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Die Redaktion kommt nicht von Alcoholic Faith Mission los: Die Exil-Dänen geben dem Wort “Indie” alles Gute zurück, das ihm ursprünglich einmal zustand.
Experimentell und dogmatisch, garstig und goldig – dass solcherlei Gegensätze sich perfekt ergänzen können, verdeutlicht Alcoholic Faith Mission. Die Idee, Gesetze aufzustellen, kam Sune Sølund und Thorben Seierø Jensen während ihrer ersten Versuche im Jahr 2006. Für ihr Debüt “Misery Loves Company” galt: Alkoholische Elixire als zentrale Zutat, Aufnahmen nur bei Nacht und Kerzenlicht. Außerdem, wenn etwas einmal aufgenommen ist, darf es nicht mehr verändert werden – ein Prinzip, das sie bis heute beibehielten. Nach der Vollendung strichen die Schulfreunde in Kopenhagen die Segel, zogen nach Brooklyn und das Duo expandierte zur sechsköpfigen Band. Der Grundsatz für das dort in Angriff genommene Album Nummer zwei, “421 Wythe Avenue”: Alle Klangquellen müssen aus den bandeigenen vier Wänden stammen. Ein so beschränkendes Dogma konnte zu einer Vielzahl von Experimenten verleiten und eröffnete ganz neue Spektren. So wurde ein Lexikon zur Kick-Drum und Gesangsflächen ersetzten Synthesizer.
Die Regeln ihres 2010er “Let This Be The Last Night We Care” haben sie nie verraten. Neu war, dass Kristine Permild als Songwriterin mit ins Boot geholt wurde und eine ungeheure Ehrlichkeit rückte deutlicher in den Fokus. So schaut der Titel “Sobriety Up And Left” aus einem verkaterten Jetzt ausnüchternd darauf zurück, was man in seiner Trunkenheit zerlebt hat. Düstere, kaputte Romantik mit Realität gewürzt, resultiert in energiegeladener Verzweiflung. Es wäre jedoch nicht Alcoholic Faith Mission, wenn diese sich in Selbstmitleid äußerte. Aller Melancholie zum Trotz schaffen sie es stets an den Punkt zu kommen, an dem sie sich über ihr Elend lustig machen können – das transportiert sehr gelungen die Euphorie in ihrer Musik. Und so niedlich sie mit Kristines immer leicht angekratzt gehauchtem Gesang und der vielschichtig verspielten Instrumentierung auch wirken können, in ihren Texten werden sie oft gar ein wenig gemein und durchaus delikat. Zuletzt erschien im Februar die EP “The Running With Insanity”, von der auch das eher zurückgenommene “Legacy” stammt. Im Video kommt ihr Hang zu latent fiesen, kontroversen Themen voll und ganz durch.
Alcoholic Faith Mission – “Legacy”
“Let This Be The Last Night We Care” ist dicht und laut, der bisherige Klimax einer Evolution in der Band. Songs wie “Got Love? Got Shellfish” oder “Put The Virus In You” erfassen von Kopf bis Fuß. Besonders deutlich wird diese geballte Energie, die selbst all ihren noch so spärlichen älteren Balladen innewohnt, vor allem bei den sagenhaften Live-Auftritten, in denen das Publikum zur einen Hälfte wild tanzt, zur anderen ergriffen darsteht. In voller Besetzung sind Alcoholic Faith Mission zu sechst, wachsen live manchmal gar zu einem ganzen Dutzend und begegnen ihrem Publikum unerwartet laut – was ihnen fantastisch steht.
Angenehmer Weise hängt die Gruppe keinem finanziellen Karrierekonzept nach. Sie veröffentlichen auf PonyRec, einem kleinen Kopenhagener Label und stellen viele ihrer Songs auf ihrer Website dauerhaft im Stream bereit.
In einem Interview gaben Alcoholic Faith Mission einmal eine ganze Reihe großer Namen als Einfluss an: Port O’ Brien, Broken Social Scene, Arcade Fire, The Antlers und Efterklang. Derartigen Vorbildern nachzueifern, birgt die große Gefahr für junge Bands, im Schattendasein als Abklatsch zu verhungern. Alcoholic Faith Mission haben es dennoch kühn gewagt und ihr ganz persönliches Fleckchen inmitten dieses Kreises gefunden. Ihre Musik ist eigen und schier magnetisch – einmal angezogen lässt sie kaum mehr los. So sind Alcoholic Faith Mission auf ihre ganz bescheidene, unaufdringliche Weise auf einem sicheren Weg, ihre Botschaft stetig weiter zu verbreiten.
Tabea Köbler
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