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The Asteroids Galaxy Tour im Interview

The Asteroids Galaxy Tour umspannen mit ihrem Namen mehrere Lichtjahre, bestehen aber trotzdem nur aus zwei Menschen. Die tun dafür aber auch eine ganze Menge: Mette Lindberg und Lars Iversen produzieren ihre Songs selbst, besitzen sogar ein eigenes Label für ihre Band. In dieser Woche erscheint ihr neues Album Bring Us Together, und das war lange Zeit alles andere als sicher: Mette und Lars brauchten eine Auszeit. Nicht von ihrer Musik, nicht von ihren Fans, sondern von ihrem jeweiligen Gegenüber. Wenn solche Gerüchte aufkommen, ist die Bandtrennung hinter den Kulissen gerne schon beschlossene Sache, nicht aber bei The Asteroids Galaxy Tour. Man hat sich irgendwie aufgerafft. Wurde da etwa ein Weg zum ewigen Bandglück gefunden? Und was genau war nun eigentlich das Problem? Und, vor allem: Wie klingt überhaupt die neue Platte? Wir haben Mette in Berlin getroffen, um ihr die Antworten auf diese Fragen zu entlocken.

Mette Lindberg ist eine Wesen, das sogar in hippen, durch und durch progressiven Umgebungen wie dem Michelberger Hotel in Friedrichshain noch positiv auffallen kann. Und wenn es um das neue Album Bring Us Together geht, gerät sie regelrecht ins schwärmen, denn diese Platte beinhaltet nicht nur ziemlich schmissiges Liedmaterial, sondern war auch auch eine Art Therapie. Die Reise beginnt beim Titeltrack, der auch gleichzeitig der Opener ist:

Bring Us Together steht sowohl dafür, Menschen zusammen zu bringen als auch für das Live-Erlebnis. Du bist mit Leuten zusammen und erlebst etwas, das nur hier und jetzt passieren kann. Das ist etwas Besonderes für uns. Wir wollen live als Band spielen, wir brauchen nicht haufenweise Choreographie […].

Dieses Album hat uns auch geholfen, wieder zueinander zu finden und uns als Freunde wieder schätzen zu lernen, anstatt voneinander genervt zu sein. Beispielsweise die Zeile „the traveling sounds from a million years will bring us together“ sagt aus, dass Musik immer etwas ist, das Leute zusammen bringt. Das können Geschichten sein, die mit Musik erzählt werden, über die alten Tage. Das können Erinnerungen sein. Wir beide könnten etwas gemeinsam haben, meinetwegen vor fünfzehn Jahren. So wie „Man, ich liebe diesen Song, ich war auf dem Konzert!“ – „Ich auch!“. Und schon verbindet man sich. Das lieben wir so daran. Du kannst viel verschiedene Musik lieben, vielleicht verstehst du die Sprache gar nicht, aber du magst die Beats, die Melodie, den Groove. Das ist großartig und wir wollten einen Song machen, der diese Energie in sich trägt, und den auf das Album packen.

Der Sound, der typisch für The Asteroids Galaxy Tour ist, klingt ziemlich bunt. Angesiedelt ist er irgendwo zwischen Retro-Bläsern, Hip Hop-Beats und Mettes Vocals, die auf der einen Seite verdammt poppig klingen, dabei aber auch in ihrer Schrillheit Kanten im Gepäck haben. Eigentlich klingt das Ganze so, wie dieses Video aussieht:

Treffer, Versenkt. Bring Us Together hat das Potential, an die alten Zeiten anzuknüpfen, in denen auf dem Debütalbum Fruit eine Perle die nächste jagte. Dabei muss man fairerweise sagen, dass der Nachfolger Out of Frequency da nicht so ganz mithalten konnte, aber das zweite Album ist ja bekanntlich ohnehin das schwerste. Zumindest fand sich auf diesem kein Song, der es in eine Apple-Werbung geschafft hat, und genau das ist der Anfang vom Durchbruch der Dänen gewesen:

Dieser Apple-Werbespot hat uns schon sehr geholfen. […] Wir hatten keinen Plattenvertrag, nichts. […] Ich denke, es ist gut, zu nehmen, was man bekommt: Werbespots, Serien, Filme, Support-Auftritte… Man muss aus allem das Beste machen, anstatt immer nur politisch korrekt zu sein. Denn das ist doch Bullshit! Heute geht es nur noch um’s Streamen, die Künstler bekommen kaum noch Geld. Man kann Videos streamen, man kann Musik streamen. Live-Konzerte werden immer teurer. Wir könnten einfach niemals für die PR bezahlen, die uns ein Werbespot einbringt! Das ist doch logisch. Man sollte einfach, wenn man sich nicht gut mit einer Sache fühlt, auch aussteigen, alles andere aber machen. Das ist der beste Ratschlag, den man geben kann: Vertraue deinem Bauchgefühl.

