Einen Song zu produzieren, braucht seine Zeit. Wenn er dann genau zum Zeitpunkt der Veröffentlichung plötzlich (tagesaktuell ist, kann das schon fast beängstigend sein. So passiert für LEEPA und ihren Song „Switch Places“. LEEPA schrieb den Song im Januar und singt darüber, was sie alles machen würde, wenn sie ein Mann wäre: „i would probably walk around at midnight /never look over my shoulder“. Kurz bevor der Song im März rauskam, schockierte der Mord an Sarah Everard die Menschen, deren einzige Handlung darin bestand nachts allein durch London zu laufen. Der Song ist also (leider) mehr als aktuell – und mehr als nötig. Doch wie ist er entstanden? Das hat uns LEEPA erzählt:

I can’t understand you and I got a feelin’ /You don’t understand me either – Das Thema

“Ich bin ein großer Fan davon, drei Themen festzulegen, über die ich schreiben möchte bevor ich in eine Session gehe. Bei dieser Session ging es mir darum, über Sexismus zu sprechen. Mir war super wichtig, dass ich keinen so sauren, anklagenden Song schreiben möchte, sondern etwas,
das einen Dialog entfacht und vielleicht sogar irgendwo auf taube Ohren treffen kann.

Das Thema war schon länger auf meiner Liste mit Themen, die echt schwierig sind, aber über die ich schreiben möchte, um meine Stimme zu nutzen. Im ganzen letzten Jahr, in dem sich die Welt nicht so schnell wie sonst gedreht hat, konnte man noch mal deutlicher sehen, wie unfassbar
reflektiert unsere Generation ist und wie bedacht sie dabei ist Ungerechtigkeiten beim Namen zu nennen und dagegen vorzugehen – das hat mich sehr inspiriert. Ich bin natürlich eine super privilegierte Person, aber mit dem Thema Sexismus habe ich mich nichts desto trotz schon oft konfrontiert gesehen, daher wollte ich es dennoch von meinem Blick aus angehen. Ich wollte den Song jedoch vor allem nicht nur für mich schreiben, sondern eben auch für alle, die viel stärker
als ich unter den Ungleichheiten in dieser Gesellschaft leiden, aber vielleicht trotzdem kein Gehör finden.”

Oh, we hear you silence, it’s awfully quiet – Der Prozess

“Ich schreibe eigentlich die ganze Zeit an meiner Musik und Songtexten. Es gibt Momente, wo ich nachts aufwache oder schnell aus der Dusche rausgehe, um irgendeinen Songsnippet aufzuschreiben – mal ist es eine Melodie, mal eine Zeile oder auch ein Titel. Es gibt dann eine
Hand voll Produzenten und Studios, mit denen ich immer wieder arbeite. Wenn wir dann die Session beginnen, schreibe ich meistens den Text, während der Produzent anfängt, die instrumentale Ebene zu schreiben und am Ende kombinieren wir die Teile.

Der Songwritingprozess dauert bei mir ganz unterschiedlich lang, einfach auch weil er unfassbar emotional sein kann und es dadurch auch immer von meiner emotionalen und körperlichen Konstitution an dem Tag abhängt. Ich glaube, das ist auch so eine Ebene, die von manchen Menschen an dem ganzen Songwritingprozess im Pop gerne unterschätzt wird. Man hat diese ganze Emotionalität gegenüber einem Thema und muss zeitgleich professionell und fokussiert arbeiten, damit man so ein ganzes Thema in drei Minuten abarbeiten kann, sodass es einen richtigen Spannungsbogen aubbaut, sowohl musikalisch als auch textlich.

„switch places“ haben wir an einem Tag fertig geschrieben und dann bin ich noch zweimal ins Studio für die Produktion. Aber meistens schreibe ich einen Song in einer Session fertig – mal dauert die Session eine Stunde und mal sechs.”

If we could switch places for one night – Das Schöne

“Der Pre-Chorus ist, glaube ich, mein Lieblingspart von dem Song, weil er einfach die Kernaussage des Songs bildet. Es geht in switch places darum, was ich machen würde, wenn ich eine Nacht lang (Gender) Rollen tauschen könnte – der Pre-Chorus zeichnet diese dann gewonnenen Freiheiten auf. Man muss natürlich auch noch mal dazu sagen, dass das meine Gefühle sind, schließlich zieht jede Frau ihre Grenzen anders.

Ich glaube das Schönste am Songwriting ist, wenn alle im Raum diesen Vibe aufnehmen und sich alle wie kleine Kinder plötzlich über diesen kreativen Prozess freuen. Ich liebe es einfach, wenn andere Menschen begeistert sind und dementsprechend glaube ich, dass dieses Gefühl das Schönste am Prozess ist. Was manchmal super nervig ist, ist natürlich, wenn man gefühlte Stunden an einer Zeile verzweifelt, aber mir fehlt einfach nichts, wenn ich im Studio bin und Musik schreibe. Ich fühle mich im Studio einfach richtig angekommen.”

Say I’m actin’ manic and I’m so dramatic / Is that how you planned it? -Das Musikvideo

“Ich hatte tatsächlich total Angst vor der Veröffentlichung, weil ich Angst hatte, dass ich jemanden verletzen oder beleidigen könnte, aber zeitgleich wollte ich auch, dass ich meine Stellung klar ausdrücke. So ein großes Thema bringt einfach eine Verantwortung mit sich, sodass ich mich
lange gefragt habe, ob ich überhaupt „qualifiziert“ genug für dieses Thema bin.

Das Musikvideo durfte ich mit OZMOZE drehen. Wir wollten das Video gerade wegen des schweren Themas so natürlich und echt wie möglich halten – ich hatte nur zwei Freundinnen von mir angerufen und gefragt, ob sie ein bisschen Autofahren wollen. Das Resultat ist so einfach, so positiv und so LEEPA wie möglich.”


Ihr könnt LEEPA hier auf Instagram folgen und hier geht es zu ihrem Spotify Profil.