Die Zeiten ändern sich. Die Brit-Rocker von Ash haben ihr Treiben ins Internet verlegt, musikalisch orientiert sich Sänger Tim Wheeler weiterhin gern an der Vergangenheit.

Ash-Frontmann Tim Wheeler (Mitte) sitzt gut gelaunt in einem kleinen Kreuzberger Büro. Es ist nur einer dieser lästigen Promotage, könnte man meinen – ein Interview nach dem anderen, immer die gleichen Fragen. Aber Tim findet es nach all den Jahren als weit gereister Musiker immer noch einfach großartig, mal für einen Tag nach Berlin fliegen zu können. Und ein bisschen klassische Promotion kommt den Iren ohnehin gerade recht.

Nach “Twilight Of The Innocents” hat das Trio beschlossen, keine traditionellen Alben mehr aufzunehmen – seit Oktober letzten Jahres veröffentlichen Ash über ihre Homepage alle zwei Wochen eine Download-Single. Ein mutiges Projekt, dessen Nachteil klar auf der Hand liegt: es gibt kein Label mehr, das finanzielle und werbetechnische Rückenstärkung sichert. “Ich hatte schon gehofft, dass etwas mehr Leute von der Sache Wind bekommen würden”, sagt Tim. “Wir sind ja jetzt unsere eigene Plattenfirma und unser Budget ist sehr begrenzt. Wir überlegten natürlich, wie wir unsere Musik vermarkten könnten, was sich vor allem international als recht schwierig erwies.” Als Appetitanregung haben sie im Mai letzten Jahres den ziemlich Ash-untypischen Song “Return of White Rabbit” zum Gratis-Download angeboten. Mit der Compilation “A-Z Vol. 1” wollen sie nun auch die Hörerschaft erreichen, die vielleicht keine Möglichkeit zum Online-Kauf hatte oder schlicht nicht so viel Zeit im Netz verbringt, um alles Relevante mitzuehmen.

Ash – “Return Of White Rabbit”

Neben den bisher erschienen Download-Singles enthält die CD auch einige Bonussongs, darunter eine Ballade im Stil von Lionel Richie, auf die Tim einfach mal Bock hatte, auch wenn Drummer Rick ziemlich entsetzt war. Doch gerade in der Möglichkeit, Fans zu überraschen und auch mal Songs herauszubringen, die man früher dem Album-Flow zuliebe geopfert hätte, sieht Tim einen größeren Reiz. “In ein Album steckt man so viel Arbeit, aber der Release geht dann ganz schnell. Dieses Prozedere erschien mir in kreativer Hinsicht nicht mehr inspirierend genug.”

Bei den neuen Songs fällt vor allem der offensivere Einsatz von Keyboards auf. “Ich habe schon als Jugendlicher immer die 12”-Singles von New Order gekauft, ich stehe also seit jeher auf solche Musik. Aber erst mit der Zeit habe ich gelernt, besser mit diesen Instrumenten umzugehen”, sagt Tim, der alle Keyboard-Parts selbst einspielt. Auf der Bandhomepage kommuniziert er persönlich mit den Fans und findet es spannend, auf jeden veröffentlichen Song oder Text direkte und oft sehr unterschiedliche Reaktionen zu erhalten. “Es ist schon unglaublich, wie schnell und einfach man Musik über das Internet verbreiten kann. Wir haben von jeder Single auch eine limitierte Vinyl-Ausgabe pressen lassen, was natürlich ungleich kostspieliger und zeitaufwendiger ist als ein Download-Release.”

Dennoch schätzt Tim nach wie vor das aufregende Gefühl, eine frisch gekaufte LP auf den Plattenteller zu legen und zum ersten Mal zu hören. Statt unnötig viel Zeit mit twittern zu verbringen, trifft er sich auch lieber mit Freunden, besitzt zum Beispiel auch nicht einmal einen Facebook-Account. “Das Internet hat Vieles verändert. Man muss lernen, in dieser neuen Realität zu überleben. Aber es macht auch Spaß, sie zu erforschen.”

Marek Weber