Die jungen Wilden sind alt geworden und klischeehaft nutzen sie ihre Zeit um Bücher zu schreiben. Genauer gesagt, schreiben auffallend viele Protagonistinnen der Punk-Geschichte ihre Autobiografien. Doch was bewirkt der weibliche Blick? 

Der Kulturwissenschaftler Dr. Jochen Benz erklärt: „Zum einen ist die Offenheit des Schreibens ein prägender Punkt für die Attraktivität der Autobiografien. Dazu kommt thematisch ein starker Moment von Ablehnung, ein Gefühl der totalen Nicht-Zugehörigkeit der Protagonistinnen. Man erfährt in den Büchern aber eben nicht nur thematisch etwas über die Entstehung des Punks, sondern auch der Stil kann als aktiver Ausdruck von Punk gelesen werden.“

Biografien als Selbstinszenierung

Die Autobiografien erweitern dabei die Selbstinszenierung, die diese Künstlerinnen auszeichnet. Eine Selbstinszenierung die vor allem bei Patti Smith weniger  ihre Inspiration in den künstlerischen Werken der von ihr verehrten Künstler*innen findet, sondern eben in deren Biografien. The circle of life. Doch wo genau begann dieser Circle in der Öffentlichkeit für Patti Smith?

Patti Smiths Autobiografie ist literarisch ein Kunstwerk. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ihre Auftritte ihren Ursprung in der Literatur haben – im Speziellen in der „Performance poetry“ (die sie sich wiederum aus den Biografien von europäischen Dichtern wie Oscar Wilde übernommen hat).

Freundschaftskult vs. Starkult

Am 10. Februar 1971 war Patti der Opener für Gerard Malanga im Rahmen des 1966 gegründeten Poetry Projects in der St Mark’s Church. Es war ihre erste Performance überhaupt, organisiert von ihrem Ex-Freund Robert Mapplethorpe. Sie hielt nicht fiel von den anderen Dichter*innen und dem kollaborativen Freundschaftskult des Poetry Projects. Patti lebte nun mal  für Biografien, für den Starkult. Später sagte sie einmal: „I’m not interested in meeting poets or a bunch of writers who I don`t think are bigger than life. I’m a hero worshipper, I’m not a fame fucker, but I am a hero worshipper.”

Dennoch sollte ihr Auftritt dort ein Wendepunkt in ihrem Leben sein. Patti widersetzte sich den üblichen Ritualen, hatte als erste Dichterin als Begleitung einen E-Gitarristen, Lenny Kaye, dabei. Sie wollte nicht dazu gehören und passte doch perfekt in den Anfang der New Yorker Punkszene, die stets “between the ‘low’ genre of popular music and the ‘high’ genre of poetry” angesiedelt war.

In ihrer Autobiografie „Just Kids“ schreibt sie über diesen öffentlichen Beginn ihrer Biografie wie sie damit überfordert war, wie sie die Hälfte der Angebote, die aus ihrem Nicht-Dazugehören entstanden, nicht annahm. Beim jährlich stattfindenden Benefiz-Lesemarathon am Neujahrstag 1973 resümierte sie endgültig über ihr Verhältnis zu dem Poetry Project: „I wanted to be a poet but I knew I would never fit into their incestuous community. The last thing I wanted was to negotiate the social politics of another scene.”.  Als sie 1975, das Jahr in dem auch ihr Debüt-Album Horses veröffentlicht wurde, mit aggressivem iconoclasm erneut beim Lesemarathon las und danach sofort aus der Kirche stürmte, war ihre vollkommene Abspaltung vom Projekt und ihre Transformation vom „rockin‘ poet to poetry-infused rock performer“ final vollzogen – und Patti Smith die „Godmother of Punk“ (und die Queen der Biografien).