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Schwarze Diamanten am Himmel!? Ein amerikanisches Konzerthighlight zwischen Fast Food und Mobiltelefon.
Foto: MRV Photography
Am 5. April 2002 verstirbt eine der größten Stimmen der Rockmusik an einer tödlichen Mischung aus Heroin und Kokain: Layne Staley. Sein tragischer Tod bedeutet zwangsläufig das Ende von Alice in Chains; er hinterlässt eine Lücke die sich niemals schließen lassen wird. Die Seattle Szene scheint endgültig am Ende. Doch einige Jahre später führt eine Wohltätigkeitsveranstaltung die Überreste der Band zurück auf die Bühne und aus dem einmaligen Event entspringt bald darauf die langsame Wiedergeburt einer Legende. Es geschieht, was niemand für möglich gehalten hat bzw. im Vorfeld zum Scheitern verurteilt schien: Der zuvor nahezu unbekannte William DuVall tritt in die Fußstapfen Staleys und die Band beginnt mit den Arbeiten für ihr erstes Studioalbum seit 14 Jahren.
Doch woran niemand zu Glauben wagte wird 2009 Realität – „Black Gives Way To Blue“ knüpft mit überragendem Songwriting und DuVall als stimmlich ebenso eigenständigen wie würdigen Nachfolger, nahezu nahtlos an die längst vergangene Blütezeit Mitte der Neunziger an. Lediglich vom Rolling Stone verkannt wird die Scheibe berechtigterweise schnell zum Kritikerliebling und bildet den Grundstein für ein Ausnahme-Comeback. Schlagartig erlebt eine Gruppe ihren zweiten Frühling, die längst für Tod erklärt worden war und ist nun zurück auf den Bühnen der Welt. Im Schlepptau, zwei weitere Acts, die uns 2009 ebenfalls verdammt starke Albumveröffentlichungen bescherten: Mastodon legten mit „Crack The Skye“ ein Meisterwerk für progressiven Metal vor und auch die Deftones melden sich nach dem Schicksalsschlag um Bassist Chi Cheng, der seit einem Autounfall in 2008 noch immer im Koma liegt, mit „Diamond Eyes“ ebenso stark, wie gereift zurück.
Foto: MRV Photography
2009 wird musikalisch von Susan Boyle, Lady Gaga und posthum Michael Jackson dominiert und reflektiert mit kommerziellen Albumerfolgen wie Taylor Swifts „Fearless“ eine leere und oberflächliche Musikindustrie, in der Auto-Tune und Schnelllebigkeit erneut einen traurigen Höhepunkt erreicht haben. Doch in Sachen Rockmusik gibt es einen wahren Lichtblick: Das Triumvirat um die wahrscheinlich stärksten Alben des vergangenen Jahres stand nun noch einige Male unter dem Banner „Black Diamond Skye“ – einer Wortneuschöpfung aus den Albumtiteln- auf den Bühnen Amerikas. motor.de war für euch in Los Angeles bei einer der letzten Shows vor Ort. Das Konzert fand im Gibson Theatre am Universal City Walk in Hollywood statt, ist ein gutes Beispiel für die Unterschiede zur europäischen Auffassung von Livemusik und offenbart in diesem Fall leider eine recht passive Konsumhaltung.
Konzerte in amerikanischen Amphitheatern haben grundsätzlich etwas Befremdliches, denn sie sind nicht nur überwiegend bestuhlt, sondern zudem in Bezug auf die Euphorie des Publikums äußerst zurückhaltend. Leider werden vor allem Mastodon Opfer dieser „kulturellen Differenz“, denn das Gibson Theatre ist nicht mal annähernd gefüllt und das Publikum trottet gerade erst so langsam ein, als das Quartett aus Atlanta sein hervorragendes Set präsentiert. Die Atmosphäre und der Aufbau der Halle gleichen einem Kinosaal während der Werbeperiode vor Beginn des eigentlichen Filmes. Wenige Sitze sind besetzt, der Großteil der Zuschauer hockt gelangweilt vor Fast Food oder Popcorn oder stattet den Getränkehalter mit einem übergroßen Becher Zuckerwasser aus. Was überzogen nach Klischee klingt, ist zumindest zu Beginn des Abends traurige Realität. Eine Tüte Popcorn kostet an diesem Abend übrigens 8 Dollar, während ein kühles Bier für 14 Dollar zu haben ist. Der Alkoholkonsum hingegen liegt weit hinter dem „deutschen Standart“; man greift allem Anschein nach lieber zum fünften Hot Dog. Auch dieser stereotype Zuspruch erstaunt, denn gerade in Kalifornien boomt die alternative Kost vom Bio-Supermarkt bis Vegan Restaurant.
