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“Wir hatten die schreienden Mädchen” – A-HA im Interview

Pål Waaktaar-Savoy und Magne Furuholmen von A-HA über die Gründe des bevorstehenden Splits, peinliche Momente und ihre kurze Zeit im Underground.

Die norwegische Popband A-HA hat in ihrer Karriere alle Höhen und Tiefen durchschritten. Vom Posterboy-Superstardom Mitte der 80er inklusive eines weltweiten Nummer-eins-Hits mit “Take On Me” über das Verschwinden in der völligen Bedeutungslosigkeit Ende der 90er bis zum fulminanten Comeback im Jahr 2000. Auch mit ihrem aktuellen Album “Foot Of The Mountain” beweist das Trio, dass es den großen Pop-Gestus nicht verlernt hat. Im Gespräch mit motor.de lassen Gitarrist Pål Waaktaar-Savoy und Keyboarder Magne Furuholmen ihre Karriere Revue passieren.

motor.de: Ich weiß, diese Frage wurde euch in letzter Zeit sicherlich häufig gestellt, aber was war der Hauptgrund, euren Split für nächstes Jahr anzukündigen?

Furuholmen: Wenigstens kommt jetzt nicht mehr die Frage, warum wir uns A-HA genannt haben. [lacht] Die wurde uns tausendmal gestellt. Nun wird eben die Frage nach dem Split tausendmal gestellt. [lacht] Ich denke der Hauptgrund für die angekündigte Auflösung ist, dass wir einen langen Weg zusammen zurückgelegt haben. Zu unserem 25-jährigen Bandjubiläum haben wir zurückgeblickt – was wir normalerweise nicht tun, wir schauen immer nach vorne – und festgestellt, dass wir eine tolle Zeit hatten – von den kleinen Anfängen in einer Garage in Norwegen bis zu den Arenen auf der ganzen Welt. Dass wir außerdem die Möglichkeit eines Comebacks bekamen und dafür Respekt ernteten. Es war schön zu sehen, dass, nachdem sich die sehr personenbezogene Hysterie gelegt hat, unser musikalischer Einfluss immer noch vorhanden ist. Deshalb wollten wir lieber auf einem Höhepunkt aufhören, als halb vergessen vor uns hinzudümpeln. Ich trete lieber ab, wenn die Leute Beifall mit Tränen in den Augen spenden als Beifall, um dich endlich loszuwerden. Es war eine tolle Erfahrung zusammen, und wir haben eine sehr komplexe Beziehung, weil wir uns schon so lange kennen. Es war einfach an der Zeit, weiter zu ziehen, Dinge auf eine andere Weise zu machen.

Waaktaar-Savoy: Die Gründe sind für jedes Bandmitglied unterschiedlich. Ich hätte noch ein weiteres Album machen können. Ich hatte schon ein paar Songs geschrieben und arbeitete an ihnen. Für mich wäre es toll gewesen, noch eine Platte aufzunehmen. Aber wenn du in einer Band bist, gibt es entweder Alles oder Nichts. 25 Jahre sind eine lange Zeit und es gibt eine Menge anderer Dinge, die ich ausprobieren möchte. Ich würde gerne mit anderen Künstlern zusammenarbeiten oder für andere Leute schreiben.

motor.de: War es eine schwierige Entscheidung?

Furuholmen: Nicht wirklich. Nicht, wenn man zurückblickt, wo wir herkommen. Für mich war es auch weniger eine Entscheidung als eine logische Konsequenz, nachdem wir wieder ein Hitalbum hatten, gute Kritiken und Reaktionen des Publikums bekamen. Wir haben bei der jetzigen Tour in größeren Hallen gespielt als in den fünf, sechs Jahren zuvor. Wir brauchen immer länger für ein neues Album und ich glaube nicht, dass es gesund ist anzunehmen, dass die nächste Platte besser ist als die vorangegangene. Aber beim jetzigen Album “Foot Of The Mountain” hatten ich und die Anderen diese Ambition, wir haben sehr hart daran gearbeitet. Ich denke, dass es ein passendes Statement ist, um abzutreten.

Waaktaar-Savoy: Es fühlt sich ein bisschen komisch an, weil ich für so lange Zeit in der Band war. Im Moment haben wir noch ein Jahr des Tourens vor uns, deshalb denke ich nicht viel darüber nach. Aber Ende nächsten Jahres wird es sicher etwas merkwürdig werden.

motor.de: Was waren rückblickend der beste und der schlimmste Moment in eurer Karriere?

Waaktaar-Savoy: Es gibt sicherlich einige offensichtliche Highlights. Aber für mich persönlich… [überlegt] Der Anfang unserer Karriere war fantastisch, wir hatten diese Hysterie um unsere Band inklusive der schreienden Mädchen. Das änderte sich später, wir wurden für eine kurze Zeit sogar ein bisschen Underground mit “Memorial Beach”. Die siebenjährige Pause war insofern auch großartig, weil sie unsere alte Band revitalisierte. Unser Comeback 2000 war wie eine zweite Geburt. Außerdem konnte man sehen, wie neue Musiker von uns beeinflusst wurden.

