Die fetten Jahre sind vorbei, der Sound ist überarbeitet, House ist kein House aber House und Ben Westbeech ein sympathischer Künstlerkopf, der seit kurzem einen neuen Langspieler in den Läden hat. Wir haben uns Mr. Westbeech mal näher angesehen.
Ben Westbeech stammt aus dem Musikhochofen Bristol (unter anderem Massive Attack oder Portishead), sang bereits mit Größen wie Björk und Paul McCartney und hat eine musikalische Spannweite, die von Jazz über Drum’n’Bass bis House und Soul reicht. Er ließ nun vier Jahre mit einem neuen Album auf sich warten und präsentiert nun mit “There’s More To Life Than This” seinen zweiten Langspieler, der alles andere als eine Enttäuschung ist. Trotz der Zusammenarbeit mit scheinbar viel zu vielen Produzenten, welche sich über den gesamten Globus verteilt haben, ist es dem ausgebildeten Sänger gelungen, ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk zu schaffen, was beim aufmerksamen Hörern jedes Gefühl zwischen Trauer und Tanzwut hervorruft. Überraschend frisch kommt die Platte daher, jedoch nie überrumpelnd oder verwirrend und so wird man bei jedem Track von Produzenten wie Henrik Schwarz an die Hand genommen und von einer Emotion in die nächste getragen.
Wir haben Ben Westbeech in Berlin getroffen und ihn zu seinem neuen Album befragt. Warum die Arbeiten daran so viel Zeit in Anspruch nahmen, welchen Einfluss dabei die Hauptstadt auf ihn hatte und was Kurt Cobain dazu beisteuern konnte, verriet er im motor.de-Interview.
motor.de: Herzlichen Glückwunsch Ben, dein neues Album “There’s More To Life Than This” steht nun endlich in den Läden. Ich nehme an, du bist zufrieden.
Ben Westbeech: Oh ja, es fühlt sich sehr gut an und ich freue mich, dass es nun draußen ist. Acht Monate habe ich daran gearbeitet und mich in der Zeit wirklich einzig und allein mit der Platte beschäftigt. Da ist es großartig, wenn sie endlich im Regal steht. Schließlich hat es mich das ganze Jahr in Beschlag genommen und auch eine Weile gedauert, es endlich raus zu bringen. Ich freue mich schon auf die Live-Shows und die Reaktionen der Leute. Das erste Feedback ist jedenfalls vielversprechend.
motor.de: “There Is More To Life Than This” – was steckt hinter diesem Titel? Bist du unzufrieden?
Ben: Mein erstes Album hieß “Welcome To The Best Years Of Your Life” und die sind jetzt vorbei (lacht herzhaft) und ich denke, das ist jetzt die Fortsetzung – so eine Art souldurchdrungener Jazz, in den noch eine Portion Disco einfließt. Ich wollte eine Platte machen, die hörbar und tanzbar ist, eine Platte die du zu Hause oder im Auto spielen kannst und die Leute sie gleich mögen. Ich denke, es ist ziemlich wichtig, ein Album zu machen, das die Leute überall hören können. Ich singe über Dinge, die in meinem Leben passieren, über gewisse Leute in meinem Leben, bestimmte Situationen, wo ich bin und in welcher Stadt. Überall auf der Welt habe ich die Platte mit verschiedenen Produzenten aufgenommen. Da ist ein ganzer Berg von Eindrücken im Album, und alles nur zusammengehalten durch meine Stimme und mein Songwriting.
Ben Westbeech – “There Is More To Life Than This” (Album Preview)
motor.de: Du warst wirklich sehr umtriebig, die Liste der einzelnen Produzenten liest sich wie ein Festival Line Up. Auffällig ist aber der Name Berlin, er fällt ziemlich oft. Was für einen Draht hast du zur Hauptstadt?
