(Fotos: Austin Hargrave)
Alter Bridge-Frontmann Myles Kennedy ist Musiker durch und durch. Wo immer der passionierte Starkstrom-Liebhaber seine Zelte aufschlägt – mindestens eine Gitarre muss stets in Reichweite sein. So auch in Berlin, wo sich der Sänger zusammen mit seinem Kollegen Mark Tremonti einige Wochen vor dem Release des neuen Alter Bridge-Alums „Fortress“ den Fragen neugieriger Pressevertreter stellte.
Gitarren nehmen im Leben von Myles Kennedy schon seit jeher einen besonderen Stellenwert ein. Und so muss ich mich in dem kleinen Berliner Hotelzimmer erst einmal nach einem geeigneten Sitzplatz umsehen, da sich auf der eigentlich für das Gespräch vorgesehenen Plausch-Couch drei hochwertige Akustik-Klampfen breitmachen: „Gitarren haben eine magische Anziehungskraft auf mich. Ich bin froh, wenn ich immer mindestens eine dabei habe. Das lässt mich nie vergessen, warum ich gerade bin, wo ich bin“, entschuldigt sich Myles kurz nach der Begrüßung.
Da sitzt er nun, der Mann, der seit fast zehn Jahren die Bühne mit Mark Tremonti teilt – einem Gitarristen, der weltweit von tausenden Sechssaiter-Einsteigern wie ein Heiliger verehrt wird. Wie ist das eigentlich für jemanden, der aus besagtem Instrument ähnlich virtuose Sounds herauskitzeln kann, aber dahingehend eher selten geadelt wird? Myles lehnt sich entspannt zurück: „In erster Linie bin ich ja schließlich der Sänger der Band. Auf der Bühne liegt mein Fokus eindeutig auf dem Gesang. Ich stell mich ja nicht hin und spiele auch noch all die intensiven Soli unserer Songs. Dafür ist Mark zuständig. Ich kann von den Leuten nicht erwarten, etwas zu sehen oder zu würdigen, was letztlich nur angedeutet wird. Das ist überhaupt kein Problem für mich.“
Man nimmt dem Amerikaner die Bescheidenheit sofort ab. Myles Kennedy fühlt sich nicht als Rockstar. Keiner in der Band tue das, so der Mann, dessen Stimmvolumen zu den energiegeladensten des Business zählt: „Wir sind keine Typen, die mit ihren Fähigkeiten angeben wollen. Wir sind einfach nur Musiker. Wir versuchen das bestmögliche zu erreichen. Wir spielen und üben so oft es geht, um uns weiter zu entwickeln, so wie es jeder Mensch in seinem Job auch tut. Wenn dann Leute kommen und sagen, dass irgendwas von dem, was wir tun, sie in irgendeiner Art und Weise berührt, dann ist das großartig. Wenn nicht, dann ist das aber auch völlig ok“, sagt Myles.
Während sich der ruhige Klang seiner Stimme im Hotelzimmer verteilt, nippt der Barde immer wieder tiefenentspannt an seinem Wasserglas. In der Ruhe liegt die Kraft. Es scheint, als könne Herrn Kennedy so schnell nichts aus der Fassung bringen – es sei denn, man präsentiert dem Musiker eine ausverkaufte Großraum-Arena, auf deren Bühne unzählige Kameras einen Abend für die Ewigkeit festhalten wollen. Die Rede ist natürlich vom legendären Wembley-Gig im Jahr 2011. Myles erinnert sich: „12.000 Leute in der Halle, überall Kameras, Pyros: Vieles an diesem Abend war Neuland für uns. Ich weiß noch, wie ich kurz vor der Show am ganzen Körper gezittert habe. Es war eine Mischung aus Angst und Vorfreude.“
Wenn man sich die an jenem Abend entstandenen Bilder anschaut, fällt es einem allerdings schwer zu glauben, dass da ein Sänger auf der Bühne stand, der die Hosen voll hatte. Aber es sei wirklich so gewesen, beteuert Myles. Vor allem die sich auf Kiss-Niveau immer wieder in die Höhe zündelnden Feuersäulen sorgten für kurzweilige Panikattacken beim Frontmann: „Wir hatten vorher genaue Instruktionen erhalten, wann und wo die Säulen hochgehen werden. In dem Moment, als wir die Bühne betraten, hatte ich all das schon wieder vergessen. Man sieht es zum Glück nicht, aber ich bin diverse Male wie ein erschrockenes Reh von der einen Seite der Bühne zur anderen gelaufen, weil ich nicht mehr wusste, wo und wann die Dinger zünden werden. Das war schon ziemlich abgefahren. Ich wollte schließlich um keinen Preis dieselben Erfahrungen machen wie James Hetfield vor 20 Jahren.“
Zum Glück kam es ja nicht dazu. Nach über zwei Stunden Spielzeit lagen sich schließlich alle Verantwortlichen im Backstage-Bereich in den Armen. Auch die Fans wanderten seinerzeit mit Glücksgefühlen gen Heimat – ein Zustand, der dem Alter Bridge-Sänger immer besonders am Herzen liegt: „Für mich stehen die Fans während einer Show immer im Vordergrund. Diese Leute bezahlen viel Geld um ihre Lieblingsband spielen zu sehen. Das lässt bei mir einen gewissen Druck entstehen; denn ich will niemanden enttäuschen. Es gibt für einen Fan doch nichts schlimmeres, als eine Band zu sehen, die nicht auf den Punkt abliefert. Ich bin selber Fan. Wenn ich auf ein Konzert gehe, dann will ich auch mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht nach Hause gehen. Ich weiß also genau, was die Leute vor mir erwarten.“
Kai Butterweck
No Comment