Die britischen Archive sind rastlos. Dem Schreiben müde werden sie nicht, ein neues Album steht neben weiteren Plänen schon in den Startlöchern. 


Archive-Mitbegründer Danny Griffiths
 
“With Us Until You’re Dead” – eine Ansage, bei der es Archive-Mitbegründer Danny Griffiths nicht schwer fällt, den Hintergrund zu erläutern. Emotionen kochen hoch und flauen ab und sind ein wichtiger Punkt für Archive, um ihre Songs schreiben zu können. Wer sich ihre Platten angehört hat weiß, dass sie vor allem von einer Düsterkeit durchzogen werden, zu der sich besonders auf dem letzten Album noch ein hoher Grad an Intimität gesellt hat. Warum das so ist, wie es mit dem neuen Kollektiv-Mitglied Holly Martin läuft und warum es an der Zeit ist, einen eigenen Film zu machen, erzählte uns Griffiths vor dem Konzert im Leipziger Werk 2. 
 
motor.de: Zuerst möchte ich über das wechselnde Line-Up von Archive sprechen. Ihr habt als Band begonnen und habt euch dann in ein Kollektiv weiterentwickelt. Wie war es am Anfang, keine feste Struktur mehr zu haben und hat sich jemand benachteiligt gefühlt?

Danny: Als wir unser erstes Album “Londinium” aufgenommen haben, war eigentlich die ursprüngliche Idee, ein Kollektiv zu sein. Irgendwie hat es sich dann aber trotzdem in Richtung Band entwickelt, was so eigentlich gar nicht unser Plan war. Unser Plan war eigentlich, Musik zu schreiben und dabei immer wieder verschiedene Leute an Bord zu holen. In einer Band fokussiert man sich immer nur auf diese eine Person, die schreibt und vielleicht auch für die Texte verantwortlich ist. So wachsen Egos und das wollten wir vermeiden und alle Personen auf der gleichen Augenhöhe behandeln. Außerdem gefiel uns die Möglichkeit, dass jeder kommenund gehen konnte, wann er oder sie will. 
 
motor.de: Also ist es euch wichtig, dass niemand zu sehr im Vordergrund steht. 

Danny: Genau. Unsere Priorität ist es, dass es genug von jedem gibt: Genug Holly, genug Dave, genug Pollard und so weiter. Das ist demokratisch und das ist, wie wir funktionieren. Zudem kann jeder die Freiheit genießen zu sein, was er oder sie will. Zum Beispiel auch dann, wenn es um Nebenprojekte geht. 
 
motor.de: Ihr habt Holly in London kennengelernt und nun ist sie Mitglied von Archive. Inwiefern hat sie euch verändert?

Danny: Jedes neue Mitglied bringt neue Energie zu uns. Neue Mitglieder bringen immer einen frischen Wind in die Band und sorgen dafür, dass wir uns weiter entwickeln und nicht auf alten Ideen herum reiten. Wir wollten schon immer zwei weibliche und zwei männliche Stimmen haben, aber es ist nicht leicht, eine zu finden, die uns gefällt. Mit Holly hatten wir Glück, sie hat eine sehr schöne Stimme. Wir haben sie über Freunde kennengelernt und sie war bereit, etwas Neues zu beginnen. 
 
motor.de: Ist Maria jetzt erleichtert, eine weitere Frau mit auf Tour zu haben?

Danny: Maria ist für uns eine Art Mutter, sie ist ein sehr wichtiger Teil in Archive. Maria hat es gut aufgefasst, dass wir eine andere Frau mit auf Tour nehmen. Holly und Maria unterscheiden sich sehr – während Maria eher die Erwachsene der beiden ist, steckt in Holly noch ein Kind. Am Anfang dachten wir, dass es schwierig werden könnte, da es zwei sehr verschiedene Charaktere sind. Aber sie kommen gut zurecht. 
 
motor.de: Euer aktuelles Album “With Us Until You’re Dead” ist sehr am Thema Liebe orientiert. Wie schafft ihr es, bei einer so großen Gruppe auf einen gemeinsamen thematischen Nenner zu kommen? 

Danny: Das ist eigentlich nicht besonders schwer. Speziell beim Thema Liebe hat jeder seine Erfahrungen gemacht und es ist etwas, zu dem jeder seine Meinung äußern kann. Mit “With Us Until You’re Dead” wollten wir ein eher persönliches Album veröffentlichen. 
Archive – Stick Me In My Heart


motor.de: War es denn wirklich geplant, dass dieses Album viel persönlicher wird als die vorher gegangenen? 

Dannny: Auf dem Album ist es so, dass jeder Text jeden anspricht. Alles, was geschrieben wurde, ist wahr und damit auch ganz anders zu durchdringen, als es vorher der Fall war. Vielleicht ist es damit zugänglicher und wirkt persönlicher. 
 
motor.de: Ich gehe aber davon aus, dass vorher auch vieles der Texte wahr war.

