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Categories: Konzertbericht

“Wie? Die Box ist im Arsch? Achso, runtergefallen!”

„Größenwahn, was hast du uns angetan?“ fragt Andreas Dorau an diesem Samstag Abend singend, während er wie ein Florian Silbereisen über die Bühne tanzt und ein Großteil des Publikums sich nicht ganz entscheiden kann: Fremdscham oder Mitgehen?

Im Drillingslook bespielt das Trio inmitten einer Kulisse aus schwarz-weißen Pappaufstellern die Bühne des HAU2- und bewegt sich dabei konsequent an der Grenze zum Schlagerprogramm im öffentlich-rechtlichen Wochenend-Frnsehen. NDW ist Geschichte – das ist klar, aber zeitweise ist man sich während der Show nicht ganz sicher, wo dieses Konzert gerade stattffindet. Befinden wir uns wirklich in einem Theater in der Hauptstadt der Bundesrepublik oder hat es vielleicht – gänzlich unbemerkt- so etwas wie eine Zeitreise gegeben hinein in irgendein westfälisches Kaff am Ende des 19. Jahrhunderts?

Beim Blick auf die Bühne und in die drei Reihen davor wirkt es zumindest so. Männer um die 30 tanzen da, sie hüpfen und singen Texte mit. ‘Hits! Hits! Hits!’ heißt es fast zwei Stunden lang. Noch wichtiger ist allerdings: ‘Witz! Witz! Witz!’ Andreas Dorau hat sie drauf, die Entertainer-Rolle, mit Humor veralbert er die ganze Welt und ist dabei doch irgendwie ernst(zu nehmen). Vielleicht ist es gerade die Spaßvogel-Rolle, die hier gar nicht blöd, sondern subversiv wirkt und teilweise -bei aller Albernheit- sogar einschüchternd ist.

Dabei fühlt das Trio sich sichtlich wohl auf dieser Bühne. Das Publikum übersieht das nicht, macht mit, und auch der allerletzte Eckensteher wippt zumindest ein wenig mit den Füßen. Am meisten Spaß hat aber die Band selbst. So fordert Dorau immer wieder ‘Strobo!’, ‘Mehr Strobo!’ ‘Ich brauch Strobo!’ Und den bekommt er auch – nur will die Technik bei der hyperaktiven Dorau-Action auf der Bühne nicht ganz mitspielen. Und so fiept, flirrt und knackt es ständig irgendwo. Dorau bleibt entspannt: ‘Fick dich, Box!’ heißt es da nur. Er fordert mehr ‘Punk-Geräte’ und wirkt bei allem, was er da tut subversiv, entspannt, genial. Ist das jetzt ein Festzelt, ist das jetzt Kunst, albern oder ist das  cool? Ist doch scheißegal.

Lydia Meyer

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