(Foto: Community Promotion)
Die Augustines haben uns ein großartiges Debütalbum hinterlassen, das so ehrlich und unironisch pathetisch klang, wie kaum etwas in dieser Zeit. Damals wurden sie noch unter dem Namen We Are Augustines angekündigt, nun wurde neben dem halben Namen auch der wehmütige Pessimismus gestrichen, zumindest teilweise. Trotzdem bleiben sich die Augustines treu, denn im Interview wird deutlich, wie glücklich die New Yorker gerade sind. Zwölf Jahre voller Anstrengungen haben sich ausgezahlt, da noch Lyrics zu schreiben, die suggerierten, man würde sich in Traurigkeit wälzen und vom Ausbleiben des Erfolgs singen, wär doch auch irgendwie falsch. Als die Jungs am 20. Januar ein Konzert im Berliner Privatclub spielen, kullern fast die Glückstränen. Nicht oft genug können sie den Leuten in den Ansagen zwischen den Songs ihre Dankbarkeit deutlich machen. Die Empathie ist gegenseitig, das Publikum möchte die Band gar nicht von der Bühne lassen. Als alle Lieder gespielt sind und die Menge nicht aufhört zu klatschen, kommen die Augustines noch einmal heraus, um wenigstens herzliche Umarmungen zu verteilen. Hach, wie schön, und das in dieser unseren, tiefgekühlten Welt.
Ich habe gehört ihr habt eine Menge Spaß hier in Berlin.
Eric: Ja, wir sind grundsätzlich sehr gern hier. Wir haben schon viele Länder und Städte gesehen und Berlin ist ohne Zweifel einer unserer Favoriten. Letzte Nacht waren wir in einer Bar, hatten ein paar Bier und haben uns überlegt, vielleicht die nächste Platte hier zu machen, ein Studio zu suchen und ein paar Monate hier zu leben.
Was mögt ihr hier am meisten?
Billy: Oh, schwierig zu sagen. Es ist ein elektrischer, kreativer, aufregender Ort mit einer Menge junger Energie und toller Handwerkskunst. Ich bin beeindruckt, weil die Stadt so viele Schwierigkeiten hinter sich hat und schon so erholt wirkt. Kunst ist ein so zentraler Bestandteil dieser Stadt.
Eric: Und wir meinen gute Kunst. Du kannst nach Santa Fe gehen und auch dort ist Kunst Teil der Stadt, aber die ist halt nicht so inspirierend. Da gibt es auch gute Sachen, aber hier in Berlin ist an jeder Ecke etwas, das mir auffällt.
Billy: Es erinnert mich in gewisser Weise an Mexico City, Berlin ist sehr bunt, voller Texturen und Explosionen. Heute sind diese Explosionen zum Glück kreativer Natur. Berlin ist erschwinglich. Wir arbeiten viel in London und New York und man wünscht sich, es wäre dort etwas fairer für Musiker.
Eric, du sagtest mal in einem Interview, dass New York verdammt nervenaufreibend sei. Dann seid ihr nach Seattle gezogen, richtig?
Eric: Nein, das wurde fälschlicherweise so gedruckt, wir haben dort nur für ein paar Monate gelebt. Nachdem wir die Platte fertig hatten, mussten wir für die Tour proben und das ist in New York nahezu unmöglich, es ist einfach zu teuer um einen professionellen Raum zu mieten. Das geht in die Hunderter pro Stunde! Also haben wir uns in Amerika umgeguckt und haben uns für Seattle entschieden. Seattle ist eine liebenswürdige Stadt, wir hatten eine gute Zeit.
Ihr habt also kein Zuhause in dem Sinne, wenn ihr auf Tour seid?
Eric: Doch, ich habe mein Haus in Brooklyn, da lebt meine Frau. Das ist also meine Homebase. Aber Billy lebt aus seinem Koffer.
Billy: Genau, seit 2011, oder 2012. Und ich werde noch zwei Jahre so weitermachen.
Du bist anscheinend der Typ für so was, aber besteht da nicht der Wunsch, sich irgendwo niederzulassen?
Billy: Ja, das ist eine großes Thema. Ein großer Anteil der Texte der neuen Platte dreht sich darum. Was passiert, wenn dein Traum wahr wird? Was passiert, wenn ein Kapitel endet, wo gehst du hin? Wie kann man überhaupt leben, wenn man ständig nur reist? Und um ehrlich zu sein, ich mache weiter, weil ich nicht weiß, wo ich bleiben soll. New York wäre schon okay, aber ich habe mich schon mit dem Gedanken angefreundet, nach einer absolvierten Tour meine Ruhe zu haben, am Strand oder auf dem Motorrad. Das wird in New York natürlich nicht passieren. Du kommst müde von der Tour zurück und wirst fast überfahren oder zumindest ständig angebrüllt. Ich muss mal gucken. Das letzte mal habe ich viel Zeit im Park verbracht, jeden Tag, das war klasse.
