Ziggy Stardust und alle anderen Persönlichkeiten von David Bowie, die jeden Sound des Mondes für uns Erdenbewohner*innen übersetzten, bekommen Konkurrenz: Die Berliner Künstlerin ZUSTRA zeigt mit ihrer neuesten Single “Walking on the moon” erneut wie mystische und atmosphärische Balance zwischen Text und Musik im Dream-Pop funktioniert. Uns hat sie erzählt wie ihr großartiger Song entstanden ist.

There’s always something old/ In everything new – Die Inspiration

Vergangenen Herbst bin ich nach Island gereist in einem Zeitraum, in dem
es sicher genug möglich war. Ich kann nicht einschätzen, wie es wirkt,
wenn dort viele Tourist*innen sind, aber ich erlebte die Menschenleere
auf dieser ohnehin lebensunwirtlichen Insel als erstaunlich. Es war
beinahe gewaltvoll. Und so wanderte ich tagsüber durch diese
Landschaften und fühlte mich wirklich wie auf dem Mond – und eines
nachts im Auto vorm Einschlafen kam mir die Melodie zum Song und ich
habe ihn fast vollständig in mein Handy gesungen, so wie er heute ist.

I want you to be good/ And everything humans are not – Das Thema

Das Thema aus meiner Sicht ist unsere Geworfenheit in die Welt und die
Absurdität unserer Existenz. Es ist bittersüß, deswegen wollte ich, dass
der Song in seiner Schwere auch leicht und tänzelnd klingt. Was mich
immer beschäftigt, ist die barocke Vanitas-Symbolik, das auch ein
Leitmotiv meines Debütalbums “The Dream of Reason” sein wird, das Anfang
2022 erscheint. Während des Lockdowns habe ich außerdem mal wieder Camus
gelesen und mir Schopenhauer und Nietzsche reingeballert, die haben auch
Spuren hinterlassen, haha!

Und zum anderen geht es in “Walking On The Moon” um die Verknüpftheit
von allem, und zwar nicht in einem esoterischen Sinne, sondern
tatsächlich physikalisch. Zum Beispiel habe ich mit einem meiner besten
Freunde telefoniert, der Physiker ist. Er kann toll erklären und wir
haben über die Nukleosynthese gesprochen, also die Entstehung aller
Elemente nach dem Urknall. Alles Material, aus dem wir sind, ist auf
diese Sterne zurückzuführen; alles, woraus wir sind, gab es vorher schon
in einer anderen Form, und wird auch wieder zu etwas anderem werden.
Sollte es in ein paar Hundert Jahren noch Menschen geben, bauen sie
vielleicht genau auf der Erde, in der man selbst verbuddelt ist, zum
Beispiel Kartoffeln an. Das finde ich schon ein bisschen lustig. Sich da
als einzelner Mensch oder Menschheit im Kreislauf der Welt für besonders
wichtig zu nehmen, finde ich absurd.

I’m walking on the moon/ With nothing else to do – Der Songwritingprozess

Jeder Song beginnt bei mir mit einer Melodie, die mir in den Sinn kommt,
wenn ich entspannt bin, häufig vorm Einschlafen oder beim Fahrradfahren
oder Wandern. Wenn die Melodie hängenbleibt, höre ich schon den fertigen
Song in meinem Kopf, wie er klingen und mit welchen Instrumenten er
arrangiert werden soll. Dann will ich auch sofort dazu singen und so
entstehen schon die ersten Worte, die meist intuitiv so passend sind,
dass sie in der Regel das Thema des Songs vorgeben.

I wanna kiss you but the moment’s over – Der Studioprozess

Ich habe eine Demo des Songs bei mir zu Hause mit Ableton produziert,
die schon die späteren Vocals und Backing-Vocals beinhaltete, und auch
meine E-Gitarre und die Streicher-Pads haben mein Kollege Danny und ich
im finalen Song belassen. Danny ist ein fantastischer Schlagzeuger und
hatte einen Vorschlag zu Drums gemacht, die cool waren, aber noch nicht
die richtigen. Ich weiß noch, wie ich auf dem Sofa im Studio lag, ihm
Sound-Referenzen genannt habe und auf Bauch, Beine und Hände geklatscht
habe, wie ich mir die Drums vorstelle. Er hat wie so oft meine Gedanken
gelesen: Im finalen Song klingt das Schlagzeug wie in meinem Kopf und
ich finde es grandios!

Tenderness of indifference – Das Musikvideo

Da es im Song gewissermaßen um die Geschichte allen Seins geht, fand ich
es passend, für das dazugehörige Video einen Ort zu wählen, in dem die
Erdgeschichte erzählt wird. Im Song geht es für mich um eine
Ursprünglichkeit, auch Wildheit, und die Tiere im Naturkundemuseum sind
dafür eine wunderbare optische Entsprechung. Ich bin sehr dankbar, dass
das Museum den Dreh gestattet hat! Nach der Zusage hieß es allerdings
schnell sein: Ich hatte nur elf Tage Zeit, mir ein gesamtes Team
zusammenzustellen und ein Konzept zu entwerfen. Meine Freund*innen
hatten so kurzfristig an diesem Montag im Juni keine Zeit. Es erscheint
mir fast wie ein Wunder, dass ich dank der Empfehlung von Bekannten und
auch dank Instagram in so kurzer Zeit mein “Moon-Team” gefunden habe,
das ich mir toller nicht hätte wünschen können: den Berliner
Fashion-Fotografen und Filmemacher Julian Paul und die Make-up-Artist
Mai Anh Rudolph etwa. Ich liebe das Ergebnis!

How do you take it easy? – Lieblingspart bei der Entstehung des Songs

Der unermesslich schönste Moment bei der Entstehung jedes Songs ist für
mich, wenn ich genau das Instrument oder den Sound oder den Effekt in
den Soundbibliotheken finde, den ich in meinem Kopf höre. Wenn es genau
so klingt, wie ich es mir vorgestellt habe. Dann ist es, als würde man
seine Innenwelt plötzlich im Außen hören. Allein für diese Glücksmoment
würde ich niemals mit dem Musikmachen aufhören.


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