Comeback, die zweite: Take That haben Robbie Williams endlich wieder eingemeindet und werden natürlich erneut enorm erfolgreich sein. 


… ich komm wieder, keine Frage: Take That 2010.

Es ist also soweit und richtig überrascht ist wohl niemand. Robbie Williams ist wieder zurück bei Take That, der wahrscheinlich einzigen Band auf dem Planeten, die ausgerechnet mit einer Comeback-Vision den größten Hit der Karriere hatte. “Back For Good” dürfte seit 1995 eines der meistverwendeten Zitate der Popgeschichte sein (gleich vorm fast zeitgleich relevanten “Don’t Look Back In Anger” der anderen englischen Supergroup); weil es eine dankbare Phrase ist und weil wir in Zeiten leben, die ihren Newswert zu einem großen Teil aus Comebacks und dem Wiederzusammenfinden von Althelden diverser Coleur beziehen. “So what?”, könnte man sagen und sich wieder richtigen Trends, richtiger Musik, richtigen Bands zuwenden, von denen es ja eine mehr denn je unüberschaubare Menge gibt. Was wiederum zumindest zum Teil die Beliebtheit der Comebacks als Besinnung auf Bekanntes erklärt, die sich ja nicht auf ein Mainstream-Publikum beschränkt, sondern durchaus auch etwas elitärer anmutende Geschmackskreise umfasst, die dann eben zu den wiederauferstandenen – sagen wir mal – Pixies oder Dinosaur Jr pilgern. Selbst Bands der zweiten und dritten Neunziger-Jahre-Liga melden sich – mehr oder weniger beachtet – zurück um an die alten – mehr oder weniger – Erfolge anzuknüpfen. Bei Take That allerdings gings immer nur um die erste Liga.

Take That waren – das muss man bei aller grundsätzlich berechtigten Distanz zum Thema einfach anerkennen – eben nicht die gemeine Boyband von nebenan. Dazu waren sie einen Hauch zu wenig durchkonfektioniert, gehorchten nicht gänzlich dem strikt kalkulierten gängigen Boyband-Baukastensystem mit den ganz klar verteilten Rollen und hatten obendrein auch ein paar – sogar selbstgeschriebene – Songs zu bieten, die nicht nur im sicher weniger musikalisch geprägten Beuteschema pubertierender Mädchen und der üblichen berechenbaren Boyband-Mitglieder-schmachten-im-Regen-Videoclips funktionierten. Warum nun ausgerechnet sie die unangefochtene Nummer eins der Szene wurden, lässt sich daraus nicht zufriedenstellend klären. Aber so funktioniert Popmusik nun mal, Erfolg lässt sich nicht wirklich herleiten. Interessant wurden Take That eigentlich erst, als es zu Ende ging. Denn unversehens stand eine Elterngeneration völlig ratlos einer bis dahin beispiellosen Endzeit-Hysterie gegenüber, der sie außer schnellstens eingerichteten Seelsorge-Hotlines keine adäquate Reaktion zu bieten hatte. Der letzte Auftritt von Take That vor deutschem Publikum – im März 1996, bei “Wetten dass” – gehört denn auch folgerichtig immer noch zu den großen, weil entlarvenden Momenten der deutschen Fernsehgeschichte, weil man erstmals in aller drastischen Ungeschöntheit vor Augen geführt bekam, dass der damals 55-jährige Thomas Gottschalk tatsächlich ein alter Sack war, der angesichts seines zahlreich schluchzenden Publikums nichts als hilflose Phrasen ablieferte.


Im Zeichen des Boulevard: Robbie Williams 2010 in Berlin.

Bemerkenswert sind Take That weiterhin – wenn auch eher als Popphänomen, denn als musikalisch relevante Größe. Die war zwischenzeitlich Robbie Williams, der in Windeseile eine erstaunliche Wandlung vom Boybandkasper zum allseits akzeptierten und vor allem respektierten Popsänger machte und trotz mäßig erfolgreichem erstem Soloalbum furios durchstartete. Das war natürlich zum Gutteil der Verdienst seines Haus-Songschreibers Guy Chambers, nichtsdestotrotz füllte Williams die Rolle der sympathischen, garantiert nicht fehlerfreien, jederzeit drogen- und bauchgefährdeten Rampensau mit echten Entertainer-Qualitäten perfekt aus. Zumindest für fünf Jahre und vielleicht drei oder vier gute Alben. Seitdem sind die besten Tage vorbei, hat sich der Boulevard des Themas “Robbie” nahezu komplett bemächtigt. Das hat er übrigens mit seiner Kollegin Kylie Minogue gemeinsam, die ja auch nach ihrem ersten Leben als Stock-Aitken-Waterman-Sternchen eine seltsame Wiederauferstehung als Pop-Rolemodel für selbstbewussten Ausverkauf mit Metaebene für Kritiker erlebte, jetzt nur noch mittelmäßig interessante Platten macht, aber mehr denn je durch Promisendungen und -gazetten gereicht wird.

Ziemlich genau zehn Jahre hat es gedauert, bis 2005 die Anstandsfrist für die längst allerorten erwartete Take That-Reunion um war, gerade richtig scheinbar, um bei inzwischen erwachsenen Frauen – und es steht außer Frage, dass Take That im Prinzip nur für Mädchen und Schwule konzipiert wurden – einen Nerv zu treffen. Die hatten neben jeder Menge romantischer Jugend-Erinnerungen inzwischen eigenes Geld und schienen sich weltweit auf einen Konsens des unbeschwerten und ein klein wenig selbstironischen Nachgenießens geeinigt zu haben. In dreißig Minuten war die Reunion-Tour ausverkauft, die allerdings einen Makel hatte: Sie ging ohne Robbie Williams über die Bühne. Aus heutiger Sicht ist es indes ein ganz besonders cleverer – wenn auch wahrscheinlich tatsächlich nicht kalkulierter – Schachzug, sogar das eigene Comeback noch mit Reserven auszustatten. Eine Enttäuschung wurde es jedenfalls nicht, die vier Jungs hatten sich eine gewisse Schalkhaftigkeit bewahrt, eine jetzt seriös eingefärbte Lässigkeit, die der mitgealterten Zielgruppe nicht peinlich sein musste.


Piep, piep, piep, wir haben uns alle (wieder) lieb!

Wenn jetzt Robbie Williams – dessen eben erst verkündetes Solo-“Comeback” halbgar ausfiel – zurück zur Familie kommt, ist es völlig egal, ob die – selbstredend in jeder Boulevardsendung gezeigten – Bilder von den fünf im Studio fröhlich herumflachsenden Männerfreunden irgendetwas mit der Realität hinter den Kulissen zu tun haben. Dass es bei diesem Coup vor allem um sehr viel Geld geht, wissen auch die, die es vermutlich reichlich ausgeben werden, um die Idole ihrer Teenagerzeit in die Gegenwart zu transferieren. Und irgendwie muss man der Popgeschichte dankbar sein, dass es wenigstens Take That sind, die diesen offensichtlichen Bedarf ausfüllen. Es hätte auch viel, viel schlimmer werden können.

Augsburg