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Abby im Interview

(Alle Fotos: Nico Wöhrle)

Abby sind gerade auf großer Friends&Enemies Tour und haben sage und schreibe zwei Off-Days. Man möge meinen sie würden sich mal ausruhen und die Wäsche waschen wollen, doch selbst diese beiden Tage scheinen für die Arbeit draufzugehen. Abby ziehen mittlerweile dank großartiger Videos und vor allem der bombastischen Liveshows eine gewachsene Aufmerksamkeit auf sich. Zu recht, kann man sagen, wenn man sich mal eines der treibenden Live-Sets angesehen hat. Für die Off-Days wurde sich zwar in die Heimatstadt Berlin zurück gezogen, nach Ruhe klingt das aber nicht. Ich merkte, dass ich an diesem Tag nicht der erste neugierige Medienmensch war, der bei Sänger Filou zum Interview durch rief:

motor.de: Das hört sich alles etwas stressig an bei dir!

Filou: Ja ein bisschen stressig ist es auch, aber alles cool!

Wie war denn die Tour bis jetzt?

Die Tour war super bis jetzt! Wir sind natürlich alle etwas angestrengt und müde, aber wir hatten ein super schönes Konzert in Köln gehabt, in Hannover… also eigentlich war alles cool, es lief alles eigentlich wie am Schnürchen. 

Und alle sind am Tanzen auf euren Konzerten?

Ja, aber auf den Sonntagskonzerten weniger, da haben alle ja noch einen Kater vom Tag davor. Dafür ist es cool, dass wir diese Visuals mit dabei haben,  das kommt dann wie Kino. Manche staunen einfach ein bisschen. Das Feedback nach den Konzerten ist super positiv, durch die Bank weg. Alle sind begeistert von den Konzerten und oft wird es sogar cooler gefunden als die Platte, ich denke da kommt der visuelle Faktor hinzu und dass man sich dabei bewegen kann.

A Propos Kater: Habt ihr auch ein ordentliches Tourleben oder haltet ihr euch zurück?

Je nachdem, es gibt Momente an denen wir wissen, dass es sinnvoll ist jetzt nicht loszuziehen und alles auf eine Karte zu setzen. Aber zum Beispiel an einem Samstag, wenn die Leute auch da bleiben zum Feiern dann genießen wir das natürlich auch und gönnen uns das schon mal so’n bisschen Party zu machen. Bei mir liegt da aber die größte Verantwortung, weil man’s mir wirklich anhört am nächsten Tag wenn ich Party gemacht habe… Daher halte ich mich weitestgehend zurück und gucke, dass ich auch am nächsten Tag ein gutes Konzert spielen kann.

Du hast gerade die Visuals angesprochen. Vor kurzem habt ihr ein Video veröffentlicht zu „Monsters“, das visuell auch sehr ansprechend von dem Künstler Pooya Abbasian umgesetzt wurde. Seid ihr an ihn heran getreten oder wie lief das ab?

Nein, also wenn wir an ihn heran getreten wären, hätten wir das nie bezahlen können, weil Animationsvideos normalerweise ein riesiges Budget in Anspruch nehmen.  Das ist ein Iraner, der in Paris lebt und uns schon vor einem dreiviertel Jahr bei Arte Introducing gesehen hat. Und der war so begeistert von uns, dass er uns eine Mail geschrieben hat und meinte „Hey, ich hab schon mal ein Video für ein Soloprojekt von dem Archive-Sänger gemacht“, hat uns das geschickt und gesagt, dass er unglaublich gerne ein Video für uns machen würde. Daraufhin haben wir uns dann gemeldet und gemeint: „Das ist mega cool“  und Gänsehaut von seinem Video bekommen. Dann ist das so für drei Monate im Sand versickert, weil wir zu diesem Zeitpunkt gerade kein Video brauchten. Als es dann soweit war dachten wir so „What the fuck, wir melden uns noch mal bei diesem Typen, viellleicht hat der ja immer noch Lust ein Video zu machen“ Der kann halt auch die Abby-Geschichte und den Charakter einfach zeichnerisch darstellen, ohne dass man Gesichter verstecken muss. Er hat sich dann tierisch darüber gefreut das machen zu dürfen und später auch ein fertiges Video abgeliefert. Er hatte uns ein Storyboard geschickt, um zu wissen, ob das prinzipiell klar geht, was wir nur bestätigen konnten. Er hat absolut freie Hand gehabt, sich auszutoben. Das war wie bei einer Kooperation zweier Künstler.

 


Abby – Monsters on MUZU.TV.

