GHOST PALACE ist ein neues Label, das einiges anders machen möchte. Der ehemalige Sänger von Sea + Air Daniel Benyamin hat das gemeinsam mit anderen Musikschaffenden gegründet und darauf direkt sein neues Album Eral Fun darauf veröffentlicht.

Im Interview erzählt er uns, worum es bei Ghost Palace und seiner neuen Platte geht.

motor.de: Hi Daniel, stell dich doch mal ganz kurz vor – wer bist du, was machst du?

Daniel: Ich bin Daniel Benyamin, mache Solo-Musik und bin auch in anderen Projekten.

Dadurch habe ich eine relativ große Vernetzung in Europa und weltweit in der DIY-Musikszene und habe mit ein paar dieser Leute irgendwann gesagt: Wir machen jetzt mal ein Label.

motor.de: Woher kam die Idee?

Daniel: Eigentlich machen wir das schon lange, ohne das so zu nennen. Jeder bringt irgendwie seine eigenen Sachen raus und dann helfen wir uns gegenseitig in verschiedenen Städten. Du machst ein Konzert für mich, ich mach ein Konzert für dich – so fängt das oft an.

Der Knackpunkt war, als mich vor ein paar Jahren der Regisseur Wim Wenders gefragt hat, ob ich sein Label übernehmen möchte. Er wollte ein Label machen für Soundtracks und für ein paar Bands, die er mag. Dann haben wir das zusammen so ein bisschen entwickelt. Er ist aber aus diversen Gründen dann doch wieder ausgestiegen. Und dann habe ich gesagt Ich mache das trotzdem weiter. Und wir sind auch nach wie vor in Kontakt und er ist auch einfach in erster Linie Musikfan, der da auch Interesse hat, das dann zu verfolgen.

Und dann kam Cargo, die ja eigentlich der größte unabhängige Vertrieb aus Deutschland raus sind, der international agiert. Die fanden die Idee gut. Die verstehen auch, dass sich so ein Label nicht sofort trägt.

Bild: Ghost Palace Records

motor.de: Was ist denn die Kernidee?

Daniel: Die Kernidee ist die, dass wir die Pyramide umdrehen wollen. Ungefähr alle verdienen momentan ja Geld, bevor die Musiker:innen Geld verdienen. Wir wollen das umdrehen. Wir sind der Meinung aus Erfahrung, dass wenn wir es schaffen von unserer Kunst zu leben, dann geht es den anderen, die damit dran gebunden sind, auch besser. Ist ja klar; wenn wir davon leben können, können wir mehr Zeit reinstecken. Dadurch können wir größere Kreise ziehen. Wenn es in Deutschland ganz gut läuft finanziell, dann nehmen wir das Geld und investieren das in internationale Touren, die sich jetzt nicht unbedingt sofort tragen.

Und so balanciert man da so ein bisschen und baut sich halt was auf.

motor.de: Und das funktioniert?

Daniel: Es funktioniert mal besser, mal schlechter. Aber wir haben diverse Projekte, wo das gut funktioniert und deswegen nennen wir das Label Non-Profit Label. Die Künstler und Künstlerinnen verdienen nicht wie im üblichen Sinne 50:50, sondern sie kriegen wirklich 100% der Einnahmen. Und man guckt eben auf anderer Ebene; Wie kann man das ausbalancieren? Zum Beispiel, indem wir tatsächlich nur mit Leuten arbeiten, die auch selbst ein bisschen was zu bieten haben, die vernetzt sind, die sich als Teil einer Szene sehen und die dem ganzen Kollektiv natürlich auch was geben können. Die da Zeit reinstecken, die Lust drauf haben, miteinander zu touren oder Konzerte zu veranstalten. Und wir glauben zusammen, je größer das Netzwerk wird, desto einfacher wird es auch für alle.

motor.de: Das heißt, die Künstler:innen, die auf dem Label sind, tragen quasi das Label selbst?