Du hast da aber nicht geschlafen, oder? In deinem Van?
Billy: Haha, nein. Das nicht, aber es ist ein Ort, an dem man gut nachdenken kann. Früher habe ich mich über die Leute lustig gemacht, die es mir empfohlen hatten, in den Park zu gehen, wenn ich ein mal wieder fast durchgedreht wäre. Ich dachte nur „Fuck You, was soll ich denn im Park“?? Aber ich lag falsch, es ist echt schön da. Ich kommt gar nicht so sehr auf das an, was du betrachtest, sondern auf das, was sich in dir auftut, so wie beim Meer oder bei den Bergen.
Eric: Es kommt nicht drauf an was du siehst, sondern was du siehst.
Augustines – Nothing To Lose But Your Head on MUZU.TV.
Billy ist also mit dem Motorrad herum gefahren und ihr, Eric und Rob, habt an neuem Material geschraubt? Ist das eure Arbeitsteilung?
Eric: Ich habe ein kleines Homestudio und eine Menge Instrumente. Nach einer Tour schließe ich mich erst mal zwei Tage ein, rede mit niemandem und werde wieder zu einem menschlichen Wesen. Und irgendwann fange ich wieder an zu spielen und aufzunehmen. Das ist meine Art zu relaxen. Auf Tour sind deine Sinne ständig stimuliert, die Shows, Interviews, sich mit Leuten zu unterhalten. Sogar wenn du im Van sitzt, guckst du ja aus dem Fenster und hast ständig Bewegung. Wenn du aber wieder zuhause bist, dann ist da nichts! Man wird schnell launisch oder depressiv, ich denke, die meisten Musiker haben damit zu kämpfen. Viele werden sogar krank. Da ist es häufig, dass sich ungesunde Ablenkungen gesucht werden. Manche trinken, ich lag nur auf der Couch rum und habe tagelang ferngesehen. So konnte ich nicht weitermachen, das Leben ist zu wertvoll, also hab ich beschlossen zu arbeiten. Ich rief Peter Kadis ( Anm. d. Red.: dem Poduzenten) an und ging zu ihm ins Studio, das tat meiner Seele gut.
Also ist Kreativität eher eine geduldige, fast gewöhnliche Arbeit, als dass einem die Ideen zufällig entgegengeflogen kommen?
Rob: Beides! Zum Beispiel kommt Bill mit einer Idee zu uns und wir arbeiten in der Gruppe daran weiter. Dann gibt es Momente, da hat man plötzlich eine Idee und schlägt dann zu, ohne dass man mit den anderen lange dran feilscht. Kreativität ist kein Schalter, denn du auf On oder Off stellen kannst.
Eric: Man kann nicht gänzlich darauf bauen, dass die Kreativität einfach da ist. Da gibt es ein schönes Strawinsky-Zitat. „Ich habe Mitleid für den Künstler, der auf Inspiration wartet“. Er ist buchstäblich jeden Tag 9 to 5 zur Arbeit gegangen. Von uns arbeitet keiner so organisiert. Für dieses Album hatten wir nicht sonderlich viel Zeit, es war entscheidend, dass wir das Beste rausholen musste. Wir haben eine Kirche gefunden, in der ein Probestudio war und sie für einen Monat gemietet. So konnten wir uns eine inspirative Umgebung schaffen und diese Kreativität einfangen. Wir tragen so viele Eindrücke und Emotionen von der Tour oder unserem Alltagsleben zusammen, wie wir können, zum Beispiel als Aufnahmen mit dem Handy, um sie zu sammeln. Dann kommen wir zusammen und versuchen so viel wie möglich daraus zu generieren.
In meinen Ohren sind vor allem bei „Cruel City“ gospelartige und spirituelle Tendenzen zu hören, es hat fast etwas Afroamerikanisches. Ist das vielleicht der „Einfluss der Kirche“?
