließende Frage ihren Abschluss gefunden, antwortet Sarah Pagé mit durchdachter Wortwahl mit den Worten: 

„Ich habe angefangen, ein wenig Kora, ein afrikanisches Instrument, zu spielen und das in vielerlei Hinsicht mit der Ngoni verwandt ist. Es war, als ich eines Tages die Straße entlanggelaufen bin und jemanden habe spielen hören. Und dann hat sich herausgestellt, dass mein Nachbar dieser unglaubliche Koraspieler gewesen ist. Das war ein großes musikalisches Erlebnis für mich. Zu der Ngoni auf unserem Album zum Beispiel kam es, als wir eine Aufnahmeprobe hatten. Wir hatten ziemliches Glück, mit Bassekou, der sowas wie ein revolutionärer Rockstar der Ngoni in Mali ist, arbeiten zu können. Er war einer der ersten Menschen, die die Idee hatten, eine Ngoni einzustöpseln und das Ganze zu einem elektronischen Instrument zu machen. […]“. 

Ich würde sagen, dass es so ist, als würde man in einem hölzernen Raumschiff abheben. So, als würde man einen Breadwood Baum nehmen und diesen in ein Raumschiff, gefüllt mit Tieren, Philosophen und Whiskytrinkern umwandeln.”

Nachdem die beiden Barr Brüder in den 90er Jahren hauptsächlich durch die Vereinigten Staaten gereist sind, haben sie in ihrer heutigen Heimat Montreal die Harfenspielerin Sarah Pagé kennengelernt, deren musikalisches Können durch die Wohnräume zu einem der Barr Brüder überschwappend zu der Überzeugung geführt hat, dass unter anderem sie als ein Teil der Bandkomplementierung beitragen könnte. Ohnehin wirkt die gesamte Bandgeschichte wie ein Skript einer Traumvorstellung à la Hollywood und ist dennoch die ganz reale Wirklichkeit. Während Sarah Pagé den Sound wie eine Dokumentation beschreibt, die auf Archeologie trifft, beschreibt, geht Brad Barr hierbei schon etwas mehr ins Detail:

“Ich würde sagen, dass es so ist, als würde man in einem hölzernen Raumschiff abheben. Als würde man einen Breadwood Baum nehmen und diesen in ein Raumschiff, gefüllt mit Tieren, Philosophen und Whiskytrinkern umwandeln. Ja, das würde mir gefallen. Auch auf die Gefahr hin, vielleicht niemals mehr zurückzukehren!”. Und während Brad Barr über jenes spricht, was an einen LSD-Trip erinnert, lassen wir das Raumschiff vorerst einfach mal so im Raum stehen und freuen uns auf die Veröffentlichung von Sleeping Operator am 10.10.2014.

(Fotos: John Londono / Secret City Records // Text: Hannah Ziegler)