Der Mann mit der Strickmütze, unter der immer ein Päckchen Zigaretten versteckt sein soll, ist wieder da. Zwei Jahre nach seinem letzten Album legt Badly Drawn Boy mit „Born In The UK“ sein neues Album vor, diesmal unter den Fittichen von EMI.
Die Karriere von Damon Gough, so Badly Drawn Boy mit bürgerlichem Namen, begann eher zufällig. In einer kalten Dezembernacht 1997 setzte sich ein angetrunkener Mark E. Smith, Kopf von The Fall, in Damon Goughs Auto, weil er es irrtümlich für ein Taxi hielt. Damon, der bis dahin nur mit dem DJ Andy Votel auf ihrem eigenen Label „Twisted Nerve“ zwei EPs in kleinen Stückzahlen veröffentlicht hatte, spielte mit und fuhr den Indie-Rock-Helden nach Hause. Auf der Fahrt entlockte er ihm das Versprechen, einen seiner selbstverfassten Songs („Tumbleweed“) aufzunehmen. Smith hielt nicht nur Wort, er brachte den talentierten jungen Mann zudem mit DJ Shadow und James Lavelle zusammen, die ihn 1998 für ihr UNKLE-Projekt engagierten. In der Folge rissen sich die Plattenfirmen um den vollbärtigen Musiker. Das Rennen machte XL, bekannt als die Schmiede von The Prodigy. Im Jahr 2000 erschien das erste Album von Badly Drawn Boy, „The Hour Of Bewilderbeats“, das in Großbritannien auf Anhieb euphorische Medienreaktionen auslöste und mit dem renommierten Mercury Prize ausgezeichnet wurde. Auch beim deutschen Publikum kam die ungewöhnliche Mischung aus klassischem Songwriting, unbeschwertem Pop, psychedelischen Farben und sanften Electronic-Anleihen positiv an.
Vieles von dem, was das Debüt auszeichnete, ist auch auf „Born In The UK“ im Überfluss vorhanden: die Neugier und Experimentierfreunde, der hintergründige Humor, die humanistischen Botschaften, die sanfte Melancholie und natürlich Damon Goughs Talent für ganz großes Songwriting, das ihm in der Vergangenheit Vergleiche mit Elvis Costello und Randy Newman einbrachte. Bei aller Zeitlosigkeit seiner Songs lässt Badly Drawn Boy jedoch keinen Zweifel daran, dass er eine große Vorliebe für die Musik zurückliegender Jahrzehnte hegt: „Wenn ich Songs schreibe, tendiere ich dazu in der Vergangenheit zu leben.“ Fraglos ist diese Vergangenheit ein wirklich schöner Ort, denn hier liegen die Wurzeln für das Country-gefärbte „The Way Things Used To Be“, für die hinreißenden, von Burt Bacharach inspirierten Balladen „Nothing’s Gonna Change Your Mind“ und „The Long Way Round“ sowie für den euphorischen Pop von „Welcome To The Overground“, der so wundervoll nach Broadway klingt, weil Damon Gough beim Songschreiben an Musicals wie „Hair und „Godspell“ dachte. „Viele dieser Songs sind geprägt von meiner Kindheit in den 70er Jahren und von der Musik, die ich damals bei meinen Eltern hörte.“
Auch beim Titelstück „Born In The UK“, einem forsch zupackenden Rock-Statement, das an das Musical-taugliche „Intro / Swimming Pool Part 1“ anschließt, dreht sich alles um gelebte Erfahrung. In 160 Sekunden lässt der Ausnahmeinterpret all jene politischen und kulturellen Ereignisse Revue passieren, die sein Leben seit seiner Geburt im Oktober 1969 geprägt haben. Natürlich ist der Titel auch eine Referenz an Damon Goughs Helden, Bruce Springsteen.
„Der Text war der reinste Alptraum“, erinnert sich der Troubadour. „Ich wollte etwas einfangen, das signifikant britisch oder englisch ist. Außerdem ging es mir nicht darum, irgendwelche Begebenheiten aus der britischen Geschichte der letzten 37 Jahre aufzulisten, sondern es sollten nur Ereignisse auftauchen, die in meinem Leben von Bedeutung waren. Dass mir das Silber-Jubiläum der Queen mehr bedeutet hat als die Sex Pistols ist kein Affront gegen die Pioniere des Punk, sondern durchaus erklärbar, da ich 1976 erst sieben Jahre alt war. Mag sein, dass der Song ganz scharf am Rand der Peinlichkeit entlangschrammt, aber es gehört einfach zur menschlichen Natur, dass man auf seine Herkunft stolz ist. Nur scheint man uns das Recht dazu, aus irgendeinem Grund genommen zu haben.“
In jedem Fall kann Badly Drawn Boy stolz auf sein neues Album sein, vor allem nach der komplizierten Vorgeschichte. Seit der Veröffentlichung seines Debütalbums flogen ihm die Ideen für fulminante Songs und außergewöhnliche Videos, in denen er ein New Yorker Taxi spielte („Disillusion“) oder eine traurige Joan Collins tröstete („Spitting In The Wind“), nur so zu. Er schrieb sinnliche Poplieder und Folkminiaturen für den fabelhaften Soundtrack von „About A Boy“, kreierte opulente Broadway-Melodien auf dem Album „Have You Fed The Fish“ und rührte zu Tränen mit der sehr persönlichen Songsammlung „One Plus One Is One“. Mit diesem Album lief sein Vertrag mit XL-Recordings aus. Badly Drawn Boy unterschrieb bei EMI und startete sogleich mit der Arbeit an seinem fünften Album.
Er vergrub sich für fünf Wochen, in denen er kaum seine Frau und seine Kinder sah, in einem Studio in einer alten Bonbonfabrik in Stockton, nur um irgendwann festzustellen, dass ihm kaum etwas Veröffentlichungswürdiges eingefallen war. „Ich habe mich selbst zu sehr unter Druck gesetzt“, räumt der Sänger ein. „Ich hatte dieses verrückte Ziel im Kopf, jedes Jahr ein Album zu veröffentlichen, aber Nr. 5 wollte nicht gelingen. Nach Ablauf der fünf Wochen im Studio stand ich mit leeren Händen da. Ich fühlte, dass ich mich musikalisch in eine Richtung bewegte, die mir nicht gefiel. Daraufhin habe ich alles umgeschmissen.“ Dazu gehörte auch das Ende der Zusammenarbeit mit seinem Produzenten. Nur war der nicht irgendeiner, sondern Stephen Street, der Studiozauberer hinter zahlreichen Klassikeralben von The Smiths über Blur bis Kaiser Chiefs. „
Damon entschloss sich, seine neuen Songideen in klassischer Triobesetzung zu entwickeln. Von September bis Dezember letzten Jahres arbeitete er jeden Tag mit Sean McCann und Alex Thomas zusammen, jenem Rhythmusgespann, mit dem er schon das Vorgängeralbum aufgenommen hatte und um die Welt getourt war. Im Dezember traf er dann Nick Franglen, eine Hälfte des britischen Elektronik-Duos Lemonjelly und ein ausgewiesener Experte für Computer, Sampling und zahlreiche Instrumente. Beide harmonierten sofort und im Januar 2006 nahmen sie 25 Songs auf, die Damon Goughs strenger Qualitätsprüfung genügten. Die Hälfte davon schaffte es letztendlich auf „Born In The UK“.
Videolink zu “nothing’s gonna change your mind“
Videolink zu “Born in the UK“
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