Spätherbst 2022. Deutschrap TikTok-tänzelt zur zweihundertsten lieblosen Drill-Attrappe. Es wird höchste Zeit für neuen Druck aus dem Untergrund, neue Disteln im Beton, neue Banger vom SILK MOB. Tatsächlich haben Donvtello, Opti Mane, Jamin, Fid Mella und Lex Lugner in Wiener und Berliner Basements auf neuen gemeinsamen Songs genistet, haben einmal mehr fünf avantgardistische Welten zu einer noch avantgardistischeren zusammenmultipliziert. Dem ersten großen Aufschlag der transnationalen Supergroup, »SILK MOB« aus 2020, folgt zweieinhalb Jahre und eine Pandemie später »NEW SILK« – eine Platte, die keine Genre-Zuordnung braucht, weil sie ein eigenes Genre ist.

Von vorn. Als der Mob im Sommer 2019 seine Gründung besiegelt – natürlich passiert es, wie so ziemlich alles Progressive, in Wien – kann noch niemand ahnen, dass hier kein kurzweilig-halbironisches Side-Projekt, sondern vielmehr ein ambitioniertes Band-Konstrukt entsteht, das man nicht besser hätte zusammencasten können. Die Speerspitze der Mannschaft bilden die beiden Memphis-auf-Deutsch-Veteranen Opti Mane und Donvtello. Ersterer sorgt seit Release seines »BETTCHILLER«-Tapes aus 2018 in Deutschrap-Kreisen für Furore, zweiter blickt auf eine schier endlose Reihe legendärer Solo-Releases und Kollabo-Projekte – darunter die »RATZEN & RENNEN LP« mit Tightill – zurück. Optis und Donvtellos sirenenhafte Sing-Sang-Rapflows werden vom soulig-elegante Dialekt des Innsbrucker Untergrundkönigs Jamin abgerundet. Alle Beats stellen mit Lex Lugner und FidMella zwei der erfolgreichsten und stilsichersten Hip-Hop Produzenten der Alpenrepublik – die beiden verbindet ein Faible für analoge Sounds und futuristisch-experimentelle Klangwelten, die oft erst auf bei zweitem Hinhören mit Sprechgesangsparts matchen. Was alle fünf Gangmember des Silk Mob von Beginn an eint, ist der Drang nach Abgrenzung von einer Szene, aus der sie allesamt kommen und die sie allesamt hasslieben. Auf die erste Single »HEUTE NED« aus dem Januar 2020 folgt relativ zügig das Debütalbum »SILK MOB«. Die Platte fährt hervorragende Kritiken ein, wird in diversen Szenemedien besprochen und schafft es schlussendlich sogar in die Radiorotationen von Deutschlandfunk und FM4. Noch im selben Jahr erscheinen mit »DAHIN« und »MEHR« frühe Vorläufer einer neuen, zweiten Platte, 2021 wird der SILK MOB für den Amadeus Austrian Music Award nominiert und steigert mit »SEIDE AUF HAUT« die Vorfreude auf »NEW SILK«. Jetzt, im Dezember 2022, erscheint nun dieses fünfzehnteilige Projekt, das ansetzt, wo »SILK MOB« endete: es geht um die Freude am Müßiggang, um Slang, um Hustle, Side-Hustle, Hood Romanzen, Rausch und Style. Der SILK MOB vertont ein Lebensgefühl, eine Attitüde, eine Art, das Spiel zu spielen … Er definiert den Lebemann-Lifestyle zwischen »POOL PARTY«, Bademantel, Goldkette am Hals und Drink in der Hand, »DES SCHO« irgendwie machen, Flug- und Snooze Modus, bloß keine Hektik. »NEW SILK« verstrahlt einen authentisch-positiven Vibe in beklemmend-negativen Zeiten, fühlt sich an wie eine saftige Ladung Sommer im Winter, wie ein bisschen rosarote Brille in einem Graustufen-Moloch. Dieser Vibe steckt nicht nur in den Themen und von Wienerischer Lässigkeit geprägten Punchlines, sondern auch in den Beats, die sich anfühlen, wie eine Lowriderfahrt über die Palmenpromenade im swaggy Hawaiihemd. Analog eingespielte Gitarren verschmelzen minimalistisch wie detailversessen mit rollend-nebligen 808’s, Dirty South verzahnt sich mit Jazz- und R’n’B-Schwingungen, zwischendurch schleichen sich immer neue bauchig-nonchalante Synthie-Flächen an. Viele Instrumentals entfalten die volle Spacyness und Erotik erst im Zusammenspiel mit den außergewöhnlichen Flow-Pattern und Stimmfarben von Jamin, Donvtello und Opti Mane, die mal Hauchen, mal Flüstern, mal Spitten, mal Singen, mal wie Vögel zwitschern. All das fühlt sich wunderbar neu, wunderbar innovativ, wunderbar anders an. Die neue SILK-MOB-Platte erscheint am 09.12.2022 – für die Liebhaber in limitierter Tape- und Vinyl-Auflage. Never Mind Modus Mio, Here’s the »NEW SILK«. – Alex Barbian