2018 sorgte Neil Portnow, der Leiter der Recording Academy, die die Grammys vergibt, für einen Skandal, als er auf die schlechte Frauenquote bei den Grammys angesprochen, sagte, dass Frauen sich eben einfach mehr anstrengen sollten. Bei den diesjährigen Grammys gingen alle Awards in den vier Hauptkategorien an Frauen. Nicht weil sie sich mehr angestrengt haben, sondern weil sie mir gesehen werden (müssen).
Dabei sind die Differenzen zwischen Frauen und Männern in der Musikindustrie immer noch gravierend. Gerade mal 2% der 600 kommerziell erfolgreichsten Songs wurden von Produzentinnen produziert, nur 16% der registrierten Songwriter sind weiblich und Frauen verdienen bei großen Musikfirmen im Schnitt 30% weniger als ihre männlichen Kollegen. Diese Daten stammen aus dem Manifest der „Keychange“-Bewegung. Die Keychange Kampagne wird unterstützt von der Europäischen Union und soll dabei helfen die Musikindustrie umzustrukturieren und eine gleichberechtigte Arbeitsatmosphäre für alle Geschlechter zu erreichen. Eine, die sich mit Sexismus in der Musikindustrie aus zwei Perspektiven auskennt und dementsprechend auch Keychange unterstützt ist die Berliner Künstlerin und Produzentin Novaa. Wir haben sie nach ihren Erfahrungen gefragt und vor allem wie sie sich diesen widersetzt:
Motor.de: Im Februar hattest du auf Instagram über deine Wut über die unfaire Behandlung von Künstler*innen und Produzent*innen geschrieben. Was war für dich der Auslöser?
Novaa: Ich habe einfach gesehen, wie es bei mir und in meinem Umfeld ist. Im Vergleich zu dem, was mir viele andere als weiblich identifizierende Produzentinnen und Künstlerinnen erzählt haben, würde ich sagen, dass ich sogar noch relativ viel Glück hatte und nicht die ganz schlimmen Erfahrungen gemacht habe. Aber dennoch sind viele kleine Sachen einfach frustrierend: Man macht die gleiche Arbeit wie ein männlicher Kollege und dieser bekommt mehr Anerkennung, während man selbst teilweise nicht einmal eine faire Creditierung bekommt. Außerdem werde ich leider oft als reine Sängerin betitelt oder ich werde bei einem Feature teilweise gar nicht erst genannt.
Motor.de: Wie war eigentlich dein Weg als Produzentin?
Novaa: Das mit dem Produzieren hat sich bei mir irgendwie einfach so ergeben. Als Kind habe ich Querflöte gelernt, Klavier gespielt und irgendwann auch Gesangsunterricht genommen. An meiner Schule gab es dann eine Band von ein paar Jungs, die immer ganz mysteriös erzählt haben, dass sie mit einem Programm Songs aufnehmen und „über 100 Spuren hatten“. Ich war super neugierig und hab dann einfach entschlossen mir auch das Programm (Cubase) zu holen. Zuerst habe ich damit nur eine Freundin aufgenommen, dann später auch mich selbst und meine eigenen Songs. Als ich 17 war, bin ich dann zu Ableton gewechselt und war komplett eingenommen von der Produktionswelt.
Performative Solidarität
Motor.de: Würdest du sagen, dass es als Produzentin nochmal schwieriger ist im Musikbusiness Fuß zu fassen wie als Sängerin?
Novaa: Ja, es ist definitiv so – man wird oft eher als Interpretin wahrgenommen als als Produzentin. Es sind aber eben auch zwei unterschiedliche Herausforderungen. Ich kenne Produzentinnen in meinem Umfeld, da ist das Problem, dass sie nicht ernst genommen werden und niemand etwas sagt, weil es »hinter den Kulissen« passiert. Bei Künstlerinnen gibt es auch solche Situationen, diese sind aber seltener, da es meist nach außen besser sichtbar zu machen ist. Allerdings fühlt es sich da auf der Seite der Industrie oft extrem performativ an und die unterstützenden Worte unterscheiden sich von den Handlungen.
