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Categories: Konzertbericht

Bereit zum Abtauchen: Arcade Fire live in Berlin

Arcade Fire stellen ihr drittes Album „The Suburbs“ in Deutschland vor und nehmen Berlin mit in die Vorstadt.

Dienstag, 31.08.2010: Das Berliner Tempodrom ist ausverkauft. Wenige haben noch Hoffnung und versuchen vor der Halle Tickets für das Arcade Fire-Konzert zu bekommen. Doch wer hier eine Karte hat, hält diese fest an sich. Schon seit Monaten ist die Show ausverkauft und die kommenden in München und Düsseldorf sind erst in drei Monaten. Wo Arcade Fire in anderen Hauptstädten wie London oder Dublin an jeweils zwei Tagen in weit größeren Hallen auftreten, muss sich Berlin mit nur einem Gig zufrieden geben. Dabei stellt sich das 4000 Menschen fassende Tempodrom dennoch als gute Wahl dar – spielen doch erfolgreiche Bands in Berlin viel zu oft in der ungeliebten Arena, die mehr als das Doppelte fasst. Wie auch immer: Im Besitz eines Tickets zu sein – sei es zum Originalpreis oder zum bis zu Dreifachen – ist an diesem Abend also etwas Besonderes. Einer von nur 4000 sein.


Pünktlich um 20 Uhr eröffnet der Kanadier Owen Pallett mit seinen Klangwelten aus Violine, Piano und Gesang den Abend. Rund eine Stunde später betreten neun Musiker die Bühne: „Ready To Start“ – Arcade Fire sind bereit und nehmen das Berliner Publikum mit in ihre „Suburbs“. Die Fans lassen die Großstadt hinter sich und tauchen ab. Denn schon nach dem zweiten Song „Month Of May“ merken alle hier, dass die neuen Songs live noch besser funktionieren als auf dem Album. Von wegen die neuen Lieder kommen nicht an „Funeral“ heran! Meckern will jetzt keiner mehr.

Arcade Fire – Ready To Start

Nach „Keep The Car Running“ und „No Cars Go“ tritt Régine Chassagne ans Mikro. Mit ihrem weißen, Pailletten-besetzen Kleid, dem braunen Lockenkopf und der feenhaften Stimme, mag man fast sagen „niedlich“ – würde das nicht verschleiern welch außergewöhnliche Musikerin dort auf der Bühne steht. Bei jeden Song geht sie an ein anderes Instrument, spielt mal Klavier, mal Schlagzeug, mal Akkordeon oder übernimmt die Lead-Stimme. Beim Song „Haiti“ über Chassagnes Familie, die unter der Diktatur auf der gleichnamigen Insel litt, singt sie sich regelrecht in Rage.

Die große Leinwand über den Köpfen der Band zeigt Fahrten auf Landstraßen, Kinder die an der Autobahn spielen und immer wieder wird die Band live in die Bilder hineingeschnitten. Nach weiteren Songs vom neuen Album erscheinen dort aber riesige Orgelpfeifen: „Intervention“. Das Tempodrom, dessen Architektur an die Kathedrale von Brasilia erinnert, scheint den Ort zu wechseln: Raus aus den Suburbs, rein in die Welt von „Neon Bible“. Régine Chassagne sitzt nun am Piano, ihr Ehemann Win Butler steht am Mikro, ab der zweiten Strophe unterstützen die anderen sieben Bandmitglieder ihn im Gesang. Und schaut man sich im Publikum um, erkennt man sofort, dass mittlerweile alle abgetaucht sind, die Show hat sie gefangen genommen. Sie tanzen im Freudentaumel mit einem wohligen Grinsen im Gesicht oder rufen Win Butler seine Texte entgegen: „Working for the church/ while my family dies!“ Der bedankt sich und steigt nochmal runter zu den Fans nachdem er sich beim zweiten Song schon samt Gitarre in die ersten Reihen fallen ließ.

Nach den ruhigeren Songs „Crown Of Love“, „Neighbourhood #1 (Tunnels)“ und „We Used To Wait“ gibt es Technikprobleme. Das Publikum muss warten, taucht fast wieder auf. Plötzlich springt Win Butler ans Mikro, zählt den Song ein, die Bühne wird in rotes Licht getaucht, gleichzeitig flackert das Strobo los und die Band knallt dem Publikum „Neighbourhood #3 (Power)“ entgegen, das treibende Herzstück der ersten Platte „Funeral“. Nach dem hymnenhaften „Rebellion (Lies)“ geht die Band von der Bühne. Bei Arcade Fire aber wird nicht „Zugabe“ gerufen. Die Fans singen die Melodie solange weiter, bis die neun Musiker wieder auf die Bühne treten.


Heiße Diskussionen laufen an, welche Songs jetzt noch fehlen. Régine Chassagne geht wieder ans Mikro und singt „Sprawl II (Mountains Beyond Mountains)“. Beim letzten Song „Wake Up“ wird das Publikum wiederum zum Chor, auf der Leinwand überlappen sich nun Bilder von Zuschauern und Band. Nach 90 großartigen Minuten ist alles vorbei. Das Tempodrom taucht wieder auf, aus den Suburbs hinaus in die kühl herbstliche Großstadt.

Laureen Kornemann


Fotos: Laureen Kornemann

Tourdaten:
28.11. München – Zenith
29.11. Düsseldorf – Philipshalle

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