Furuholmen: Es ist schwierig, einzelne Momente herauszupicken. Einer der Höhepunkte war sicher die Popularität, die wir in Südamerika zur Mitte unserer Karriere erreichten, als die Hysterie in Europa und Amerika spürbar nachließ. Wir fanden uns plötzlich auf einem neuen Kontinent wieder, wo unsere Musik fantastisch aufgenommen wurde. Einmal spielten wir sogar im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro vor fast 200.000 Zuschauern. Wir sind auch bereits mit einem Höhepunkt gestartet, als “Take On Me” ein Nummer-eins-Hit auf der ganzen Welt wurde. Die schlimmsten Momente sind, wenn nichts funktioniert und man in einem emotionalen Tief steckt. Jeder hat solche Zustände während einer langen Karriere. Deshalb fühlt sich die enthusiastische Welle, auf der wir uns momentan befinden, so gut an.

motor.de: Gibt es Entscheidungen, die ihr bereut?

Furuholmen: Es hat die gesamte Zeit über Millionen von schlechten Entscheidungen gegeben, aber am Ende geht es darum gar nicht. Man trifft Entscheidungen, und dann muss man mit den Konsequenzen leben. Für mich war einer der peinlichsten Momente, als wir während des Live-8-Konzertes in Berlin mit technischen Problemen zu kämpfen hatten. Das hätte Jedem passieren können, aber es fühlte sich in gewisser Weise so an, also ob wir nicht richtig vorbereitet gewesen wären. Am Ende hörten wir während “Take On Me” über unsere Lautsprecher nur noch die Roadies der nächsten Band, wie sie die Gitarren stimmten. Aber ich schaue lieber auf die positiven Dinge, für mich sind selbst die negativen die Samen einer positiven Erfahrung. Ich bin fast ein bisschen dankbar für diesen peinlichen Moment.

Waaktaar-Savoy: Wir kamen aus Norwegen, und damals gab es nur sehr wenige Bands, die machten, was wir machten. Wir waren sehr zielstrebig und glaubten an uns. Wenn uns die Leute für eine Fernsehshow haben wollten, machten wir alles, was sie von uns verlangten. Dafür haben wir ein wenig den Preis bezahlt. Der Beginn unserer Karriere endete ein bisschen in der Teeniepop-Ecke. Es hat uns einige Anstrengung gekostet, da wieder herauszukommen. Manchmal waren wir vielleicht zu höflich.

motor.de: Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Waaktaar-Savoy: Wie gesagt, es gibt einige Dinge die ich gerne machen würde. Es gibt z.B. Savoy, meine andere Band. Ich wurde oft von anderen Künstlern wegen einer Zusammenarbeit gefragt, hatte aber nie die Zeit. Das kann ich jetzt angehen.

Furuholmen:
Für mich sind einige Pläne schon fix, als dass ich die Hälfte meiner Zeit als bildender Künstler arbeite. Es gibt laufende Ausstellungen und neue, die geplant werden müssen. Und musikalisch werde ich mich auch weiterhin betätigen, vor allem in meinem Projekt Apparatchik. Ich bin für alle neuen Dinge offen, in die ich meine Fähigkeiten einbringen kann. Was auch immer passiert, es wird sich wie ein Neustart anfühlen. Das ist die wohl eleganteste Art, eine Karriere zu beenden. Es ist aus kreativer Sicht gesund, sich nicht auf der Geschichte auszuruhen. Vielleicht sitze ich aber 2010 nur zuhause und lese ein Buch.

motor.de: Ihr spielt die allerletzte Show eurer nächstjährigen Tour in Oslo. Ist euch das wichtig, gerade dort aufzuhören, vielleicht als eine Art Abschiedsgruß an die Fans in der Heimat?

Furuholmen: Ja. Wir starteten unser musikalisches Leben in Oslo. Den Durchbruch schafften wir aber erst, als wir nach England gingen, deshalb ist dort ebenso unsere musikalische Heimat. Unser Heimatland wird immer etwas Besonderes für uns sein. Unsere Familien und Freunde leben dort. Es wird mit Sicherheit ein sehr spezieller, emotionaler Abend werden. Und das Konzert war innerhalb von zwölf Minuten ausverkauft. Hoffentlich können wir den Leuten etwas zurückgeben.

Waaktaar-Savoy: Norwegen ist immer ein besonderer Ort für uns. Allein die Vorbereitung der Gästeliste ist ein Fulltime-Job. [lacht]

Interview: Mark Lomenick
Photos: Florian Kresse

Die komplette Fotostrecke zum Konzert findet ihr in »stereocolors Blog

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