Daniel: Ich würde gar nicht so weit gehen, sondern ich würde eher sagen, das Label ist ein Hobby, eher wie eine Plattform, die die Kunst der Einzelnen sponsort. Das kann z.B. heißen; wir haben die holländische Band Mummy’s a Tree auf dem Label. Die haben ein Budget für die Produktion gehabt und wollten, dass ich das Album produziere. Damit kann ich dann Geld verdienen. Der Deal ist aber, dass ich dann hobbymäßig zwei, drei Abende in der Woche fürs Label, für sie umsonst arbeite und dann gibt’s z.B. in einer anderen Band wieder jemand, der macht Videos. Der sagt Okay, ich sehe deinen Einsatz für mich. Da mach ich dir mein Video umsonst. Und so funktioniert das.

motor.de: Also was macht ihr alles, was umfasst das Label alles?

Daniel: Es umfasst auch das klassische Label. Das Mindeste, was wir bieten, ist so eine Art Inhouse Promotion. Heutzutage ist der Markt so übersättigt, dass die Leute sowieso sich nur noch rauspicken, was sie wollen. Und dann ist es egal, ob da ein Promoter ist, den jeder kennt oder ob eine Freundin von uns, die gerade sagt ‘Ich habe Lust für die und die Platte Promotion zu machen’ da eine Mail rausschickt. Diese Automatisierung sag ich mal, die kriegt jeder. Aber natürlich ist allen Bands und Artists freigestellt zu sagen; Wir wollen mehr als das. Weil das ist ja trotzdem im DIY Rahmen. Und das habe ich mit meiner Platte jetzt auch: Ich nutze diese Kontakte, die wir haben, aber ich setze auch gezielt noch Geld ein für extra Promotion. Wenn es Leute gibt in einer anderen Band, die sagen; da hätte ich jetzt Lust Promotion zu machen, dann ist es uns ja auch was wert. Und dann ist selbstverständlich, dass ich jemand anderen dafür bezahle.

Also letzten Endes kann man unterm Strich sagen: Wir stellen die Struktur, wir erklären wie es funktioniert. Machen muss man selbst. Oder man macht halt eben diesen Deal; Die Bassistin von Band XY ist gut im Grafikdesign. Ich bin gut im Buchen. Also macht sie mein Albumcover. Ich buche dafür ihre Band oder so.

motor.de: Das heißt, es gibt da gar keine Grenzen, was ihr alles macht und machen könnt?

Daniel: Genau. Wir wollen über die nächsten Jahre alles aufbauen. Es soll wie so eine kleine Parallelwelt sein, die sich vernetzt mit dem, was schon besteht. Wir haben nichts dagegen, wenn man Bands mit anderen Companies arbeiten und finden das sogar gut. Weil, wir sagen jetzt mal blöd; jedes Label ist besser als unseres. Aber, aber unser Label ist besser als gar keins. Und das stimmt natürlich auch nicht immer. Es gibt auch große Labels, wo sich nicht so sehr um dich gekümmert wird wie in unserem.

motor.de: Habt ihr da ein bestimmtes Genre oder ist das offen?

Daniel: Überhaupt nicht. Also unsere unser Genre ist: Individuelle, kreative Musik. Wir interessieren uns für Leute, die ihr eigenes Ding machen, was wiederum dann auch den Konkurrenz Gedanken ausschließt, was auch sehr schön ist.

motor.de: Du machst ja auch selber Musik. Was ist denn so die größte Herausforderung, auf beiden Seiten zu stehen?

Daniel: Das finde ich eine sehr gute Frage. Weil; Eigentlich versuchen wir genau das zu schaffen, dass es keine zwei Seiten mehr gibt, sondern bei uns sind die Kunstschaffenden ganz oben.

motor.de: Worum geht es in deiner neuen Platte?

Daniel: Ich bin ja quasi durch das Ende von Sea + Air und durch die Corona-Krise an einem Punkt gewesen, wo es für mich total wichtig war, mich komplett neu zu erfinden. Was mich an Musik fasziniert und auch ausmacht, das ist natürlich drin. Ich glaube Leute, die meine Musik kennen, erkennen, dass ich das bin. Aber trotzdem war es ganz wichtig, einfach zu sagen; was wäre denn jetzt für mich spannend, um den Prozess wieder neu ins Laufen zu bringen, das Feuer wieder zu entfachen. Und da bin ich ziemlich schnell auf die Idee gekommen, ein Pentalog zu machen. Fünf Alben über menschliche Zustände. Momentan interessiert mich total das, was ich naiv-music nenne. Es ist sozusagen ein sehr naiver Ansatz an mich selbst, Dinge, die ich in gewissen Augenblicken fühle, in Songs zu packen. Und da kommen dann manchmal inhaltlich ziemlich seltsame Sachen rum. Aber das ist halt das, was mich momentan berührt und das möchte ich in Musik packen. Weil ich glaube darum geht’s letzten Endes.