Der durch das Line Up bedingte, bunte Mix an Genres scheint das Publikum regelrecht in verschiedene Lager zu spalten, denn der Großteil scheint entweder für Alice In Chains oder die Deftones hier zu sein. Als Letztere die Bühne betreten, ist das Gibson Theatre plötzlich gut gefüllt und die Stimmung erheblich gestiegen.
Foto: MRV Photography
Nach dem überaus gelungenen Auftritt, der bizarrer Weise von einer Vielzahl an Zuschauern komplett durch das Display der Handykamera beobachtet wird, verlässt ein nicht unerheblicher Teil des Publikums den Saal und wird nicht wiederkommen. Stattdessen trudeln einige AIC-Anhänger erst jetzt ein, um ihre Plätze einzunehmen und endlich nahezu alle Sitze zu füllen.
Foto: MRV Photography
Abseits des Frevels aus demonstrativem Desinteresse auch nur auf eine der Gruppen dieses hochkarätigen Trios zu verzichten, muss man sich vor Augen halten, dass man hier angefangen beim Ticketpreis, über etliche Gebühren und horrende Parkplatzpreise, bishin zu Merch und Verköstigung summa summarum im Schnitt zwischen 100 und 200 Dollar an Kosten aufzubringen hat. Die Verschwendungssucht und Einwegmentalität macht auch vor Konzerten keinen halt und wird sicherlich bald in einen praktischen Drive In gipfeln.
Doch genug der zynisch-pessimistischen Kommentare – Los Angeles ist nun mal nicht umsonst bekannt für seine klaffenden Kontraste bzw. ebensoviel Licht wie Schatten. Das Stichwort Licht leitet nun auch (endlich) zu den positiven Aspekten des Abends über, denn die etlichen Leuchtreklamen entlang des ‚Century City Walks’ bilden eine ebenso künstliche wie atemberaubende Atmosphäre, die nicht nur aufgrund der direkt anschließenden Universal Studios einer Filmkulisse gleicht.
Foto: MRV Photography
In den Wänden des Amphitheaters angekommen, wird in Punkto Licht die absolute Superlative geboten: Alle drei Bands verfügten über ein völlig unterschiedliches Stageset und Lichtkonzept, die allesamt als überaus beeindruckend zu bezeichnen sind. Auch typisch für die USA, ist das Einbinden von Videoelementen in die Liveshow, wovon im Falle von Mastodon und Alice In Chains auch mächtig Gebrauch gemacht wurde. Doch nicht nur visuell, sondern auch akustisch muss man von absoluter Perfektion sprechen. Musikalisch, druckvoll und transparent tönt der ausgewogene Mix aus den Lautsprechern und stellt in Sachen Livesound mit Sicherheit eine herausragende Ausnahmeerscheinung dar.
Foto: MRV Photography
Beste Vorraussetzungen für ein großartiges Konzert, welches von allen drei Bands auch zweifelsohne geboten wurde. Mastodon greifen überwiegend auf das Songreportaire von „Crack The Skye“ zurück, während zwei gigantische Monitore über der Bühne zum Artwork passendes Bildmaterial abspielen. Energetisch, dynamisch, melodisch, aggressiv oder episch. Die Band verschmilzt höchst unterschiedlichste Fragmente zu einem unverwechselbaren Klanggerüst und wirkt trotz anspruchvoll-komplexer Arrangements zu keiner Zeit kopflastig.
