Anna Calvi ist eine große Gitarristin und hat eine große Stimme. Im Januar nächsten Jahres kommt ihr Debütalbum heraus. motor.de traf die außergewöhnliche Musiker jetzt schonmal zum Interview.

Manche Musiker verändern sich, sobald sie die Bühne betreten: Im grellen Licht der Scheinwerfer, hinter ihren Instrumenten und mit der Band um sie herum. Anna Calvi ist solch eine Musikerin. Die Londonerin hat gerade erst bei Domino Records (Arctic Monkeys, The Kills) unterschrieben und bringt dieser Tage ihre erste Single „Jezebel“ heraus. Der Song wurde 1951 vom amerikanischen Komponisten und Produzenten Wayne Shanklin geschrieben. Calvi coverte die Version der französischen Chansonsängerin Edith Piaf. Wer jetzt an nett gehauchte Lieder denkt, liegt falsch. Anna Calvis Musik ist ein Auf und Ab an Sounds, bei denen im Vordergrund immer ihre starke Telecaster und voluminöse Stimme stehen. Dunkler, atmosphärischer Pop mit einem gewissen Sinn an Morbidität und immer wieder Calvis besondere Stimme beherrschen ihre Songs. Momentan tourt sie mit ihrer Band als Support für Nick Cave‘s Grinderman. motor.de traf vor ihrem Konzert in Leipzig fernab von Scheinwerfern eine ruhige, junge Frau und sprach mit ihr über Gitarren, die Dunkelheit und das Starksein.

motor.de: Deine erste Single „Jezebel“ ist ein Cover eines Wayne Shanklin-Songs. Warum hast du für deine allererste Veröffentlichung gerade einen Titel ausgewählt, den du nicht selbst geschrieben hast?

Anna Calvi: Ich habe zuerst die Edith Piaf-Version des Songs gehört und sie hat mich sehr beeinflusst, weil es ein großartiger Song ist. Die Art wie sie ihn singt, beinhaltet so viel Mut, Stärke und Leidenschaft. Ich wollte den Song sowieso aufnehmen. Als es dann zu dem Punkt kam, an dem ich entscheiden sollte, was die erste Single wird, wollte ich, dass das Album allein als ein Ganzes dasteht. Es ist wie eine Reise, sehr filmisch und daher wollte ich nicht, dass man etwas herausnimmt oder etwas hört, bevor man das Album als Ganzes gehört hat.

Anna Calvi – “Jezebel”
(live)

motor.de: Habt ihr die Aufnahmen zum Album schon abgeschlossen?

Anna Calvi: Also tatsächlich haben wir das Album an einem Tag aufgenommen. Rob Ellis (Produzent von u.a. PJ Harvey und Placebo, Anm. d. Red.) war unser Produzent. An dem Tag ging es eigentlich nur darum sich gegenseitig kennenzulernen. Und am Ende klang alles so gut, dass wir die Aufnahmen gleich benutzen konnten.

motor.de: Du hast zuerst nur Gitarre gespielt und dich irgendwann dazu entschieden auch zu singen. Welche besondere Beziehung hast du zu deiner Gitarre?

Anna Calvi: (lacht) Ich liebe meine Gitarre. Ich fühle mich ihr sehr verbunden. Das ist einfach so ein großer Teil meines Lebens und das ist es schon seit Jahren. Und es fühlt sich wirklich so an als sei die Gitarre ein Teil von mir.

Anna Calvi – “Blackout” (demo)


motor.de: Siehst du dich selbst eher als Sängerin oder Gitarristin?

Anna Calvi: (überlegt lange) Ich denke beides. Aber die beiden Dinge fühlen sich irgendwie gleich an. Ich versuche die Gitarre wie eine Stimme klingen zu lassen. Weißt du, in einer Band ist eine Hälfte von dir bei der Gitarre und die andere Hälfte beim Gesang und irgendwie bekommst du es hin, dass du eine Verbindung aus beidem herstellst. Weil ich so lange nur Gitarristin war, hatte ich ein „Gitarren-Gehirn“ und musste mich dann ändern, um mich als Sängerin zu sehen. Es hat lange gedauert, aber jetzt fühle ich mich wie eine Sängerin und eine Gitarristin.

motor.de: Die Art wie du Gitarre spielst, ist sehr besonders. Was beeinflusst dich beim Spielen, gibt es da vielleicht irgendwelche Vorbilder?

