Bislang waren Alcoholic Faith Mission eine dieser Bands, die stetig bewiesen haben, dass Niedlichkeit der Theatralik nichts anhaben kann. Ausgerechnet sie schaffen es auf ihrem vierten Album “Ask Me This” nun in der Dramaturgie zu stolpern.

(Foto: Maud Frisenfeldt)

Seit nunmehr sechs Jahren pilgern Alcoholic Faith Mission über den Indie-Globus. Das kürzlich erschienene “Ask Me This” ist ihr viertes Album und mit ihrer Musik haben sie bereits die Hälfte der Erde bereist und dabei prominente Stationen wie Austins legendäres SXSW mit abgeklappert. Trotzalledem rühmt sich das dänische Sextett immer noch als ein Geheimtipp. Wer nun in den vergangenen Wochen die Gelegenheit hatte, die fünf Herren und ihre Dame auf einer Bühne anzutreffen und sich in ihrem älteren Repertoire auskennt, dem dürfte aufgefallen sein, dass man ein wenig an den Segeln herumjustiert hat. Stücke aus früheren Alben wurden auf einmal in neuen Arrangements vorgetragen, die glatter wirkten: Anstatt auf große Steigerung setzte man auf mehrstimmigen Chor-Prunk von Anfang an. Und auch die Stimmen von Thorben Seierø Jensen und Sune Sølund klingen eine Spur professioneller. Läuft die Gruppe nach jahrelangem Underground-Dasein nun etwa in Richtung kommerziellem Erfolg aus? Die Motivation ist unklar, die klangliche Veränderung in jedem Fall erkennbar.

Alcoholic Faith Mission – “Into Pieces”

“Ask Me This” ist ein vielseitiges Album geworden, experimentierfreudig und trotzdem in den Fußstapfen der Gruppe, die sich an keiner Stelle selbst verleugnet. Für den Mut zum Wagnis steht das Stück “Into Pieces”. Der Titel illustriert hier die Machart: Arpettios aus gecutteten Stimmen setzen den rhythmischen Puls und vermischen sich mit weiteren Akkordbrechungen auf dem Klavier. Es kommt zu einer aufbrausenden rhythmisch-melodischen Verstrickung und das, obwohl das gesamte Soundmaterial namensgemäß nur aus abgehackten Schnipseln zu bestehen scheint. Darüber entladen sich herrlich unsaubere Rufgesänge. Mit “Running With Insanity” findet sich ein Song ganz in der Tradition der Band, wie ihn sich wohl alle Liebhaber des letzten Albums, “Let This Be The Last Night We Care“, gewünscht haben: Große Dynamikbögen in einer Stimmung zwischen Melancholie und ironischem Lachen, LoFi-Schifferklavier und Schrammelgitarre, dazu Klatschrhythmen, ein paar elektronische Spielereien und die Zweistimmigkeit der beiden Sänger, die so hervorragend zusammenpassen.

Trotzdem scheint die Nummer vier in der Diskographie der Dänen nicht über ihre drei Vorgänger hinauswachsen zu können. Ausgerechnet in der Dramaturgie hängt es und das obschon aller Zierlichkeit zum Trotz eine ungeheuerlich mitreißende Energie selbst in zaghaften Balladen eine der größten Stärken der Gruppe war. Betrachtet man zum Beispiel den Opener “Down From Here”, der das Album mit einem anderthalbminütigen mehrstimmigen Choral und größtmöglichem Pathos eröffnet, so stellt der Hörer fest, dass in den ersten Takten mit Akkordkombinationen im Kirchenstil, ausgewählten Dissonanzen und jeder Menge Hall zwar eine Menge Spannung aufgebaut wird. Nach dem Einsatz der instrumentalen Begleitung will sich diese dann aber trotz allmählicher Aufschichtung von Klängen weder steigern noch erhalten lassen. Sie verebbt schließlich ganz und hinterlässt drohende Langatmigkeit. Auch in “Alaska”, das hübsche Melodien mit den bandtypisch rumpelig-angezerrten E-Gitarren und einfachen Drum-Machine-Beats paart, hat man nach der Hälfte des Songs das Gefühl, er könnte nun eigentlich zu Ende sein.

Alcoholic Faith Mission – “We Need Fear” (Akustik)

Als Ursache ist die Produktion zu verdächtigen, kaum sonst scheint sich erklären zu lassen, warum Songs wie “I’m Not Evil” einfach keinen Spannungsbogen generieren wollen, obschon das Songwriting eigentlich ganz nach der schwungvollen Handschrift von Alcoholic Faith Mission aussieht. Die Band, die einst mit ein paar einfachen Akkorden und zwei zarten Stimmen Gänsehaut oder Tanzwut hervorrufen konnte, scheint sich auf einmal hinter einer monströsen, hochpolierten Produktionsfassade zu verstecken und es wirkt, als fiele es dem Gefühl schwer, hindurchzudringen. Klänge werden zu früh zu sehr aufgebauscht und die Verspieltheit verkriecht sich in irgendeine Ecke und auch gelegentlicher LoFi-Charme wirkt seltsam konstruiert. Zwar waren die meisten Soundeffekte auch auf ihrem letztem Album schon zu hören, hier rücken sie aber auf einmal markant in den Vordergrund.

Gegen Ende des Albums finden sich dann in “We Need Fear” auch noch ein paar der gewohnten Direktheiten in den Texten. Ganz in der Tradition ihrer possierlichen Unverschämtheiten singt Jensen “You’re a sexy little bitch, I gotta say” und später “when we’re rolling on the floor it’s clearer / we need fear”. Das winzige Männlein im Ohr, das behauptet, es klänge auf einmal aufgesetzt, ist vermutlich nur wegen einem der vorangegangenen Stücke noch etwas griesgrämig, allerdings stimmt es, dass die kecke Aufmüpfigkeit früherer Texte nicht erreicht wird. Mit dem letzten Song wird es dann aber wieder versöhnt: “Throw Us To The Wolves” ist knarrig, laut und vertrackt, vereint raubeinige Piratenchöre mit Glockenspiel und Streichern – und die Dynamik funktioniert trotz eher ungewöhlicher, abrupter Dramaturgie.

Alcoholic Faith Mission – “Running With Insanity”

Man könnte auf “Ask Me This” die herrlichen Blechbläser vermissen, die man von älteren Werken kannte und zu viele nicht allzu kreative Fade-Outs an den Songenden bemängeln. Man könnte gelegentlichen Wind aus der Richtung Efterklang vernehmen oder feststellen, dass elektronische Elemente forscher angewandt wurden als zuvor. Letzteres steht dem Sextett im Grunde sehr, nur ist es schade, dass als Kontrast keine überzeugenden LoFi-Klänge mehr zu finden sind. Alles in allem wird man zu der Erkenntnis gelangen, dass Alcoholic Faith Missions Nummer Vier als Ganzes betrachtet, viel beiläufiger als seine bisweilen knisternder und mitreißender Vorgänger ist. So liefert “Ask Me This” einige Lieblingslied-Anwärter, Album-Favorit wird es allerdings nicht.

Tabea Köbler

VÖ: 24.02.2012

Label: Pony/Rough Trade

Tracklist:

01. Down From Here
02. Alaska
03. Into Pieces
04. Statement
05. I’m Not Evil
06. Running With Insanity
07. Ask Me This
08. Reconstruct My Love
09. We Need Fear
10. Throw Us To The Wolves