Mit westafrikanischen Klängen auf ihrem neuen Album, bieten The Barr Brothers die passende Abwechslung, die uns so manches Mal in der Indie-Musikwelt zu fehlen scheint. Die Koffer bepackt mit inspirationsgeladenen Tanks, die sie aus Montreal mit über den großen Teich haben schleppen können, sitzen mir die zwei Bandmitglieder Sarah Page und Brad Barr von The Barr Brothers gegenüber, während das Licht von draußen unser Gespräch zu begleiten scheint. Es ist einer dieser letzten Sommertage, an denen es so scheint, als gäbe die Sonne ihr Bestes, um dem Herbst in Kreuzberg noch ein wenig entgegen zu wirken. Und während wir die Kronkorken der Wasserflaschen von einem Zischen befreien, wird über unbeantwortete Fragen sowie hölzerne Raumschiffe geredet.
Am 10.10.2014 veröffentlichen The Barr Brothers ihr neues Album „Sleeping Operator“ hierzulande, was uns gespannt darüber grübeln lässt, was eigentlich hinter den ausgewählten Instrumenten des afrikanischen Kontinents steckt, sodass Sarah Pagé das Wort ergreift und uns eine Erklärung verschafft. „Ich würde nicht wirklich sagen, dass wir es darauf angelegt haben, neue Instrumente zu entdecken, mit denen wir gerne arbeiten wollen würden. Es ist nur meist so, dass Brad, der ein wirklich wundervoller Songwriter ist, einen Song anschleppt und Andrew sowie ich, wir beide richten unsere Köpfe mehr so in Richtung Form. So helfen wir, Dinge in eine bestimmte Form zu bringen und eigentlich genießen wir das alle sehr. Du musst wissen, dass man einen Sinn dafür bekommt, dass ein bestimmter Song ein bestimmtes Etwas hat, das Potential auf eine bestimmte Weise schwebend oder an anderer Stelle eher spärlich zu wirken. Es dauert eine Weile, um den bestimmten Charakter eines Songs zu kennen. Wenn wir erst einmal dabei sind, einen Song zu entdecken und mit ihm das Leben der Reise, den er einschlägt, suchen wir umher, um den Sound zu finden, der das Gefühl vermittelt, dass er vermitteln sollte. Wir tüfteln viel herum und werfen Dinge um, um sie dann auf ein Neues zu bearbeiten. Doch ich denke, dass das auch mit unserem Tempo zusammen hängt Wir sind nicht sonderlich schnell. Ich denke, dass Brad ein wirklich produktiver und schneller Songwriter ist und dennoch sind wir ziemlich langsam, was das Veröffentlichen von Alben angeht, weil wir trotz allem Perfektionisten und wir genießen es regelrecht, Klänge auszuprobieren, die neu und aufregend sind.“
Und während Sarah ihr letztes Wort beendet, fügt der Gitarrist und Sänger Brad Barr in einem beinahe symbiotischen Einklang, ein: „Das wäre so der Hauptweg, wie wir zu diesen Instrumenten gelangen. […] Es ist eine ziemlich normale Sache, diese anderen Kulturen zu entdecken. Eine Ngoni ist eine urzeitliche afrikanische Gitarre. Und, nun, aufgewachsen in Nordamerika, habe ich nie zuvor etwas Ähnliches gehört. […] Als ich das erste Mal eines dieser Instrumente gehört habe, mit all den Übertönen, mein Kopf, mein Geist war am Explodieren. Da Du eine Schreiberin bist, wäre es für dich so, als würdest Du ein Buch entdecken, dass vor tausenden von Jahren geschrieben worden und Du würdest einfach nur denken: ‚Oh mein Gott, das ist ein Ansatz, den Menschen einst für sich entdeckt haben!‘. Wenn Du eine Malerin wärst, dann wäre es vielleicht so als fändest Du eine seltsame Art von Pinsel, die jemand einst verwendet hat, um bestimmte Effekte zu erzielen. Und häufig sind es nun die primitiveren Versionen von Instrumenten, die uns faszinieren. Was zuvor gewesen ist und sich dann in eine Art Schatzjagd in der Musikgeschichte.