Danny: Das ja. Aber man schreibt eben auch über Dinge, die einem so über den Weg laufen. Situationen, die man beobachtet, vorbei gehende Menschen oder vielleicht auch einfach eine Werbung, die man sieht. Aber darüber denkt man nicht so intensiv nach, wie wenn es um das eigene Leben oder das eigens Erlebte geht. 
 
motor.de: Der letzte Song auf eurem Album klingt als einziger weniger düster und wütend wie die anderen auf “With Us Until You’re Dead”. Ist “Rise” ein eher versöhnlicher Song?

Danny: Ich denke schon. Allerdings sprechen wir untereinander niemals über die Lyrics, es sei denn, wir schreiben sie gemeinsam und diskutieren sie dann aus. Vielleicht geht es darum, dass man verletzt wurde, aber nach einer gewissen Zeit wieder lieben kann. 
 
motor.de: Wenn jemand von euch einen sehr traurigen Text schreibt, fragt ihr dann nie nach dem Befinden der Person? Nicht zwingend, um über den Text zu sprechen, sondern weil es euch als Freunde interessiert? 

Danny: Ja, es ist schon ziemlich komisch, aber das machen wir wirklich nicht. Es ist eigenartig. Vielleicht liegt es daran, dass jeder die Lyrics anders interpretiert und man sie dann gar nicht so wahrnimmt, wie sie beim Schreiben gemeint waren. Jetzt wo ich darüber nachdenke, klingt das wirklich etwas skurril, dass wir nicht miteinander darüber sprechen. Aber irgendwie ist es wahrscheinlich auch okay, da jeder seine Gefühle mit dem Schreiben los wird. 
 
motor.de: Fällt es schwerer, über fröhliche Kontexte zu schreiben als über Trauriges oder Wut?

Danny: Ich persönlich finde es viel leichter, über Dinge zu schreiben, die mich verletzen oder wütend machen. Es muss nicht unbedingt etwas negatives sein, aber schon etwas, dass düsterer angehaucht ist. Ich kann keine fröhlichen Songs schreiben, ich würde wahrscheinlich über mich selbst lachen müssen. Wir alle tragen etwas düsteres in uns und es fällt leichter, über jene Dinge zu schreiben, die einen beschäftigen. Und meistens sind das eben düstere Momente. 
 
motor.de: Der Albumtitel “With Us Until You’re Dead” ist an die Textzeile “Conflict Is A Part Of Us With Us Until We’re Dead” aus “Conflict” angelehnt. Was ist mit uns, bis wir sterben? 

Danny:  Als wir über einen Albumtitel nachdachten, sprachen wir über Emotionen und was einen im Leben bewegt. Und da kamen wir darauf, dass diese Emotionen nie mehr verschwinden werden. Wir sehen Leben als ein ganzes, und Emotionen in einem gewissen Kontext werden mal schwächer und mal stärker. Aber weichen werden sie nicht. 
 
motor.de: Um mal ein anderes Thema anzusprechen: Ihr habt mal einen Soundtrack zu dem Film Michel Vaillant geschrieben, aber mochtet den Film nicht besonders. 

Danny: Er war nicht besonders gut. Der Soundtrack war gut, wir lieben ihn und sind sehr stolz darauf. 
 
motor.de: Für welche Art Film würdet ihr denn gern einen Soundtrack schreiben?

Danny: Wie heißt der britische Regisseur, den ich so gut finde? Er hat “Dead Man’s Shoes” gemacht… Shane Meadows. Für einen seiner Filme würde ich gern einen Soundtrack schreiben, die sind immer von Düsterkeit durchwoben. Oder David Lynch, der ebenfalls gute Filme macht. Einfach ein Film, der gute Qualität hat, wobei das natürlich immer Geschmackssache ist. Das war auch das Problem bei Michel Vallaint: Der Film war einfach verwirrend. Trotz der einfachen Thematik wurde der Film ziemlich vermasselt. Außerdem war unsere Musik zu leise. Aber wir würden gern den Soundtrack zu einem weiteren Film schreiben, aber uns dieses Mal mehr Zeit lassen und uns vielleicht auch vorher den Film ansehen. 
 
motor.de: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, einen eigenen Film auf die Beine zu stellen?

Danny: Ja, haben wir. Wir haben darüber nachgedacht, einen Film zu einem Album zu veröffentlichen. Ich denke, es ist an der Zeit dazu, nur hängt das im Moment noch von den Finanzen ab. Das wäre jedoch ein interessantes Projekt. 
 
motor.de: Als abschließende Frage: Sicher habt ihr schon ein neues Album in der Hinterhand?

Danny: Richtig. Wir haben einfach viele Ideen und wenn wir nicht gerade touren, dann schreiben wir. Wobei wir auch auf Tour schreiben. Eigentlich hören wir nie damit auf. Dadurch, dass wir so viele sind, kommt auch viel zustande. Wir hoffen einfach, dass wir veröffentlichen können, wenn wir wollen und nicht zu lang warten müssen. Die einzigen, die diesbezüglich vielleicht eine Pause brauchen, sind unsere Fans…

Interview und Foto: Elisabeth Eberhardt