Motor.de: Was müsste sich in der Musikindustrie ändern, damit diese ihren internalisierten Sexismus überwindet?
Novaa: Erstmal müsste sie anerkennen, dass es ein Problem ist. Bei meinem Instagram Post ging es ja vor allem um einen Kommentar von einem Mann, der diese sexistische Struktur in einem Kommentar komplett abgesprochen hat. Die Menschen, die nicht betroffen sind, müssen lernen Dinge anzuerkennen und eine Sensibilisierung für diese Probleme haben.
Außerdem wünsche ich mir für Produzierende eine fairere Bezahlung. Das ist eine Stelle, wo viele helfen könnten. Zum Beispiel wenn ein Künstler bei einem Label mit vielen finanziellen Ressourcen unter Vertrag ist; dass man dort faire Splits bzw. Master Punkte bekommt, eine faire Bezahlung und dass gefragt wird: „Wie möchtest du gecreditet werden?“.
Im großen Kontext hängt der Sexismus, aber natürlich vor allem mit bestehenden Hierarchien zusammen. Da sind so viel Sachen die schief laufen und die eben nicht nur in der Musikindustrie so sind, sondern die sich die Musikindustrie von der Gesellschaft abschaut.
Einfacherer Support dank Internet
Motor.de: Hierarchien baut man ja leider nicht über Nacht ab – Was würdest du einem Mädchen, das in die Musikbranche will, für die jetzigen Umstände raten?
Novaa: Ein Support Netzwerk finden und/oder aufbauen. Ein Umfeld suchen, bei dem man weiß, dass man sich frei entfalten kann. Leider ist das Umfeld dann oft relativ klein. Netzwerke gegen bestehende Hierarchien gibt es zum Glück schon viele. Keychange finde ich zum Beispiel toll.
Motor.de: Welche Rolle spielt das Internet für den Weg zur Gleichberechtigung in der Musikindustrie?
Novaa: Hätte ich vor dem Internet versucht Produzentin zu werden, wäre ich jetzt nicht wo ich heute bin. Ich war sehr schüchtern, und wäre in einer traditionellen Studio Situation untergegangen. Für Menschen, denen Hürden in den Weg gelegt werden beim Erlernen bestimmter Skills oder Berufe, ist das Internet in dieser Hinsicht ein guter Ort. Man hat Zugriff auf alle Informationen und es gibt niemanden, der sagt „nein, du bekommst keinen Zugriff auf das Wissen, weil dies, weil das“. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass man sich mit Menschen auf der ganzen Welt vernetzen kann und Netzwerke aufbauen kann um sich gegenseitig zu unterstützen.
Die großartige Novaa könnt ihr hier auf Instagram folgen und hier geht es zu ihrem Spotify Account.
Hier könnt ihr mehr über Keychange erfahren.
motor.de hat jetzt auch einen monatlichen Newsletter und wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn ihr ihn unter diesem Link abonniert: https://motor.substack.com/
Danke Novaa für diesen wichtigen Beitrag! An die Person, die den Text geschrieben hat: Bitte achte demnächst auf Kommasetzung, das war sehr schwer zu lesen bei den vielen Fehlern.
Liebe R,
danke für deinen Kommentar und wir freuen uns, dass dir das Interview gefallen hat! Du hattest vollkommen recht besonders bei der Einführung sind uns Kommafehler untergekommen. Wir hoffen, dass wir sie nun wirklich alle beseitigt haben und werden in der Zukunft noch besser darauf achten, um auch dir das bestmögliche Lesevergnügen ermöglichen zu können.
Wir wünschen dir noch einen wunderschönen Tag!
Liebe Grüße
Mareike von der Motor.de Redaktion