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“Ich bin eine ganze Band”

Mit Schirm, Charme und Pudelmütze melden sich Badly Drawn Boy zurück und starten mit “It’s What I’m Thinking Pt.1” ihre groß angelegte Albumtrilogie. Frontmann Damon Gough erklärt im Interview die Hintergründe.

Alterego oder doch eine richtige Band? Damon Gough kann sich nicht entscheiden: “Anfänglich war Badly Drawn Boy mein Künstlername und Bühnen-Pseudonym. Inzwischen muss ich aber gestehen, dass die Musiker um mich herum einen verdammt großen Einfluss auf mein Songwriting haben”, freut sich der sympathische Brite und wirkt verunsichert – schließlich liegt das letzte Badly Drawn Boy-Album “Born In The UK” fast vier Jahre zurück und scheiterte gleichermaßen bei Kritikern wie Publikum. Woran das lag? Damon Gough kann es nur erahnen.

Immerhin begann die musikalische Laufbahn von Badly Drawn Boy wie ein kometenhafter Aufstieg: Bereits mit dem im Jahre 2000 veröffentlichten Debüt “The Hour Of Bewilderbeast” konnte Damon Gough den in England renommierten ‚Mercury Prize’ für das beste Album des Jahres abräumen. Gewann dadurch die Aufmerksamkeit vieler Filmproduzenten und wurde für den Soundtrack zur Nick Hornby-Verfilmung von “About A Boy” engagiert – mit Pudelmütze, zerschlissener Cordhose und Armyparker galt er fortan als Newcomer der Stunde.

Bis sich 2006 der Wind drehte, Damon Gough mit “Born In The UK” zu viele Kompromisse einging und plötzlich Kritik bekam, wo zuvor ein Lorbeerkranz nach dem anderen verteilt wurde. Seinen sonst so himmlisch flächigen Akustikpop tauschte er zugunsten eines radiotauglicheren Formats aus und ließ die Texte von einer kuriosen Selbstzufriedenheit dominieren. Vier Jahre und eine weitere Soundtrackarbeit (“The Fatest Man In Britan” von 2009) später ist Damon Gough wieder zurück, hat eine Schreibblockade ad acta gelegt und kann sich den Flop der viel zitierten letzten Platte dann doch erklären.

Woran es lag, warum nun eine Albumtrilogie namens “It’s What I’m Thinking” folgt und weswegen das rettende Ufer so nah ist, erzählt der Badly Drawn Boy-Chefdenker im motor.de-Interview konzentriert und aufgeräumt.

motor.de: Nach deiner letzten Tournee gab es drei Jahre lang überhaupt kein Lebenszeichen von dir, dein MySpace-Profil wirkte wie ein leergefegtes Café. Wie kam es dazu?

Damon Gough: Ein schöner Vergleich. Ich zog mich bewusst aus der Öffentlichkeit zurück, weil mir die Dinge aus den Händen zu rutschen drohten. Der Erfolg kam vor zehn Jahren einfach sehr unvorbereitet: Du bringst dein Debüt auf den Markt und plötzlich wollen alle möglichen Leute was von dir. Jede Minute zum Luftholen fehlt und das kann problematisch werden, wenn man nicht selbst auf die Bremse tritt.

motor.de: Es wirkte gegenteilig – als ob du sehr gut mit der Situation zurechtkommen würdest. Immerhin erschienen fünf Badly Drawn Boy-Alben zwischen 2000 und 2006.

Damon Gough: Die Außenwahrnehmung entsprach nicht meinen Innenleben. Der Druck, das gerade gewonnene Publikum zu halten, war immens. Ich dachte immer, dass die Leute mehr von mir erwarten, Pausen nicht akzeptieren und neues Material nicht Jahre auf sich warten lassen darf.

motor.de: Ist das der Grund, weswegen “Born In The UK” zu viele Kompromisse einging?

Damon Gough: Mir schwebte damals ein anderes Album vor, doch zugleich hatte ich Angst, dass es zu viel abverlangt und die Sache dadurch nach hinten losgehen könnte. Auf Nummer sicher zu gehen schien mir die bessere Variante und so entstand eine Platte, die ich zwar mag, aber kein zweites Mal aufnehmen würde. (überlegt) Nicht falsch verstehen: “Born In The UK” sollte niemanden verschrecken und deswegen ging ich mehr Kompromisse ein, als den Songs gut tat.

Badly Drawn Boy – “Too Many Miracles”

motor.de: Das neue Werk “It’s What I’m Thinking” geht den umgekehrten Weg und ist der Beginn einer Trilogie, die mit “Photographing Snowflakes” ihren Anfang nimmt.

