In der Ferne hört man The Tallest Man On Earth beim Soundcheck und die Crew, die mich in Empfang nimmt, ist etwas perplex. Ich will nämlich nicht in die Garderobe von Kristian Matsson, sondern in die von Phil Cook, der das Konzert im Berliner Huxleys am Abend eröffnen soll. Phil ist einer dieser Typen, die sich nicht beirren lassen. Während sein langjähriger Freund Justin Vernon (alias Bon Iver) eine Weltkarriere hinlegte, hielt sich Phil lieber im Hintergrund. Seine Band Megafaun ist bis heute nur wenigen ein Begriff. Die Zeiten des Folk-Hype sind eigentlich schon wieder vorbei: Akustikgitarre und Flanellhemd bedeuten schon lange nicht mehr, dass deine Platte automatisch bei Urban Outfitters in den Regalen steht. Und trotzdem tourt Phil jetzt mit seinem Solo-Album “Southland Mission”, das sich tief vor dem Folk der Appalachen und des Mississippi-Blues verbeugt. Ein Debütalbum mit 36 Jahren ist in diesem Genre nichts besonderes, während es in der schnelllebigen Indiewelt vielleicht doch schon eher verdächtig nach Dad-Music und ollen Kamellen riechen könnte. “What took you so damn long?” heißt es passenderweise in einem der besten Songs auf “Southland Mission” – und genau das und noch ein paar andere Dinge haben wir Phil Cook im Interview gefragt.
motor.de: Du hast zwei Jahre an “Southland Mission” gearbeitet, aber wenn man sich das Album so anhört, dann bekommt man den Eindruck, dass da dein ganzes bisheriges Leben drinsteckt. Du bist 36 Jahre alt. Warum kommt gerade erst jetzt dein Debütalbum?
Phil Cook: (Lacht) Ja verdammt, warum habe ich so verdammt lang gebraucht? Ein wirklich einschneidendes Erlebnis war die Geburt meines Sohnes. Für die meisten Musiker mit Kindern bedeutet sowas, dass sie aufhören ernsthaft Musik zu machen. Zuviel Unsicherheit und der ganze Scheiß. Für mich war das anders, ich dachte: Jetzt erst recht, man! Das Album soll eine Art Dokument sein für meinen Sohn. Es enthält alles, was ich zu diesem bestimmten Zeitpunkt in meinem Leben gefühlt habe.
motor.de: Du hast schon in vielen Bands gespielt, viel produziert und gerade wieder einen Song mit deinem alten Kumpel Justin Vernon (alias Bon Iver) aufgenommen. Ein richtiges Debütalbum ist “Southland Mission” eigentlich nicht, oder?
Phil Cook: Naja, ich spiele jetzt seit fast 20 Jahren in Bands, aber ich war immer so weit entfernt von der Musik, die mich wirklich berührt hat. Ich meine entfernt im geografischen Sinn.
motor.de: Du kommst aus Wisconsin, aber deine Musik klingt eher nach dem Deep South, dem Blues aus dem Mississippi-Delta.
Phil Cook: (Macht große Augen) Genau! Es war unheimlich schwer für mich, die Musik zu spielen, die ich eigentlich in meinem Kopf gehört habe. Aber so geht es ja vielen Leuten. The Band (Bob Dylans Tourband in den 70ern) kam aus Kanada, aber die haben eben die Musik gespielt, die sie irgendwo einmal gehört haben und die sie dann nicht mehr losgelassen hat. Mir ging es ähnlich.
motor.de: Geht es darum in dem Song “Sitting On A Fence Too Long”?
Phil Cook: Absolut. Ich war immer schon ein Spätzünder irgendwie. Ich war immer ziemlich langsam, egal was ich angestellt habe. Ich wollte „echte Musik“ spielen und nichts falsch machen. Es hat verdammt lange gedauert, bis ich genug Selbstbewusstsein hatte, um ein Album wie “Southland Mission” zu machen. Jetzt bin ich so selbstbewusst wie noch nie in meinem Leben. Aber das hat eben seine Zeit gebraucht.