Die Truppe gehört musikalisch sicherlich in den Olymp der gegenwärtigen Metal-Szene und bekommt nun endlich -zumindest teilweise- die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Die Deftones hingegen dürften mittlerweile klanglich schon fast unter die Rubrik „Retro“ fallen. Trotz einer sehr reifen und vergleichsweise ruhigen Veröffentlichung, setzt man bedingungslos auf den Sound der Neunziger und das altbewährte Hitmaterial von „Change“ bis „Around The Fur“. In der Vergangenheit waren Liveauftritte nicht unbedingt die Stärke der Band, oder qualitativ zumindest durch bewusstseinserweiternde Substanzen ziemlich eingeschränkt. Doch nicht an diesem Abend. Die heftigen Nummern kommen tight und energiegeladen, während sphärische Klänge ala „Passenger“ mit schwebenden Hallfahnen und viel Emotion überzeugen.
Foto: MRV Photography
Umbaupause. Ein gigantischer Vorhang umhüllt die Bühne. Das Symbol der Tour, ein aus drei Dreiecken bestehendes Dreieck leitet die psychedelische Lichtshow zu Beginn des Konzertes ein (Kurioserweise handelt es sich dabei um ein ‚heiliges Relikt’, welches sich „Triforce“ schimpft und dem Videospielklassiker „Legend of Zelda“ entstammt). Ein pulsierender Herzschlag ertönt und das dem Albumcover entnommene Herz schlägt per Projektion auf dem geschlossenen Vorhang. Letzterer fällt schlagartig zum Opener „Them Bones“ und offenbart das höchst aufwendige Bühnenbild, welches neben einer übergroßen Lichtkonstruktion in „Triforce-Anordnung“, Bildschirmen und einer monströsen Stahlkonstruktion hinter dem Drumriser für Erstaunen sorgt, die schlichtweg als eine Art Brücke oder erhöhter Musiker-Laufsteg dient. Dick aufgetragen? Keine Frage, diese Art von Show entspringt ganz dem Geiste von Hollywood.
Alice In Chains – “Intro” + “Them Bones” (live)
Sicherlich entspricht diese Art von Inszenierung nicht unbedingt dem Spirit der Band. Allerdings lässt sich angesichts der Popularität des Quartetts auch (leider) nicht erwarten, sie -bestenfalls unplugged- in einem kleinen, verrauchten Club zu erleben. Doch auch wenn man von intimer Atmosphäre im wahrsten Sinne des Wortes Lichtjahre entfernt ist, muss man sich die Gegebenheiten der Realität vor Augen halten: Los Angeles lebt von Schein und Fassade, während man dem charismatischen Seattle sicherlich weitaus mehr Seele zusprechen kann. Dennoch mangelt es zu keiner Zeit an Intensität und L.A. hat sicherlich seine ganz eigen(sinnig)e Magie, die von ihrer überzogenen Künstlichkeit lebt.
Reduziert man die Aufmerksamkeit der Sinne aufs Wesentliche, bleibt übrig was wirklich zählt: Musik. Jedes Glied der Band funktioniert absolut großartig: Der unwiderstehliche Groove der Rhythmusgruppe bildet die perfekte Basis für DuValls charismatische Stimme und Bühnenpräsenz, der zu jederzeit die Gradwanderung zwischen Eigenständigkeit und Staleys Erbe besteht. Hinzu kommt ein Jerry Chantrell in Perfektion, der besonders während der Gitarrensoli seine Leadgitarre mit einem Ton und Gefühl bearbeitet, dass es einem die Freudentränen in die Augen treibt.
Foto: MRV Photography
Kurzum: Wenn man die Diskrepanz der Band mit den übermächtigen Showelementen akzeptiert und nicht beginnt sich über Kids zu ärgern, die während „Rooster“ Textnachrichten schreiben oder den Saal verlassen, weil die Cola alle ist, bleibt unterm Strich ein fulminanter Auftritt einer legendären Gruppe, auch wenn die Umstände sicherlich als „gewöhnungsbedürftig“ zu bezeichnen sind.
Matthias Ziegenhain
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