Alles außer jammern: vier Jungs aus Sachsen-Anhalt beweisen, wie unpeinlich man sich als Rockband auch 2009 noch in einem Genre namens Emo austoben kann.

Bonjour Tristesse: „Kilometerweise Plattenbau, Fussball im Hinterhof, Spätverkauf, Jugendclub.“ Es ist nicht etwa das Leben der Anderen, das Adolar dort, in der Strophe des Openers ihrer ersten EP „Planet Rapidia“ zu unmittelbaren und unaufdringlichen Punk-Akkorden beschreiben. Kein Tatort Magdeburg, keine Milieustudie. Es ist ihre eigene Adoleszenz, die sie in so blassen Bildern zeichnen und benennen. Wohl aber: Das ist von diesen vier Jungs alles so gewollt und war schon immer so okay.

Jan Krieshammer, Tom Mischok, Michael Cyris und Frank Mertens hatten eine ganz normale Jugend. Im Norden Sachsen-Anhalts, in der Altmark und in Kleinstädten namens Salzwedel, sind sie aufgewachsen. Die Idylle liegt auch hier im Auge des Betrachters, wie sie sagen: “Die nächste Autobahn ist eine halbe Ewigkeit enfernt, Hardcore- und Metalbands gibt es immer, der Baumkuchen schmeckt fantastisch und die Fachwerkhäuser sehen super aus.”

In der 7. Klasse gründeten Tom und Frank ihre erste Band, lernten Jan und Michael kennen und haben auch sonst nichts Außergewöhnliches zu berichten: „Hier und da gab’s mal von den Nazis aufs Maul, in der Schule kannte man seine Stärken und Schwächen, manchmal war alles beschissen, manchmal war alles toll… insgesamt wunderschöne Zeiten – und jetzt Adolar.“
Jetzt, das ist die Zeit seit dem 21. Januar 2008. Im Netz tauschten sie sich zuvor über ihre musikalischen Vorlieben aus. An jenem Tag dann gründeten sie Adolar und benannten sich nach einem ungarischen Zeichentrickfilmhelden, „den man vermutlich nur im Osten kennt“.

Heute wohnen Adolar in Magdeburg, Halle und Berlin und sind damit schon jetzt weiter von ihrem Elternhaus entfernt als die meisten der alten Freunde. Im Titel und Refrain von „Mariokart vs. Kettcar“, der Single also, die sich schon bald zum veritablen Indiehit mausern könnte, bringen Adolar ihr Heranwachsen in der ersten und dritten Person auf den Punkt: „Damals haben wir Mario Kart gespielt, und du hörst heute Kettcar“. Jan, Tom, Michael und Frank gehörten zur zweiten Generation Nintendo, sind nun Teil der „Phrasen an die Wand“-Generation und als Opfer der Uhlmannisierung deutscher Popmusik, toitoitoi, gerade noch zu jung. Man kann das nackte und im besten Sinne durchschnittliche Leben nachempfinden, über das sie da singen, auch falls es nicht das eigene ist und nicht war.

Adolar sind nicht mehr und nicht weniger als eine talentierte junge Punkrockband mit Vorlieben für Hardcore und deutschsprachigen Indierock. Eben das aber wird ihr in der Planung befindliches Debüt zu einem so erfrischenden machen. In „Mitnehmerrippe“, dem anderen Hit, toben sie sich im Call And Response-Sprechgesang aus, als ob die ??? keinen Bock mehr auf Hinterherrennen lösen hätten. Adolar fusionieren die emotionalen Plus- und Minuspole von Escapado, den frühen Tomte und Thursday zu einer, ihrer ureigenen, neuen Mitte.

Eine kommerziell über alle Maßen erfolgreiche, irgendwie anders geartete Emoband hat Magdeburg vor vier Jahren ja erst hervorgebracht. Ein mit Tokio Hotel vergleichbares Schicksal wird Adolar, eher Wohl als Übel, in diesem Leben nicht wiederfahren. Ein der Szenerie des Textes entsprechendes Video zu „Mariokart vs. Kettcar“ haben Adolar in Köln-Chorweiler abgedreht. Soweit hätten sie gar nicht gemusst. Denn wenn das Image des Ostens unserer Republik eines prägt, dann sind das ja bekanntlich Plattenbauten. Aber Adolar wollten raus aus dem eigenen Hinterhof.

Fabian Soethof