Kanada, dass Land mit den zwei Landessprachen, den fischreichen Flüssen und Seen und das Land der besonderen Künstler. Geschenkt hat es der Welt Arcade Fire, High School Ninjas, Tegan & Sara und Neko Case. Die Frau, die so zauberhaft in Punk, gitarrenlastiger Pop, Country-Gefilden fischt, wie kaum eine andere ihres Genres. Und die Frau, die 2003 bei einer Onlinebefragung des Playboys mit ihrem roten Schopf 2003 den ersten Platz der Sparte “Sexiest Babe Of Indie Rock” zierte.

Begonnen hat alles 1970 in Alexandria, Virginia. Als Tochter ukrainischer Eltern zieht Neko bis zu ihrem 15ten Lebensjahr häufig um. Eine feste Heimat gibt es für sie nicht. Mit fünfzehn macht sie sich unabhängig und zieht in die Umgebung von Seattle. Dort knüpft sie schnell Freundschaften in der lokalen Musikszene. Beeindruckt von der adoleszenten Wut des Grunge gründet sie Anfang der 90er einige Punk Bands, in denen sie Schlagzeug spielt.
1994 kehrt Neko dem Grunge den Rücken zu und nimmt in Vancouver, Kanada ein Studium auf. Nebenbei beschäftigt sie sich zunehmend mit Country und beginnt, eigene Lieder zu schreiben. Vorerst auf Cover-Versionen bedacht, beginnt sie schnell eigne Lieder zu schreiben. So ist ihr 1997er Debütalbum “The Virginian” letztlich ein Mix aus eigenem und gecovertem Material (unter anderem von Ernest Tubb und Loretta Lynn).

Bevor Case 1998 nach Ende des Studiums wieder nach Seattle, dann weiter nach Chicago zieht, nimmt sie in Vancouver noch mehrere Tracks auf, die 2000 auf “Mass Romantic”, dem erste Album der New Pornographers, vertreten sind. Ihr Power Pop stößt auch außerhalb von Kanada auf positive Resonanz und bescherte Case eine zweite, parallele Karriere.

Ihr Augenmerk liegt aber weiterhin auf ihrer eigenen Musik. 2000 erscheint ihr zweites Album “Furnace Room Lullabies“, welches eine deutlich düstere Weiterführung des Erstlings ist. Nicht umsonst trägt es die Etikette “Country Noir”. Die dunklen Themen führen letztlich auch dazu, dass zwei der Stücke im Soundtrack von Horrorfilmen landen, darunter Sam Raimis “The Gift”. Zusätzlich tritt sie mit der Kanadierin Carolyn Mark als Corn Sisters auf. 2000 entsteht so der Livemitschnitt aus Seattle “The Other Women”.

2002 sorgt Case für Negativschlagzeilen. Bei einem Auftritt in Nashvilles Grand Ole Opry entkleidete sich die Sängerin und sorgte so für nationales Aufhorchen. Allerdings habe es sich nicht um billige Publicity gehandelt, sondern um einen Hitzschlag; sie habe sich befreien müssen, um nicht umzukippen, erklärt sie genervt in Interviews. Folgen waren ein lebenslanges Auftrittsverbot im ehrwürdigen Konzertsaal und eine eher zweifelhafte Auszeichnung durch den Playboy. Dieser bot der Sängerin an, sich für das Magazin zu entkleiden. Sie lehnte jedoch dankend ab. Wie auch Plattenverträge von größeren Plattenfirmen. Stets die eigene künstlerische Freiheit wahrend, tourt sie lieber endlose in ihrem Van Ultra-Beaver, als einen Vertrag mit Sony oder Universal einzugehen. Das bringt ihr den Respekt vieler Indie-Kollegen ein. So sind an den Arbeiten zu ihrem fünften Album “Fox Confessor Brings The Flood” (2006) keine geringeren als Calexico beteiligt.

Hans Erdmann