Ein Festival mit jemandem zu besuchen, der eigentlich keinen Bock auf Dixiklos, Zeltplatz, Matsch, fremde Besoffene, Orientierungslosigkeit und Mückenstiche hat ist eher selten ein Vergnügen. Wenn man selbst diese Person ist, dann lässt es sich diesem Umstand noch schwieriger aus dem Weg gehen. Bzw. ja eben gar nicht. Und nicht nur, dass ich Anderen davon abraten würde mit mir auf ein Festival zu fahren. Ich selbst umgehe diese Konfrontationen mit meinem vielfältigen Selbst am liebsten weiträumig. Am Ende raube ich mir nämlich eigenhändig den letzten Nerv inmitten pubertärer Streitereien meiner zickigen, nervtötenden Spießer- und der lockeren, „ist-doch-halb-so-wild“-Freigeist-Mentalität.
Es gibt natürlich Leute die weitaus größere Probleme zu bewältigen haben.
Aufs PANGEA wollt ich aber trotzdem fahren. Einfach weil es komfortabel in der Nähe meines aktuellen Wohnorts liegt und ich Mecklenburg-Vorpommern cool finde. MV ist nämlich für Leute die Bock auf Natur haben echt ein Mekka. Mecklenburgs Rostock ist genauso cool und dort haben die Festivalgründer im eigenen SUPREMEsurf Shop ihre Festivalideen ausgebrütet.
Ich denke ja, wenn eine Clique aus entspannten Leuten (man nimmt ja an, dass Surfer total entspannte Kumpels/Kumpelinen sind) sich vornimmt ein Funsport-Festival mit guter Mucke in MV für ihresgleichen zu machen dann sprechen diese 4 Gründe für einen Besuch. Allein der Wertschätzung guter Ideen wegen. Zudem konnte ich das Zelten komplett umgehen, weil meine Festivalbegleitung kein Problem mit Abstinenz hat, einen Führerschein, ein Auto und der Weg nach Hause auch nachts nicht allzu weit war.
Beim PANGEA angekommen staunte man erst einmal über die Flugplatz-Landebahn die man befuhr bis man den Einlasspavillon erreichte. Vor der Kasse musste man nicht lange warten, ich war also versöhnlich gestimmt. Zumal das Wetter Festival-perfekt war. Obwohl der erste Tag völlig verregnet war, knallte am Tag meiner Ankunft die Sonne auf meinen extradicken Wollpullover. Aber Pullover kann man ja ausziehen.
Anschließend parkten wir, unserer eigenen Verwirrung geschuldet, etwas wild und macht uns auf das Gelände des alten Pütnitzer Flughafens zu erkunden. Sobald man sich einen Überblick verschafft hatte, war klar, alle konnten über das Wetter froh sein, denn das Pangea war ein riesiger Open Air Spielplatz und die ganzen Aktivitäten die einem dieses Festival servierte hätten im Regenponcho bestimmt nur halb so viel Spaß gemacht.
Die einzelnen Teile der imposanten Kulisse fügten sich wie Puzzleteile nahtlos ineinander. Da waren Superlativen wie eine eigens angelegte Wasserarena für die Wakeboarder mit wahnsinnigem Durchmesser und beeindruckender Wassertiefe, ein BMX/Dirtjump Parcour mit meterhohen Kicker-Elementen, ein weitläufiger Skatepark und eine Blub-Anlage.
Der übrige Raum nahmen kleine verrückte Spielideen, wie ein Parcours à la Takeshi’s Castle oder seltsame Musikinstrumente, in Anspruch. Wenn einem langweilig war, brauchte man also lediglich den Blick schweifen lassen und hatte binnen Sekunden eine neue Sache entdeckt. Wer nicht selbstbestimmt rumprobieren wollte, der hatte die Möglichkeit sich für verschiedene Workshops anzumelden.
Als eine der besten Attraktionen für Faule stellte sich die Blub-Anlage heraus. Wie in einem Kinosaal zur Premiere saßen die Leute dicht an dicht und fieberten mit den Springern.
Meine Begleitung war während des sich wiederholenden Kunststücks immer wieder fasziniert von der Einfachheit der menschlichen Psyche. Drehte sich doch das ganze Spektakel mehr oder weniger darum wie es aussieht, wenn Menschen durch die Luft fliegen. Fortgeführt auf dem gesamten Festival. Auf Rädern, Brettern oder durch eben diesen einen Schleudersack. Die Faszination des Fliegens. Vielleicht findet das Pangea deshalb auf einem Flughafen statt.
Um meinen inneren Festivalmuffel das Maul zu stopfen, genoss ich mehr als ein Mal die Vorzüge des qualitativ guten Essens, für das man nicht lange anstehen musste. Meine Lieblingsstände: der Wagen von “Fhainheiten” und die Creperie. Der Lieblingsstand meiner Begleitung war die Bar. Irgendwie war der Besoffenenvibe aber generell wirklich erträglich.
Das Publikum war wild durchmischt von sympathischen Stereotypen aller Art und ließ sich gegenseitig in Ruhe. Es sei denn, man wollte es anders. Was mich mit Dankbarkeit erfüllte. Selbst als das Konzertpublikum immer ausgelassener wurde und den Hangar mit der Konzertbühne füllte, konnte man sich noch ohne klaustrophobische Anfälle oder Wutausbrüche überall durchschlängeln. Zum Tanzen gab es auch noch ein HipHop-Zelt, den 3000° Floor unter freiem Himmel und die Räuberhöhle. Letztere war ebenfalls ein Hangar und auch wenn ich Festivaldeko eher selten für künstlerische Innovation halte, sehr, sehr schön dekoriert.
Musikalisch war also alles dabei. Mich überraschten RAZZ. Eine Boyband. Naja, nicht vom Genre her, aber vom Alter. Aber umso weniger ich die Jungs vorher ernst nahm, umso fester war die Ohrfeige, während ihres live-Auftritts. Im positiven Sinne. Die sind nämlich wirklich wirklich gut und das junge Alter kann ja auch sein Gutes haben! Man kann nämlich davon ausgehen, dass dienoch besser werden!
Wer keine Lust hatte sich alles durchzulesen und trotzdem kurz wissen will, was es zu sagen gab: Das PANGEA lohnt sich nicht nur für Surfer, Skater und andere aktive Leute dieser Art, sondern auch für Leute wie mich, die Lust auf Konzerte, Sommertage und -abende im Freien, ein bisschen feiern und ein bisschen rumhängen und zuschauen haben. Irgendwie ein Festival ohne Stress eben. Auch wenn ich trotz aller Sympathien noch immer nicht in einem Zelt schlafen möchte. Aber das ist ja jedem selbst überlassen.
[…] the Prodigy, the Offspring oder HO99O9 – und wenn die dann irgendwo im Süden auf einem riesigem Festival zusammentreffen, dann verfallen wir in Größenwahn und fahren nicht nur selbst hin, sondern laden […]