“ Und wer von euch schon mal eine Ngoni gehört haben sollte, der wird sich genau wie wir bei der Frage, wie man ein solches Instrument in den kanadischen Gefilden findet, verwundert an seinem klangerfüllten Köpfchen kratzen. Doch wie auf so vieles, haben die zwei Musiker von The Barr Brothers auch hierfür eine passende Antwort parat, die mich zufrieden im Stuhl zurückwerfen lässt. Denn kaum hat die aus meinem Mund fließende Frage ihren Abschluss gefunden, antwortet Sarah mit durchdachter Wortwahl und scheinbar klarem Gedankengang auf das soeben Hinterfragte mit den Worten: „Ich habe angefangen, ein wenig Kora, was ein weiteres afrikanisches Instrument ist, zu spielen und das in vielerlei Hinsicht befreundet ist mit der Ngoni. Es war, als ich eines Tages die Straße entlanggelaufen bin und jemanden habe spielen hören, der diese großartige Musik gespielt hat. Und dann hat sich herausgestellt, dass mein Nachbar dieser unglaubliche Koraspieler gewesen ist. Das war ein großes musikalisches Erlebnis für mich. Zu der Ngoni auf unserem Album zum Beispiel kam es, als wir eine Aufnahmeprobe hatten. Wir hatten ziemliches Glück, mit Bassekou, der sowas wie ein revolutionärer Rockstar der Ngoni in Mali ist, arbeiten zu können. Er war einer der ersten Menschen, die die Idee hatten, eine Ngoni einzustöpseln und das Ganze zu einem elektronischen Instrument zu machen. Er hat eine Band mit, ich denke, drei unterschiedlichen Arten, in unterschiedlichen Größen, dieses Instruments und dank unseres Freundes und großartigem Produzenten aus Kanada Howard Bilerman, hatten wir die Möglichkeit. Denn er hat uns mit Bassakou bekannt gemacht, sodass wir ein, zwei Tage mit diesem im Studio hatten. Wir haben eine Menge an Liedern zusammen gespielt. Und dann mussten wir einfach die Möglichkeit am Schopfe packen und gucken, ob wir seinen Neffen dafür gewinnen könnten, auf unserem Album zu spielen.“. Nachdem die beiden Barr Brüder in den 90er Jahren hauptsächlich durch die Vereinigten Staaten gereist sind, habne sie dann in ihrer heutigen Heimat Montreal die Harfenspielerin Sarah Page kennengelernt, deren musikalisches Können durch die Wohnräume einer der Barr Brüder zu der Überzeugung geführt haben, dass unter anderem sie als ein Teil der Bandkomplementierung beitragen solle. Ohnehin wirkt die gesamte Bandgeschichte wie ein Skript einer Traumvorstellung à la Hollywood und ist dennoch die ganz reale Wirklichkeit. Vielleicht haben die Erfahrungen all der Bandmitglieder den passenden Einfluss für die heute so weiträumige Musik geboten. Fragt man die Brad und Sarah, wie sie ihre Musik beschreiben würden, wenn sie keinerlei musikalisches Vokabular verwenden dürften, ergeben sich überaus spannende Antworten. Sarah Page würde den Sound wie eine Dokumentation, die auf Archeologie trifft beschreiben, während Brad Barr hierbei schon etwas mehr ins Detail geht: "Ich würde sagen, dass es so ist, als würde man in einem hölzernen Raumschiff abheben. So, als würde man einen Breadwood Baum nehmen und diesen in ein Raumschiff, gefüllt mit Tieren, Philosophen und Whiskytrinkern umwandeln. Ja, das klingt gut. Das würde mir gefallen. Doch auf die Gefahr hin, vielleicht niemals mehr zurückzukehren!". Und während er dies mit einem Lächeln um die Lippen hin beschreibt, scheint es ganz so, als habe er die richtige Harmonie an Beschreibung für die Musik der Barr Brothers gefunden!
(Foto: John Londono)
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