Und so habe ich dann festgestellt; mich interessieren Gegensätze. Ich wurde viel mit Tod konfrontiert in den letzten Jahren und mit Vergänglichkeit und mit Ende. Und es gibt da immer so ein Tabu. Man muss immer irgendwie traurig und ehrwürdig darüber reden, was ja auch gut ist. Aber es gibt eben auch diese diese Erleichterung, wenn eine Person stirbt, die lange krank war zum Beispiel. Oder wenn eine Beziehung zu Ende ist. Wenn ein Haus, bildlich gesprochen, das völlig verschimmelt war, endlich mal einkracht und dann kann man es hinter sich lassen. Und auf der anderen Seite natürlich auch die die Welt, in der wir uns gerade befinden. Das ist ein ähnliches Ding. Wir sind eigentlich gerade am Abgrund und machen immer noch Party, und das ist Eral Fun, also meine Platte, das ist ein Wortspiel: Funeral umgedreht. So zusagen ein eraler Spaß – habe ich selber erfunden, das gibt es gar nicht. Die Ära des Spaßes, die aber eigentlich in ihrem Wort auch Begräbnis enthält. Wo ist im Tod und im Ende eigentlich der Spaß oder vielleicht sogar die Freude.

motor.de: In welchem Zeitraum ist die Platte entstanden?

Daniel: Also die Idee entstand schon vor sechs Jahren und angefangen daran zu arbeiten so vor vier Jahren ungefähr.

motor.de: Das heißt, es ist keine reine Corona-Platte?

Daniel: Nee, auf keinen Fall. Ich habe ja eine Corona Platte Undercover veröffentlicht, aber nicht richtig, sondern nur an Follower der Social Medias. Und das wollte ich aber auch nicht, dass das so als meine erste Soloplatte gesehen wird, weil das war’s nicht. Die Eral Fun hat viel früher angefangen. Das war mir auch wichtig.

motor.de: Und das ist jetzt aber der Auftakt zu einer Fünfologie. Arbeitest du schon an der nächsten?

Daniel: Ja, Ich weiß schon, wovon die nächsten vier handeln. Und ich habe die Ideen, wenn die Inspiration kam, auch immer in so Ordner geschoben und habe mir in den vier Jahren auch die Zeit genommen zu sagen; Hey, ich habe eine super Idee, die passt aber überhaupt nicht zu dem Album, aber ich arbeite trotzdem daran. Weil das ja auch dieses im Moment arbeiten ist.

motor.de: Was hatte Corona für eine Auswirkung auf das Schaffen?

Daniel: Also zuerst mal eine Beruhigung, weil ich da vorher zu diesem Druck hatte; Ich muss jetzt bald diese Platte rausbringen. Ich muss allen zeigen, ich bin noch da und ich kann das auch alleine und die Platte wird einfach toll und sonst was. Das ist ein schönes Gefühl, aber auch ein Druck. Und dann kam Corona und dann war irgendwie plötzlich klar Okay, eigentlich ist es der perfekte Zeitpunkt, um mal zu sagen; Timing ist eh egal. Und dann kam so viel Support für diese Corona Platte, dass es finanziell mit den Soforthilfen auch tragbar war, mal so ein Jahr lang zu sagen; ich arbeite da dran, aber nur wenn ich Spaß habe und dadurch bin ich eigentlich viel aktiver geworden. Der Druck war weg und dann ist eine Leichtigkeit reingekommen. Ich glaube, das hört man.

motor.de: Vielen Dank für das Interview!

Daniel: Ja danke dir.

Neben Daniel Benyamin sind auf Ghost Palace Devin Heat, Mummy’s A Tree, Clichée und Jules Maxwell, der ebenfalls gerade ein neues Album veröffentlicht hat.

 

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