Ben: Ein großer Teil ist hier in Berlin entstanden. Ich finde es schön, wieder hierher zurück zu kommen und alle Leute zu treffen, die mit mir gearbeitet haben. Es macht natürlich auch Spaß wieder hier zu spielen, denn Berlin ist eindeutig ein großer Teil dieser Platte. Ich liebe den Sound von Berlin, denn House Music und Techno haben einen sehr guten Ruf hier. Die Musik hat eine tiefe Geschichte und ich mag es sehr, mir in den Clubs der Stadt die DJs anzusehen. Ich habe einige sehr gute Freunde hier, wie Alex Barck von Jazzanova. Ich kenne ihn schon einige Jahre und es macht Spaß mit ihm rumzuhängen. Wir legen überall auf der Welt auf und da ist es nett in seine Heimat zu kommen und seine Familie zu sehen.
motor.de: Du hast mit sehr vielen Instrumenten gearbeitet, live eingespielte Gitarren und Bässe und viele organische Schlagzeug-Sounds. Wie hast du das aufgenommen, wo du doch ein Solokünstler bist?
Ben: Eine große Rolle spielte dabei das Internet, die Platte wurde weltweit produziert, das hat sehr geholfen. Es macht die Arbeit mit Menschen, die weit auseinander sind, sehr viel einfacher. In meinem Studio in London habe ich zum Beispiel das Cello eingespielt. Dort nehme ich viele Sachen auf und produziere sie auch gleich. Für das Album war sehr viel Logistik nötig, weil alles nur ein großer Mischmasch war. Sehr viele Telefonate, Mails und so weiter. Wegen dieser Vorraussetzung war es ein sehr schwieriger Arbeitsprozess. Ich habe aber auch viel von den anderen Produzenten gelernt.
motor.de: Gibt es bei dir denn ein festes Bandgefüge?
Ben: Ja, ich habe eine Band, mit der ich schon seit Jahren spiele, wenn ich Musiker für eine Session brauche. Ich greife aber auch häufig auf andere Musiker zurück.
Ben Westbeech – “Something For The Weekend”
motor.de: Deine Musik ist stark beeinflusst vom House. Ich denke aber, dein Album ist viel mehr als nur House-Musik.
Ben: (begeistert) Yeah, yeah, yeah – ich denke auch, dass die Inspiration deutlich hörbar ist. Jedoch würde ich es nicht als offensichtlich dröhnende Club-Musik bezeichnen, eher ist es wohl House-begeisterte Musik. Ich wollte eine offensichtliche Ben Westbeech-Platte, die am Strictly Rhythmus hängt. Wir haben versucht sie etwas weniger housig zu machen, wie bei dem Track mit Midland, “Stronger”. Es ist ein echter House-Track, sehr elektronisch, andere wiederum haben Live-Elemente. Wir wollten einfach einen Mix dieser Sounds und trotzdem nicht einfach eine House-Platte machen, weil du dich sofort vom normalen Hörer abschneidest, denn ich will mehr Leute begeistern als nur den reinen Fan von House-Musik. So kommt vielleicht der eine oder andere, der nicht so auf House steht, doch auf den Geschmack.
motor.de: Ein Attribut, das du selbst in Bezug auf deine Songs immer wieder aufführst, ist ‘zeitlos’. Warum ist genau das dir so wichtig?
Ben: Zeitlos zu sagen, das heißt, dass die Leute auch noch in Jahren die Musik anhören. Ich wollte und ich will ein Album machen, das nicht alt wird. Zeitlose Musik zu machen heißt, genau dein Ding durchziehen und vor allem musst du dir gegenüber ehrlich sein. Trends sind dabei ersteinmal völlig zu vernachlässigen.
motor.de: Nach deinem letzten Album hattest du das sehr unschöne Gefühl, deine Tracks wären eher nach dem Prinzip “Superstar-Produzent featuring Ben Westbeech” aufgezogen. In wiefern hast du das Konzept deiner Arbeit jetzt überarbeitet?