Bezüglich der vielen Verpflichtungen die damit einhergehen, dass man als Band größer wird, seien es ständige Interviews, Verlust der Freizeit usw. : Gibt’s da nicht Momente, an denen man denkt „Das ist mir alles zu viel, ich will einfach nur Musik machen! Lasst mich in Ruhe!“?

Das ist immer auch ´ne Gruppensache. Es gibt auch bei uns ´nen unterschiedlichen Umgang damit. Mich zum Beispiel stört es am wenigsten. Das einzige, was ich sehr ungern habe, ist wenn ich in ein Interview geschickt werde und dann jemand kommt, der eher Fan ist und am Ende noch ein Autogramm und Foto haben will. Das ist komisch, weil wir uns selber so auch einfach nicht sehen. Prinzipiell aber stört es mich nicht, ich find es eher schön, dass da so ein Interesse entsteht und wenn da einer gerade kein Bock drauf hat, dann sind immer noch drei andere da. Wenn’s irgendwann zu nervig wäre, dann bräuchte man auch gar keine Interviews mehr geben, dann würde es ja anscheinend so gut laufen, dass man sich das sparen kann. Aber daran denken wir eigentlich gar nicht, weil wir immer noch den Wunsch haben langsam aber sicher zu wachsen und uns von einem Moment in den anderen zu exportieren.

Auch ich muss zugeben der Fan-Perspektive gerade alamierend nahe zu sein. Ich habe euch bei Berlin Live gesehen und war von euren improvisierten Raves, die ihr den Songs angehängt hattet, regelrecht umgehauen. Werdet ihr von diesen Live-Angewohnheiten auf einem zweiten Album mehr durchschimmern lassen?

Ja, wir möchten extremer werden, dazu gehört zum einen tiefer in diese Ravegeschichte einzutauchen, weil wir das irgendwo auch einfach sind. Zum anderen wollen wir auch alle anderen Elemente, die für uns maßgeblich sind, extremer gestalten. Vielleicht gibt es eine Nummer, die total Seventies ist, oder eine Nummer, die so elektronisch ist, dass man die uns durch diesen Kontrast gar nicht zuordnen würde. Die Türen sind nach wie vor für alles offen. Das wirklich wichtige für uns ist, auf dem nächsten Album – egal in welche Richtung – extremer zu sein! 

Dieser Vorsatz klingt cool!

Das Ziel ist nicht alles so zu vermengen, dass man nicht weiß, woher etwas kommt, sondern einen klaren Stil zu entwickeln, dass man sagt „okay, wir machen zwar Raves, dann ist auch dieses Gefühl in jedem Song drin, vielleicht mal viel seventies-mäßiger umgesetzt in der Produktion und mal viel elektronischer.“ Die Hauptsache ist, dass diese extreme Haltung dahinter bleibt und der Wunsch, alles etwas offensichtlicher zu gestalten ohne die Vielschichtigkeit zu verwerfen.

Man muss ja auch einen gewissen Stil wahren…

Genau, es soll auch weiterhin nach Abby klingen. Wenn wir vier was zusammen machen, dann klingt das eh nach uns. Es hat sich in den letzten zwei Jahren aber auch viel getan. So etwas wie „Monsters“ deutet schon an, wohin es gehen soll, da ist es nur noch nicht ausgeschöpft. Aber seitdem haben wir auch zwei Jahre gelebt, andere Musik gehört…


 

Habt ihr denn schon ein paar Tracks fertig oder zumindest angefangen?

Wir haben irgendwann mal die Zeit genutzt und um die 18 Ideen gesammelt.

18? Wow!

…aber auch nichts davon fertig gemacht. Es war nur um Ideenfragmente zu sammeln. Daneben schreiben wir gerade an einer Techno-EP, die wir zusammen mit Steve Nash machen, was wiederum auch Einfluss auf uns hat.

Und privat seid ihr auch viel in Clubs unterwegs?

Ja, auf jeden Fall, wir sind auch privat sehr technoaffin, wir feiern extrem gerne. Es wird trotzdem so sein, dass viele Gitarren auf dem Album sein werden und „echte“ Drums. Es geht darum, mit akustischen Instrumenten extremer diesen Vibe aufzufangen. „Howling“ zum Beispiel im Remix von Âme, das ist halt ein Song, den man auch einfach einspielen kann, aber es ist eigentlich ein House/Techno Song. In anderen Genres zu denken, das ist der Witz an der Sache.

Wenn du schon so ein Beispiel nennst, fallen dir weitere Bands ein, die diese „Techno mit Instrumenten“ Sache gerade vorantreiben?