Anna Calvi: Bei Gitarristen wären das Jimi Hendrix und Django Reinhardt. Im Hinblick auf Dinge, die mein Spielen inspirieren, versuche ich meine Gitarre wie andere Instrumente klingen zu lassen, zum Beispiel wie Streicher oder ein Klavier. Ich versuche immer so viel wie möglich aus dem Instrument herauszuholen. Aber dabei konstruiere ich alles selbst und nutze eher meine Hände, anstatt Pedale. Ich mag aber auch Komponisten wie Messian, Ravel und Debussy sehr. Ihre Arbeit hat etwas Romantisches, zur gleichen Zeit ist sie auch sehr herausfordernd und führt dich immer wieder auf Irrwege. Das hat mein Spielen und Songwriting definitiv sehr beeinflusst.

motor.de: Du bist nicht allein auf der Bühne. Wie hast du deine Bandmitglieder Daniel Maiden-Wood und Mally Harpaz kennengelernt?

Anna Calvi: Mally habe ich bei einem Gig getroffen, bei dem sie Schlagzeug in einer Band spielte und ich Bass. Wir kamen ins Gespräch und jetzt sind wir richtig gute Freunde. Es ist sehr schön mit jemandem so gut befreundet zu sein, mit dem du auf Tour bist. Und Dan habe ich durch einen Freund kennengelernt. Wir haben zusammen gespielt und sobald ich ihn spielen hörte, wusste ich, dass ich ihn unbedingt in meiner Band haben muss. (lacht) Und glücklicherweise sagte er Ja.

motor.de: Leider kann man sich ja von dir noch nicht so viel eigene Musik anhören. Worum geht es in deinen Songs?

Anna Calvi: Sie handeln von Leidenschaft und Romantik. Das Album beinhaltet eine Art Einsamkeit und Dunkelheit. Naja, es geht irgendwie darum, wie man das Leben übersteht (lacht). Und ähm (überlegt lange) keine Ahnung, du musst es dir anhören!

motor.de: Deine Songs und auch das Artwork deiner MySpace-Seite sind sehr düster. Woher kommt dieser Hang zur Dunkelheit?

Anna Calvi: Ich weiß nicht, ich denke es ist nicht dunkel, sondern eher eine Darstellung von mir und meiner Kunst. Und diese Dunkelheit ist nur die Art, wie es dann herauskommt. Als ich begann aufzunehmen, hatte ich noch kein Label und musste eigentlich alles allein machen. Wir haben in einem Kellerstudio stundenlang aufgenommen. Ich glaube das hat die Musik nicht dunkel gemacht, aber ich war absolut in meiner eigenen Welt und das hört man.

motor.de: Auf der Bühne wirkst du sehr stark und kraftvoll. Bist du so auch ab von der Bühne?

Anna Calvi: Wenn ich auf der Bühne stehe und meine Gitarre um habe, fühle ich mich wirklich stark. Das erlaubt dir, auszudrücken, was du gern ausdrücken würdest. Ich bin definitiv nicht die Art von Künstlerin, die immer so (nimmt die Hände schüttelnd neben den Kopf und verstellt ihre Stimme) ‘wääwää’ ist. Im Allgemeinen spreche ich nur, wenn ich etwas zu sagen habe, das es meiner Meinung nach Wert ist zu sagen. Und ich hoffe das ist mit meiner Musik auch so. Ich mag es nicht Musik zu hören, die nur um seiner selbst Willen da ist. Ich will wahrhaftig und ehrlich sein. Aber die Musik sollte für sich selbst sprechen, ich will mich nicht verstellen.

Interview: Laureen Kornemann