Unsere Gastautorin Maja war dieses Jahr auf dem Southside Festival. Auch wenn das Festival vorzeitig abgesagt wurde, gab es einige Highlights, wie einen 17 Meter großen Platzhirsch von Jägermeister, verkleidete Typen in Haifischkostümen, die Taylor Swift Songs grölen und neben den hochkarätigen Acts auch ein hervorragendes Food Line-Up.

Zerfetzte Pavillons, riesige Matsch-Pfützen, enttäuschte Gesichter. Die Medien erinnern uns mit jedem Bericht wieder und wieder daran, wie unglaublich traurig das frühe Ende des Southside-Märchens war. Dabei hat alles angefangen wie im schönsten Festival-Bilderbuch: Tausende junge Menschen in Boho-Outfits, bauchfrei oder mit Fransen an den Ärmeln, mit lässigen Sonnenbrillen, Snapbacks, Blumenkränzen oder Bandanas auf dem Kopf, feierlich das schon jetzt lauwarme Dosenbier in der Hand und mit unendlich großer Vorfreude, die in den Augen glitzert.

Voller Kreativität sind Kunstwerke aus Sackkarren, Mülltonnen oder Kinderwägen entstanden, an denen die Bierpaletten und Zelte mit Panzertape befestigt sind. Klar, nur einmal laufen spart ne Menge Zeit, die wir natürlich viel viel lieber damit verbringen, uns mit unseren Zeltnachbarn anzufreunden, die uns gegen ein Bier beim Pavillon-Aufbau helfen. Auf neue Festival-Freundschaften – Cheers!

Es ist so heiß, dass wir uns sogar über die Wasserpistolen-Crew freuen; obwohl sie wild mit Essiggurken-Wasser um sich schießen. Im Nachhinein doch ein bisschen eklig…

Im Bikini genießen wir das lebensfrohe Chaos um uns herum, zaubern uns eine improvisierte Bierpong-Arena, schlemmen die erste delikate Dosenkost und könnten zufriedener nicht sein.

Als die Mittagshitze ein klitzekleines bisschen erträglicher wird, machen wir uns auf den Weg zur Landebahn und sind erst mal überwältigt von diesem gigantischen Food-Line-Up: Döner, Burger, Pizza, Pasta, Handbrot, Asiatisch, Arabisch, Vegane Spezialitäten, Eis, frische Früche. Himmel! Wir schmieden einen nahezu perfekten Essensplan für die nächsten Tage, damit wir so viel wie möglich probieren können und suchen uns schon mal ein Henna-Tattoo raus, das wir uns morgen aufpinseln lassen.

Aber jetzt wollen wir erst mal Party. Und die kriegen wir: In der White Stage tanzen wir zu Maeckes, die Red Bull-Stage bietet uns einen DJ-Mix aus einfach allem: Von HipHop über Pop bis hin zu Techno; sogar 90’s waren am Start! Das absolute Highlight ist ein überdimensionaler Hirsch aus Holz, den Jägermeister mit Acts wie Weekend, Konvoy, Schmutzki und I am Jerry füllen will. Zusätzlich gibt es Jägermeister Drinks, die sich sehen lassen können, was die Stimmung im Bauch dieses riesigen Kunstwerks, das ein bisschen an das Trojanische Pferd erinnert, natürlich doppelt anheizen wird. Unsere Partylaune? Perfekt.

In den Schlafsack eingemummelt, wiegt uns der heftige Bass irgendwann weniger sanft aber dennoch liebevoll in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

Auch der nächste Tag könnte nicht schöner beginnen: zum deluxen Discounter-Milchbrötchen mit Nutella wird zischend das erste Bier geöffnet, das in der Nacht überraschend angenehm abgekühlt ist.

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Wir bekommen Besuch von Taylor Swift-grölenden Jungs in Haifischkostümen, (beeindruckend, wie sie tatsächlich jeden Songtext vom ersten bis zum letzten Akkord einwandfrei mitsingen konnten!!) und trinken uns beim Kartenspielen ein Dauergrinsen an.