Immer wieder nimmt Phil während des Interviews seine Gitarre und spielt kleine Riffs, so wie andere Gesten mit den Händen machen um ihren Sätzen mehr Ausdruck zu verleihen. Auch wenn er seine Antworten beinahe druckreif formuliert, scheint es ganz ohne die vertraute Gitarre dann doch nicht zu gehen.
motor.de: Freundschaft und Familie scheinen dir sehr wichtig zu sein. In den USA bist du mit deiner eigenen Tourband, den Guitar Heels unterwegs. Das sind ja alles Freunde von dir. Wochenlang in einen kleinen Tourvan eingepfercht sein – ist das nicht Gift für jede Freundschaft?
Phil Cook: Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich habe immer mit Leuten getourt, die meine Freunde waren und ich habe meine besten Freunde über die Musik kennen gelernt. Es ist ziemlich schwierig, Leuten zu erklären, was es bedeutet auf Tour zu sein, sogar wenn es deine besten Freunde sind. Die meisten haben so komische Vorstellungen, irgendwas zwischen Classic-Rock und Aerosmith. Du weißt schon – zerstörte Hotelzimmer und so.
motor.de: Du hast also noch nie ein Hotelzimmer verwüstet?
Phil Cook: (Macht ein angewidertes Gesicht) Nein man, das ist Scheiße! Wenn ich Bands sehe, die die ganze Zeit so eine Fresse ziehen und später dann im Hotel ihre miese Laune rauslassen, dann denke ich immer: Warum ruft ihr nicht Mami und Papi an und lasst euch abholen, wenn es euch eigentlich ankotzt, dass ihr auf der Bühne stehen und touren müsst?
motor.de: Aus deinem Kreis an Freunden und Musikern ist Justin Vernon sicher der bekannteste: Grammy Award, Feature mit Kanye West und ausverkaufte Hallen weltweit. Hast du in der Vergangenheit jemals den Gedanken gehabt: Man, das hätte auch mein Grammy oder mein Kanye-Feature sein können?
Phil Cook: Nein, überhaupt nicht. Ich bin in der glücklichen Position, dass das einem meiner besten Freunde passiert ist und ich das alles mitbekommen habe. Ich habe mich total für Justin gefreut, weil er einen Weg eingeschlagen hat, der für ihn funktioniert hat. Aber ich wünsche das wirklich niemanden, diese Art von Berühmtheit. Diese Kultur ist echt krank, diese…
motor.de: Celebrity Culture?
Phil Cook: Ja, diese Celebrity Culture kann ich gar nichts abgewinnen. Wenn ich mich heute mit Justin und meine Freunden von damals treffe, dann müssen wir das meistens in geschlossenen Räumen machen, in irgendwelchen Hotels oder bei uns zu Hause.
motor.de: Ihr könnt nicht rausgehen, weil man Justin erkennt?
Phil Cook: Es kommt drauf an, wo wir sind, aber das passiert so oft. Ich wünsche das wirklich keinem.
motor.de: Du und viele Bands aus deinem Umfeld haben dieses Jahr auf dem Eaux Claires Festival gespielt, das von Justin Vernon ins Leben gerufen wurde. War das sein Versuch, die Aufmerksamkeit ein wenig von sich auf euch zu verteilen?
Phil Cook: Das war cool, ein richtiges Familientreffen. Justin war schon immer ein Helfertyp. Man konnte immer zu ihm kommen und er hat versucht Dinge in die Wege zu leiten. Das Eaux Claires Festival war absolut sein Ding.
motor.de: Zum Schluss die Frage: Werdet ihr nochmal mit deiner Band Megafaun ein Album machen?
Phil Cook: Wir haben das in der Öffentlichkeit eigentlich nie so wirklich kommentiert. Joe, mein Bruder Brad und ich waren einfach nur drei Typen, die zusammen Musik machen und das werden wir auch in Zukunft tun. Auch mit Justin, natürlich. Wir haben gerade zum ersten mal seit Jahren einen neuen Track als DeYarmond Edison aufgenommen. Das wird ein Track für die “Grateful Dead Compilation” von The National, die bald rauskommt.
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