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Mit “Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen” wurde Béatrice Dalle Mitte der Achtziger Jahre zum Inbegriff der erotischen Diva des französischen Kino, die auch von Kultregisseuren wie Jim Jarmush (“Night on Earth”) und Bands wie A-Ha (“Move to Memphis”) umschwärmt wurde. Der ganz große Durchbruch blieb Dalle allerdings, anders als etwa Sophie Marceau, immer versagt. Schlagzeilen machte sie in den vergangenen Jahren eher durch private Eskapaden (etwa ihre Ehen mit dem Rapper Joey Starr oder einem Häftling, den sie bei wohltätiger Arbeit im Gefängnis kennen gelernt hatte ) als durch ihre Filme, die es vor allem jenseits Frankreichs selten ins Kino schafften. Auch ihr neuer Film “Inside”, in dem sie eine Psychopathin spielt, die in das Haus einer Hochschwangeren eindringt, ist bei uns gerade als DVD-Premiere erschienen. Wir trafen die Frau mit der sexy Zahnlücke und dem dreckigen Lachen aus diesem Anlass zum Interview.
“Inside” ist ein unglaublich blutiger Film. Ging es beim Dreh entsprechend düster zu?
Oh Gott, nein. Ich habe selten so viel gelacht wie bei diesen Dreharbeiten. Es ist nun einmal ziemlich komisch, wenn man den ganzen Tag im Kunstblut planscht! Mein künstliches Gebiss hat nach Drehschluss immer die Runde gemacht, weil alle es so lustig fanden…
Sie hatten immer schon einen Hang zum extremen Kino. Was reizt Sie daran?
Eigentlich habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht oder mich irgendwie bewusst für diese Richtung entschieden. Wenn Regisseure mir eine Rolle anbieten und ich menschlich gut mit ihnen klar komme, dann sage ich zu. Die Rolle oder gar das Genre des Films ist dabei aber absolut zweitrangig gegenüber dem Zwischenmenschlichen.
Hat es Sie dabei jemals nach Hollywood gezogen?
Nein, nie, obwohl ich durchaus verschiedene und nicht einmal uninteressante Angebote bekommen habe. Aber ich bin kein Fan des amerikanischen Kinos, anders als übrigens vom britischen. Vor allem macht mir aber die Sprache Schwierigkeiten, denn mein Englisch ist nicht perfekt und ich fühle mich in der Sprache nicht wohl genug, um wirklich darin arbeiten zu können. Um Emotionen glaubhaft spielen zu können, sollte man schließlich unbedingt mit den Dialogen und Worten vertraut sein. Trotzdem muss ich sagen, bereue ich meine Entscheidung, damals dem Regisseur Peter Greenaway für “8 1/2 Frauen” abgesagt zu haben.
Die Thematik von “Inside” ist nicht nur, aber doch gerade für Frauen sicher ziemlich heftig. Ging Ihnen die Geschichte beim Lesen des Drehbuchs besonders nahe?
Nein, überhaupt nicht. Das mag aber auch daran liegen, dass mir Kinder und Familie nichts bedeuten. Beim Drehen fiel es mir deswegen richtig schwer, den künstlichen Schwangerschaftsbauch zu tragen. Mir war das fast unangenehm! Muttergefühle sind mir scheinbar einfach fremd, zumindest diese innere biologische Uhr. Allerdings habe ich schon mal darüber nachgedacht, ein Kind zu adoptieren – denn mein Mann und ich haben ohnehin eher eine Patchwork-Familie, mit lauter Freunden. Blutsbande sind eben nicht alles!
Zwei Frauen in den Hauptrollen eines Horrorfilms, das sieht man nicht alle Tage…
Genau, das ist ja gerade das Tolle an “Inside”! Ich glaube, wir Frauen sind eigentlich genau das Richtige für einen Film wie diesen. Männer sind einfach Weicheier – das habe ich zumindest bei den Dreharbeiten wieder festgestellt. Alle Jungs jammerten ständig und hatten Angst, sie könnten sich vielleicht irgendwie verletzten. Alysson und ich dagegen waren richtig hart im Nehmen. Außerdem ist das ja nur ein Film, was soll da schon passieren?!
Slasher-Filme wie dieser sind ja nicht unumstritten. Glauben Sie, dass Horror einen schlechten Einfluss gerade auf jüngere Zuschauer hat?
Ach, Blödsinn. Sicher gibt es manchmal ein paar Durchgeknallte, die sich auch durchs Kino inspirieren lassen. Aber das ist doch die Ausnahme! Menschen sind nun einmal zu den schlimmsten Dingen fähig, auch ohne dass sie das vorher auf der Leinwand sehen. In Afrika bringen sich täglich tausende Menschen gegenseitig um. Meinen Sie, die haben alle vorher Filme über Bürgerkriege geguckt?
Was macht denn den Unterschied aus zwischen einem guten und einem schlechten Horrorfilm?
Man muss als Zuschauer glauben, was man sieht. Ich liebe zum Beispiel das Siebziger Jahre-Original vom “Texas Chainsaw Massacre”, denn was da passiert, wirkt einfach unglaublich echt. Wenn die Geschichte nur wie eine Show wirkt, dann wird so etwas schnell zum Trash. Aber das kann natürlich auch sehr unterhaltsam sein…
Sie haben schon oft mit Debütregisseuren gearbeitet. Ist das besonders spannend?
Es steckt natürlich kein Kalkül dahinter, wenn ich mit jungen Filmemachern zusammenarbeite. Das hat sich, wie bei “Inside” einfach oft ergeben – vielleicht, weil gerade Anfänger den Mut haben, mich zu besetzen. Aber tatsächlich macht es mir viel Spaß, wenn ich Debütregisseure bei ihrem ersten Film unterstützen kann. Bei deren Dreharbeiten ist nämlich tatsächlich eine ganz spezielle Energie zu spüren: alles sind furchtbar aufgeregt und ehrgeizig. Jedes Detail ist für sie noch von größter Bedeutung, wo die alten Hasen vielleicht schon routiniert und abgebrüht sind. Ich habe jedenfalls schon manchen Regisseur bei der Arbeit zu seinem ersten Film Heulen sehen, so sehr stehen die unter Strom.
Schließen Sie beim Drehen Freundschaften mit Kollegen und Regisseuren?
Ja, ständig. Das heißt dann nicht zwangsläufig, dass ich immer zu mit diesen Menschen meine Freizeit verbringe oder wir ständig am Telefon hingen, aber ich entwickle sehr oft ganz enge Bande zu den Leuten mit denen ich arbeite. Mit der Regisseurin Claire Denis habe ich deswegen schon drei Filme gedreht. Sie hat mir dann auch Vincent Gallo vorgestellt, mit dem ich “Trouble Every Day” gedreht habe und längst auch gut befreundet bin. Wow, was für ein toller Typ! Ich hätte nichts dagegen, mal in einem seiner eigenen Filme mitzuspielen.
Interview: Patrick Heidmann
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