Endlich geht’s dann auch los mit den Konzerten. Wir beginnen mit der Blue-Stage: Jamie Lawson. Der typische Singer-Songwriter Prototyp in kariertem Holzfällerhemd und mit schiefem Grinsen, der mit sanfter Stimme vom Verliebtsein singt und sein Publikum verträumt die Arme in der Luft von rechts nach links schwingen lässt. Sein Hit „Wasn’t expecting that“ macht’s uns ganz warm ums Herz. Nagut, es ist überall warm. Die Sonne knallt – der Planet brennt.

Nach einer kleinen Stärkung mit asiatischen Burgern freuen wir uns auf Tom Odell. Die Sonne

knallt immernoch, als er die ersten falschen Akkorde auf dem Flügel spielt. Sympathisch! „Nice to be in Europe!“, begrüßt er uns dann und bringt damit zum Ausdruck, was er selbst vom Brexit hält. Tom Odell singt voller Leidenschaft und interpretiert seine Songs auf der Bühne nochmal ganz anders als wir sie von der Platte kennen. Irgendwann fängt es dann an. Der Himmel wirft uns große, dicke, glitzernde Tropfen zu, die wir dankbar, lachend und mit gestreckten Armen auf unser Gesicht prasseln lassen. Glücksmoment pur. Der kühle Regen, die wärmenden Sonnenstrahlen, die tolle Musik, die glücklichen Menschen, der bunte Regenbogen zwischen Riesenrad und überdimensionalem Jägermeister Platzhirsch. Es ist vermutlich einer der schönsten Momente meines Lebens, als Tom Odell „Another Love“ anspielt. Ich bin mir nicht sicher, ob es der Regen oder Freudentränen sind, die in diesem Moment meine Wange herunterrinnen.

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Die Pfützen werden immer größer, der nasse Stoff klebt an der Haut, so durchnässt sind wir. Tom Odell stellt sich zu seinen Fans, zu uns in den Regen. Er bedankt sich, dass wir hier sind und uns nicht vertreiben lassen von diesem Wetter. Pah, niemals! Mit einem weißen Handtuch wischt er die Klaviertastatur trocken und singt weiter und weiter.

Die Glücklichen, die einen Platz im Platzhirsch ergattern konnten, verteilen Jägermeister an die frierende Menge – von dort aus hat man eine super Sicht auf die Stages und die Stimmung ist mindestens so gut wie hier unten. Ich freue mich schon auf den Gig von Weekend, der im Anschluss an das Konzert dort oben stattfinden soll – die Eröffnung von der Jägermeister Blaskapelle auf der Veranda war auf jeden Fall schon super lustig und außerdem ist es da oben trocken…

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Leider kommt das Wetter Weekend zuvor: Eine Security-Durchsage schließt sich unserem tobenden Applaus an. Wir sollen das Gelände verlassen, wir sollen sofort in unsere Autos gehen, ein schlimmes Unwetter ist im Anmarsch. Alles Folgende ist längst bekannt: von 21:00 – 5:00 sitzen wir in den Autos. Es donnert, es hagelt, der Wind peitscht gegen die Scheiben, 200 Meter weiter schlägt ein Blitz in einen Obstbaum ein. Vereinzelt rennen Leute auf dem Parkplatz herum. Wir wollen helfen, wollen sie aufnehmen, aber sind schon zu sechst im Auto. Wir haben weder Platz, noch Sauerstoff, noch Wasser.

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Gegen halb sechs dann die Nachricht von CampFM: Southside ist beendet.

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Ja, es ist schrecklich traurig, dass wir Trailerpark und Rammstein nicht sehen konnten. Ja, es tut weh, dieses verwüstete Gelände zu sehen, mit all den kaputten Zelten, Pavillons und Campingstühlen. Ja, ich trauere um mein Handy und meine Digicam, die durch den Wasserschaden den Geist aufgegeben haben. Und ja, es wäre zu schön gewesen, noch drei weitere Tage in diesem unbeschwerten, wundervollen Southside-Leben zu verweilen. Aber lasst uns doch einfach dankbar sein, für das, was wir mitnehmen durften: ein riesiges Abenteuer und die unendliche Vorfreude auf Southside 2017!