Klar, Musik – also Kunst – und Werbung, das kann gerne auch mal schief gehen. Aber das Hauptproblem ist dabei gar nicht unbedingt, dass Bands sich plötzlich fröhlich grinsend mit Softdrinks, Telefonen oder Autos gewisser Hersteller ablichten lassen, sondern dass die Hoffnung, es irgendwann einmal in eine Werbung zu schaffen, die Musik an sich verändert. Schließtlich könnte „Mobilfunk-Werbesong“ mittlerweile fast schon als eigenes Genre durchgehen. Diese Gefahr besteht bei The Asteroids Galaxy Tour eindeutig nicht, denn diese klingen besonders auf ihrem ersten Album nicht darum kommerziell, weil sie austauschbar sind. Stattdessen gab es das, was sie gemacht haben so noch nicht – ein innerhalb von Millisekunden einsetzendes zufriedenes Grinsen mit anschließenden Beinzuckungen stellt sich nach Untersuchungen dänischer Forscher trotzdem bei 87% der Weltbevölkerung ein, wenn Klassier wie Around the Bend ertönen.

Und die Tatsache, dass Bands sich heute auch nach anderen Einkommenquellen umsehen müssen, weil man praktisch jeden Song irgendwo nahezu kostenfrei und vollkommen legal streamen kann, hat nicht nur Nachteile:

Außerdem ist es doch auch großartig, dass man heute Musik einfach finden kann. In meiner Kindheit gab es kein Internet. Wenn du also einen Song im Radio gehört hast, musstest du schon mit Stift und Papier in der Hand darauf warten, dass der Titel angesagt wurde. Und manchmal ist das dann gar nicht passiert! Du musstest dann bis zum nächsten Abend warten. Dann konnte man sich oft nichtmal die Single kaufen, weil der Plattenladen die nicht eingekauft hatte, und du musstest sie dann bestellen. Dann war sie nicht mehr frisch, zu spät. Heute ist das einfach eine andere Zeit, und das gefällt mir. Aber es kommt auch alles Schlag auf Schlag, Song auf Song. Da draußen ist so viel Musik, das ist schon ein hartes Geschäft. Es gibt starke Konkurrenz [lacht]. Man muss einfach sein Bestes geben und das Beste hoffen.

Schön, dass es noch Bands gibt, die etwas pragmatischer an die Sache herangehen. Warum sollte man auch herumheulen, wenn man stattdessen gute Musik machen kann?

Fun Fact: Ihren ersten Auftritt hatten The Asteroid Galaxy Tour als Vorband von niemand geringerem als Amy Winehouse (!). Das war vor sechs Jahren.

Gedankenexperiment: Angenommen, Mette würde auf irgendeinem Asteroiden, irgendwo ganz weit draußen, eine Zeitmaschine finden, mit der sie zu eben diesem Amy Winehouse-Konzert zurück reisen könnte, was würde sie dann ihrem früheren Ich mit auf den Weg geben?

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich dachte, wie krank es ist, dass wir zum ersten Mal gleich auf so einer großen Bühne spielen. Wir hatten vielleicht zwei Mal geprobt, also war das alles sehr unsicher. Ich habe mir eingeredet, das so zu spielen, als sei es unser letzter Gig. Als sei es das allerletzte Mal, und direkt danach würde ich sterben. Man muss den Moment genießen! […] Manchmal wache ich während einer Show kurz auf und denke mir „Oh Gott, vor mir stehen 10.000 Leute“. Eigentlich denke ich da gar nicht drüber nach, ich versuche einfach meinen Job zu machen. Manchmal nimmt man sich aber die Zeit und das ist dann unfassbar, berührend und großartig. Wenn man nicht alles gibt, dann stirbt man langsam von innen. Aber damals war ich mir sicher, mein Bestes gegeben zu haben. Ich glaube, ich habe mir diesen Ratschlag damals schon gegeben! Es ist also vielleicht tatsächlich so passiert… Vielleicht ist es passiert! Eigentlich bin ich da sogar recht sicher.

Wenn jemand durch die Zeit reisen kann, dann die Band mit dem Weltraumnamen.

Bring Us Together erscheint über das bandeigene Label Hot Bus Records am 12. September.

(Foto: The Asteroids Galaxy Tour)

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