Billy: Das liegt an den chorhaften Backingvocals, die wir singen. Das geht eher so Richtung Motown, da gibt es so was natürlich schon lange, für uns war das aber neu. Ich machte mir schon länger Gedanken über Songstrukturen und mir wurde bewusst, dass es nicht unbedingt komplexe Kompositionen sein müssten. Es gibt so viele musikalische Aspekte um die Basis zu dekorieren. Darum ging’s. Dafür, dass sich unsere erste LP sehr intensiv mit Themen auseinandersetzt … Wir wollten etwas schaffen, dass sich gut anfühlt, wussten aber, dass wir dafür einen gefährlichen Weg einschlagen müssten. Oft in der Musikgeschichte sah es so aus, als hätten die Musiker ihren Pfad verloren, wenn sie früher einmal sehr intim und emotional waren und nun leichtfüßiger auftreten, als wären sie nicht mehr so aufrichtig. Wir haben die Musikgeschichte studiert, wir haben all jene gesehen, die es falsch gemacht haben. Genau so haben wir Beispiele dafür gesehen, wie man es richtig machen kann. Ich denke, wir haben das geschafft. Wir haben noch nie so hart geackert.
Ihr wolltet also optimistischer und positiver klingt und trotzdem aufrichtig?
Billy: Für mich ist es einfach eine Spiegelung meines Lebens, ich bin sehr glücklich. Das Album deckt aber ein ganzes Spektrum ab, es ist ausbalanciert. Da ist Begeisterung und Transzendenz. Es ging voran. Es ist immer noch verwurzelt in den Komplexitäten und Schwierigkeiten des menschlichen Lebens, fängt aber ein neues Kapitel an, denn nun konnten wir reisen und das erreichen, was wir uns erträumt hatten.
Interessant daran ist, dass wir viele Freunde hatten, die Musiker waren. Viele haben längst aufgehört und in Europa konnten die Wenigsten spielen. Als wir zurückkamen war ich überrascht darüber, wie wenige noch da waren, um mit mir diesen Erfolg zu feiern. Das ist ein ganz anders als ein familiäres Feiern. Wenn man neue Freunde auf Partys kennenlernt, dann ist das ein verschiedenes Gefühl. Wir waren so lange weg und als wir wiederkamen, waren alle irgendwie beschäftigt. Ich hatte diesen Geschmack noch auf der Zunge, als ich anfing zu schreiben. Wenn du das professionell machst, realisierst du nicht wie viel Zeit du hast, weil du so viel arbeitest, aber wenn das Album fertig und die Tour irgendwann absolviert ist, dann hast du eine scheiß Menge Zeit.
Eric: Und dann kommen die besagten Gefühle ins Spiel.
Trotzdem ist das Album sehr optimistisch, im Vergleich zu „Rise Ye Sunken Ships“.
Billy: Klar, aber es ist kein Gute-Laune-Quatsch oder Disney-Happiness.
Eric: Ach, wir machen einfach was wir immer tun und das war einfach das Leben, das wir führen. Wir haben die letzten drei Jahre damit verbracht, über eine schwierige Zeit hinweg zu kommen. Diese Phase war das Schwanzende von acht Jahren Kampf darum, Musiker sein zu können. Wir haben zwölf Jahre gekämpft und jetzt sind wir dort. Das ist das größte Geschenk, das wir bekommen konnten und es fühlt sich so groß an, weil es so lange gedauert hatte. Wäre es über Nacht gekommen und wir wären 22 oder so was, hätten wir das nie so wertschätzen können. Dieses Gefühl ist natürlich Teil des Album, daher sagen die Leute, dass es so positiv klingt, klar!
Billy: Ich bin gegenwärtig in bester Laune, auch wenn das viele Rumreisen ermüdend ist. Wir sind uns völlig im Klaren darüber, dass manche Leute das Album nicht mögen werden. Wir bereiten uns auch darauf vor, dass uns die Leute doof kommen werden, denn das ist immer so, wenn jemand groß rauskommt. Aber ich denke wir haben genügend Charakter um zu erkennen, dass das okay ist. Manche mögen Spaghetti, manche nicht. Manche mögen Marlon Brando und manche nicht, das ist halt so. Ich denke, dass wir unsere Mission erfüllt haben und mit Integrität und ohne unsere Standards zu ändern, weiter das machen, was wir lieben.
We Are Augustines – Chapel Song on MUZU.TV.
Die Tracks von eurer ersten LP wurden hier im Radio echt hoch und runter gespielt, bestimmt drei verschiedene Titel, die haben euch wirklich gepusht.
Billy: Als Künstler kannst du kaum was machen, wenn dich keiner wahrnimmt. Wir machen das schon lange und haben nie aufgehört uns über die kleinen Sachen zu freuen. Nur um ein Beispiel zu nennen, wir waren gerade im Restaurant, haben die erste Rezension gelesen und haben echt angefangen zu heulen. Jesus! Wir haben’s geschafft! Die Intentionen, die wir hatten, haben wir erfüllt. Ich werde dann immer so emotional…
(Marc Augustat)
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