Auf diese subtile Art, wie wir das auf dem aktuellen Album haben, fällt mir jetzt keine Band ein. Und was diese extreme Ausrichtung angeht wird es noch schwieriger. Eine weitere deutsche Band, die diesen Morph geschaffen hat zwischen klassischer Musik und Techno sind Brand Brauer Frick, die auch einfach großartig sind. Die feiern wir komplett weg! Das ist ein anderer Stil, aber genau das richtige! Und die sind auch extrem in dem, was sie tun! Das wollen wir mit Songs schaffen durch die Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Ich bin aber auch nicht der in der Band, der immer weiß was gerade auf dem Markt ist, weil ich meine Inspiration meist über die Texte nehme und die kommen eher von innen als von außen.

Wie sind denn bei euch musikalisch die Aufgaben verteilt? Es kommt mir vor, als hätte jeder seine Rolle, oder eher: seinen Hintergrund. Tilly, als der klassisch ausgebildete und experimentierfreudige Musiker mit Loopstation, Cello und Flöte. Lorenzo, der den repetitiven Berghain-Bums in den Sound trägt und du, der die Songs aus einer Singer-/Songwritertradition heraus schreibt. Ist da was dran?

Eigentlich nicht, aber natürlich hat jeder sein Kernthema, ganz klar, das liegt auch an den Instrumenten, die jeder von uns spielt. Daher hat auch jeder seine Hauptaufgaben und aber auch seine Freiheiten. Du liegst mit deiner Vermutung auch gar nicht falsch. Ich hab früher mal Metal gehört und war dann dem Singer/Songwritertum mit Nick Drake und so angetan, was auch weiter da ist. Lorenzo ist nach dem Hip-Hop als erster von uns beim Techno gelandet, Tilly einen Hauch später. Eine klassische Ausbildung an unseren Instrumenten haben wir übrigens alle. Mittlerweile haben wir aber einen großen gemeinsamen Nenner, auf was wir uns alle und immer einigen können sind die Seventies-Sachen. Doors, Pink Floyd und Led Zeppelin. Und eben Techno. Das sind die großen Eckpfeiler für das, was wir tun.


Abby – Streets on MUZU.TV.

 

Ihr habt euch kennen gelernt an der Pop Akademie Mannheim und lasst euch nicht so gerne darauf festnageln. Was ist dir daran so unangenehm?

Mir ist es nicht unangenehm, ich bin auch dankbar für die Zeit, die ich dort hatte. Es war für uns eine Plattform als Freunde zusammen zu wachsen und dann nach Berlin zu ziehen. Die Außenwahrnehmung der Pop Akademie ist aufgrund dieses Namens leider oft negativ behaftet und hat eher so Produktcharakter, als dass man denkt da geht es um Liebhaberei. Und wir sind eigentich Liebhaber. Da kommt auch öfter mal die Frage hinterher, ob man da auch lernt, den perfekten Popsong zu schreiben. Wir sind nicht so gelernt, wir sind viel intuitiver und emotionaler! Wir werden das nicht verneinen und wenn jemand das schreiben will, dann kann er das schreiben, nur ist es für uns kein maßgeblicher Punkt und nicht so, dass es uns musikalisch was bringen würde. In den Kreisen, in denen wir uns bewegen wollen, wie ARTE und Co, ist diese Schule eher ein Türschließer als dass sie Türen öffnet. Nicht mal wegen inhaltlichen Dingen sondern nur wegen diesem scheiß Namen, den finde ich einfach ungünstig gewählt. Es ist keine Schmiede um Schema-F-Dinge auswendig zu lernen. Was nicht da ist, kann auch nicht gelernt werden. 

Ihr seid ja gerade auf Friends&Enemies Tour. Wer sind denn eure Feinde?

Der Gedanke dahinter ist lyrisch gar nicht spezifisch auf Personen bezogen. Das zieht sich zwar bis hin zu Personen, ist aber allgemeingültig. Es geht uns viel mehr darum, dass man an sich und seinen Gedanken zweifelt. Die guten und die schlechten Gedanken bedingen sich auch. Es geht vielmehr darum mit allen den Frieden zu schließen als die schlechten zu verbergen und nur die guten zu behalten. Es geht weiter bis zu schlechten Angewohnheiten, die sind dann Freunde und Feinde. Wenn ich mir jetzt ‚ne Kippe anzünde tut die mir in diesem Moment erst mal gut, aber auf Dauer ist das eine schlechte Angewohnheit. Es geht um solche Kleinigkeiten und den Umgang mit ihnen als spezifische Personen. Weil auch ein Freund ein Feind sein, aber er ist trotzdem ein Freund. Wo ist diese Grenze zu ziehen?

(Marc Augustat)

 

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