Das Leben in Frankreich ist nicht leicht. Jedenfalls dann nicht, wenn man sich einer elektronisch rockenden Klangformation verschrieben hat. Und das ganze Debakel fängt hier gleich bei der Prioritätensetzung an, wie Gitarrist Gaëtan Didelot zu erklären weiß: “In Frankreich gibt es keine Pop-Musik-Kultur, sondern nur ‚Chanson’. Die Teenager mögen HipHop, aber der wird auch nur in unserer Muttersprache vorgetragen. Rock ist nichts, was sich die Franzosen anhören möchten. Deshalb wird man auch so schnell niemanden finden, der einer englisch singenden Rock-Band einen Plattenvertrag vorlegt.”
Im Falle Adam Kesher und der sechs dazugehörigen Bandmitglieder ist man trotz der Tatsache, dass es sich für sie exakt um dieses ignorierte Klangphänomen dreht, bei einem kleinen Pariser Indie-Label untergekommen. Der Vollständigkeit halber sollte allerdings erwähnt werden, dass sich auf ihrer neuen EP “Modern Times” noch ein gehöriger Schuss aufgekratzter Elektro-Sounds mit dazugesellt. “Unsere Musik ist ganz einfach eine Mischung aus Rock und Elektronik. Ein Mix aus Daft Punk und The Velvet Underground. Doch wir betrachten uns selbst mehr als Rock-Band und nicht als schrilles Elektronik-Ensemble.”
Außenstehenden mögen die vermeintlichen elektronischen Nebensächlichkeiten jedoch recht dominant erscheinen. Zu synthetisch peitschen die Stücke aus den Boxen, um guten Gewissens als solide Rock-Gebilde gehandelt zu werden. Doch das ist wohl, wie so vieles im Leben, auch Auslegungssache. Keyboarder Matthieu Beck war überrascht, auf der bandeigenen MySpace-Seite eine Rage Against The Machine-Ähnlichkeit nachgesagt zu bekommen. Absurd, aber kein Problem! Solange – ja, solange niemand daherkommt und Adam Kesher mit den Killers vergleicht, denn “das ist eine Band, die jeder von uns hasst!”
Stattdessen setzen die Jungs auf andere Inspirationsquellen, zum Teil auch aus dem Nachbarland. “Wir lassen uns von vielen Kapellen beeinflussen. Ganz weit vorne auf dieser Liste stehen mit Sicherheit The Robocop Kraus.” Zur Bandnamen-Findung traf man sich allerdings im Kino. “Adam Kesher heißt ein junger Regisseur in David Lynchs Leinwandbeitrag “Mullholland Dr.”, der sich mit der Mafia herumplagen muss und schließlich hin und her gerissen ist, ob er mit ihnen kooperieren oder lieber unabhängig bleiben soll. Um solch ein Spannungsverhältnis geht es irgendwie auch bei uns. Auf der einen Seite versuchen wir komplett unser eigenes Ding zu machen, auf der anderen wollen wir natürlich auch gefallen. Wenn man Pop-Musik angeht, dann möchte man es den Leuten einfach recht machen. Das liegt in der Natur der Sache.”
Dass Sänger Julien Perez diesen interessanten Tatbestand derart tiefschürfend zu schildern versteht, mag auch an dem denkintensiven Bildungsweg liegen, den er und sein Gitarrist Gaëtan eingeschlagen haben. Doch anstatt eine brodelnde Leidenschaft für die unersättliche Grübelsucht zu hegen, betrachten die beiden ihr Philosophiestudium eher als einen flexiblen Deckmantel für die Sorte Menschen, die ihr wahres Leben hingebungsvoll, aber temporär brotlos einer Musikkapelle widmen. Falls das mit der Bandkarriere auf Dauer allerdings nichts werden sollte, haben die Freunde keine wirklich verlockende Alternative parat – und all die Zigaretten, die die Bande am laufenden Meter niederbrennt, wollen schließlich finanziert sein. “Wir möchten unser Geld mit der Musik verdienen und auf keinen Fall nach dem Studium unterrichten müssen. In Frankreich werden die Lehrer von Schülern oft genug verprügelt und das Ganze dann per Handykamera mitgeschnitten. Nein Danke, das kommt nicht in Frage!”, protestiert Gaëtan galgenhumoristisch lachend.
Doch es könnte wohl noch schlimmer ausgehen, als auf engstem Raum einer Horde gewaltbereiter Jugendlicher ausgeliefert zu sein. “Unser bedrohlichster Alptraum wäre es, wie The Killers zu enden. Das ist keine Musik, sondern Seifenschaum! Wir wollen keine “Pop-Song-Machine” sein, wir sind nicht Interpol. Wir bleiben auf dem Boden!”, sprach’s und verkroch sich hinter einem fetten Schmöker über das “Sein oder Nichtsein” im Musikgeschäft – kleiner Scherz.
Text: Christine Stiller
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