Ben: Als wir mit der Platte begannen, wurde schnell offensichtlich, dass es nicht wie ein Album klingen wird, weil die Produzenten so weit auseinander waren. Darum musste ich mich mehr einbringen. Deshalb bin ich um die ganze Welt gereist, was sehr anstrengend war. Als ich dann am Ende alle Tracks hatte, habe ich diese allein mit einer außenstehenden Person abgemischt. Darum klingt es jetzt auch alles einheitlich. Es war alles andere als eine leichte Sache, es nach einem echten Ben Westbeech klingen zu lassen, wenn du mit acht verschiedenen Produzenten arbeitest.
motor.de: Meinst du, den speziellen Ben Westbeech-Sound gefunden zu haben?
Ben: (lacht) Ich denke, ein Ben Westbeech-Album hat auch meinen typischen Sound. Ich mache sehr viel verschiedene Musik unter verschiedenen Namen, aber das ist der Sound auf den ich hinarbeite.
Ben Westbeach – “Inflections” (feat. Henrik Schwarz)
motor.de: Du funktionierst gemeinsam mit handgemachter Musik sehr gut. Mein Highlight der Platte ist der Titel “Inflections” mit Henrik Schwarz. Kannst du dir vorstellen mehr mit Live-Musik und Bands zu arbeiten?
Ben: Witzigerweise habe ich, bevor ich mit meiner Platte begann, drei Jahre an einem Band-Album gearbeitet. Es ist ein Riesenprojekt mit Orchestern, Chören und einer Menge Live-Instrumenten, wie Gitarren und Klavieren. Ich habe daran gearbeitet, bevor Strictly [Strictly Rhythm, das Label von Ben Westbeech, Anm. d. Red.] kam und mich fragte, ob ich nicht eine Platte für sie machen will. Das Live-Projekt ist aber immer noch am laufen und wird wohl in sieben Jahren fertig (lacht). Also ja, ich mache auch noch andere Musik.
motor.de: Die Liste deiner Einflüsse, die du angibst, ist sehr lang und liest sich extrem vielseitig – Kurt Cobain steht genau neben Tracy Chapman. Spannend! Wieviel Cobain steckt denn heute noch in Ben Westbeech? Gibt es da vielleicht noch unerfüllte Wünsche?
Ben: In einem anderen Projekt habe ich sehr viele Nirvana-Einflüsse, besonders bei den Harmonien. Es ist vielleicht eher Grohl als Cobain, aber Cobains Stimme ist sehr beeinflussend. Ich habe auch ein großes Interesse am Seattle-Sound. Ich liebe Butch Vig als Produzent und die Sachen, die er mit den Smashing Pumpkins, Nirvana und Sonic Youth gemacht hat. Diese Musik war ein Hauptteil meines Lebens und das merkt man auch in anderen Projekten von mir. Obwohl, auf diesem Album kommt es leider nicht so durch (lacht).
motor.de: Du hast mit drei deutschen Produzenten gearbeitet und verbringst eine Menge Zeit in Deutschland. Würdest du nach Berlin ziehen?
Ben: Vielleicht, wenn ich das richtige Mädchen treffe (grinst). Ich könnte es mir aber vorstellen, das wäre für eine Weile schon witzig in Berlin. Ich habe eine Menge Freunde hier. Es ist zum Arbeiten sicher ein guter Zug, aber es treibt mich auch weiter. Ich würde gern wieder mit Henrik Schwarz arbeiten. Seine Sichtweise ist ganz anders als meine, das hat mir wirklich die Augen geöffnet, wie man eine spannende LP macht. Es ist House, aber kein House, verstehst du? Und Jazzanova – mit denen würde ich immer arbeiten. Es gibt in dem Bereich eine Menge guter deutscher Musik.
motor.de: Abschließend: Welches Album hast du dir als letztes gekauft?
Ben: Das war von Tame Impala und ist wirklich gute psychoartige Soft-Core-Musik. Ich liebe das Album, du hörst sehr viel Nirvana in ihren Songs. Zur Zeit interessieren sie mich als Band sehr. Sie sind wirklich wunderbar. Ich liebe ihren ganzen Vibe, verstehst du – dieses Stoned werden, gute Musik hören. Geiles Album, geiles Artwork.
Einleitung: Johannes Gemürr
Interview: Alex Beyer
Übersetzung: Heiko Saul
No Comment