Damon Gough: (grinst) Es war lustig: Genau zu dem Zeitpunkt als wir den Entschluss fassten, dass nur eine Albumtrilogie Sinn ergeben würde, starteten die Eels ihre eigene und beeindruckten mich damit sehr.

motor.de: Wobei Frontmann Mark Oliver Everett oft betonte, welche Mühe es ihm machte, die Sache durchziehen und nicht auf halber Strecke abzubrechen.

Damon Gough: Die meisten Demos für Teil zwei und drei haben wir bereits fertig. Ein Grund, weswegen wir zu dieser Entscheidung kamen: Niemand wollte auf einen der neuen Songs verzichten und eine Platte mit vierzig Tracks zu veröffentlichen, ergab in meinen Augen keinen Sinn. Also aufteilen und nacheinander herausgeben, so dürfte es funktionieren.

motor.de: Wenn du das Wort “wir” benutzt, meinst du damit Badly Drawn Boy als dein Alter Ego oder als Band im klassischen Sinne?

Damon Gough: Zu Beginn meiner Karriere habe ich mich stets als Solokünstler verstanden und Badly Drawn Boy als Alterego benutzt. Inzwischen sind mir meine Kollegen aber so sehr ans Herz gewachsen, dass es ihnen gegenüber ungerecht wäre, Badly Drawn Boy nur als mein Soloprojekt zu bezeichnen.


motor.de: Musikalisch überrascht das Ergebnis auf ganzer Linie: Deine Stimme füllt den Raum aus, der Sound spart nicht mit Arrangements und so wirkt “Photographing Snowflakes” wie eine Rückkehr zu alten Tugenden.

Damon Gough: Intuition ist das Schlüsselwort. Ihr allein bin ich beim Schreiben gefolgt und habe die Platte ohne großes Zögern umgesetzt. Beim letzten Album wurde zu viel nachgedacht und das sorgte für den einen oder anderen Fehler – daher blieb mir nichts anderes übrig, als den umgekehrten Weg zu gehen.

motor.de: Früher hast du dich oft beschwert, dass deine Texte zu autobiographisch rezipiert werden. Ist das immer noch ein Problem für dich?

Damon Gough: (denkt nach) Nun, ich bekenne mich mit der neuen Platte zu meinen Gefühlen und versuche sie nicht mit ausgedachten Stories zu umgehen. Wenn ich in “The Order Of Things” singe “Throw me to the lions/ make me a man”, dann handelt das wirklich von meiner Rolle als Vater und wie ich damit in den vergangenen zehn Jahren umgehen gelernt habe.

motor.de: Hinter “Photographing Snowflakes” verbirgt sich also eine persönliche Erfahrung?

Damon Gough: Ein tolles Erlebnis auf jeden Fall: Ich saß mit Freunden beim Abendessen und wir sprachen über diverse Jobs, die jeder von uns schon einmal ausübte. Eine Freundin von mir ist Fotografin und als sie von ihren Aufträgen sprach, meinte ich plötzlich, dass Schneeflocken zu fotografieren, wohl der härteste Job der Welt ist – nicht körperlich, aber eine solche Sache einzufangen, erscheint mir unmöglich und deswegen trägt der erste Teil von “It’s What I’m Thinking” den Namen “Photographing Snowflakes”.

motor.de: Kannst du dir vorstellen irgendwann nur noch mit deinen Kinder durch den Garten zu toben?

Damon Gough: Durch die Geburt meines zweiten Kindes habe ich gelernt, dass Musikmachen nicht alles im Leben ist – da gibt es noch so viel mehr und das zu genießen, ist mindestens genauso schön, wie Songs zu schreiben und aufzunehmen. Allein für diese Erkenntnis bin unheimlich dankbar, auch wenn die Musik derzeit wieder mehr Platz einnimmt als den Kindern lieb ist.

Text und Interview: Marcus Willfroth

VÖ: 12.11.10

Label: Twisted Nerve/Edel

Tracklist:

1. In Safe Hands
2. The Order Of Things
3. Too Many Miracles
4. What Tomorrow Brings
5. I Saw You Walk Away
6. It’s What I’m Thinking
7. You Lied
8. A Pure Accident
9. This Electric
10. This Beautiful Idea

Badly Drawn Boy auf Tour:

15.11.2010 München – Backstage
19.11.2010 Köln – Luxor
21.11.2010 Berlin – Lido
22.11.2010 Hamburg – Stage Club

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