Bereits 11 Jahre ist es her, dass BRMCs gleichnamiges Debütalbum in Europa veröffentlicht wurde. Mit ihren verstörend entrückten Vocals, riesenhaften Soundwalls und verzerrten Licks katapultierten sich die drei Jungs aus San Francisco damit nicht nur in die erste Reihe der musikalischen Helden meiner Jungend, sondern eroberten die Herzen von Fans und Kritikern vor allem in Großbritannien im Sturm.

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Ich erinnere mich, dass es kaum möglich war „Too Real“, „Love Burns“ oder „Awake“ nicht auf einem der vielen Märkte Londons zu hören. Was kaum einer weiß: Viele der hitverdächtigen Nummern des Albums begleiteten die Band bereits 2002 seit einigen Jahren. BRMC hatten in ihrer Heimat mit viel Enthusiasmus und unbedingter Liebe zur Musik lange Zeit vergeblich um Zuhörer gekämpft. Über ihren langen Aufstieg, das Leben als Musiker und Rockstar, seine Liebe zur Musik und psychedelische Experimente spricht Bassist und Sänger Robert Levon Been anlässlich der Veröffentlichung des siebten Studioalbums der Band „The Spector At The Feast“, das am 22. März in die deutschen Plattenläden kam, daher auch total offen, unprätentiös und welterfahren.

Wenn man die Musik einer Band seit Jahren kennt, ist die persönliche Begegnung mit den Künstlern dahinter oft gleichsam eine eigenartige Begegnung mit einem Teil von einem selbst. Es ist interessant, wie stark doch die persönliche Lebenseinstellung eines Künstlers durch sein Schaffen hindurch scheinen kann. So zeigt sich auch „The Spector At The Feast“ als sehr hörenswerte Verfeinerung der musikalischen Erfahrungen von BRMC und Robert Levon Been als aufrichtiger Musiker; ein bisschen Hippie und durch und durch sympathisch.

motor.de: Zu allererst: Herzlichen Glückwunsch zum neuen Album, das ist wirklich toll geworden! Ich wette aber, du hörst diesen Satz andauernd. Denkst du da manchmal nicht in so Standardsituationen: „Oh Gott, das ist ja eine Endlosschleife des Gleichen, ich will einfach nur noch raus?“

Robert: So schlimm ist es nicht. Musik zu machen war ja immer mein Traum. Und letztlich ist wie die Musik die Menschen erreicht genauso wichtig, wie die Musik selbst wichtig ist. Interviews zu geben ist also ein zentraler Teil des Jobs.

motor.de: Was war denn die für dich dümmste Interviewfrage, die dir je gestellt wurde?:

Robert: Hmm. Ich denke, dass es gar keine dummen Fragen gibt. Letztlich hat jede Frage etwas an sich, das einem zum Nachdenken anregt. Es gibt eigentlich nur dumme Antworten.

motor.de: Was war denn der Moment bzw. die Musik, die dich letztlich so berührt hat, dass du selbst angefangen hast Musik zu machen?

Robert: Ich habe sehr viel Musik gehört, als ich jung war. Aber wenn man 14 oder 15 ist, hat man noch gar nicht das Verständnis entwickelt wirklich tief in die Materie einzudringen. Ich habe damals sehr viel von „Ride“ gehört, besonders das Album „Nowhere“. Aber auch „Nirvana“ und „Nine Inch Nails“. Die haben mich am meisten beeindruckt. Das war so als hätte jemand das Licht angemacht. Ich hatte die zwar auch vorher schon wahrgenommen, aber das war irgendwie nicht das Selbe. Aber mit einem Tag hatte sich alles verändert.

motor.de: Als ihr dann mit BRMC angefangen habt, war das ein Versuch wie eure Vorbilder zu klingen, oder habt ihr einfach drauflosgelegt und gejamt?

Robert: Peter (Amn. der Red.: Hayes) und ich sind zusammen aufgewachsen. Wir gingen auf die gleiche Highschool. Wir haben angefangen zusammen Musik zu machen, weil wir es einfach mochten zusammen zu spielen. Wir haben auch nie wirklich über Musik geredet. Aber da ist etwas zwischen uns passiert, wenn wir zusammen spielten, das wir mochten. Wohin das gehen würde, wussten wir noch nicht. Es hat auch ein paar Jahre gedauert, bis wir wieder zusammen spielten. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Peter reiste viel und spielte mit „The Brian Jonestown Massacre“ und auch ich spielte mit einer Band. Aber wir waren beide nicht wirklich glücklich damit. Das waren einfach die Bands von jemand anderem. Nach ein paar Jahren haben wir dann den bewussten Entschluss gefasst, unsere eigene Band zu gründen, um einfach mal zu schauen, wie weit wir damit kommen würden. Daraufhin fingen wir an nach Drummern zu suchen und Nick Jago war ja gewissermaßen aus unserer Nachbarschaft.

motor.de: Ihr seid im Anschluss daran für den Start eurer Bandkarriere extra nach L.A. gezogen. Wir wurdet ihr denn entdeckt und gesigned?

Robert: Wir haben es schon in San Francisco auf eigene Faust versucht und selbst ein Album aufgenommen, mit dem wir dann zu lokalen Plattenläden gegangen sind und Deals ausgehandelt haben. Aber leider hat keiner unsere Musik angehört und es ist auch niemand zu unseren Konzerten gekommen. Das war also auf die ganz harte Tour. Uns ist dann nach einiger Zeit auch das Geld ausgegangen und wir haben die Hoffnung und das Vertrauen in San Francisco verloren. Wir hatten aber schon ein paar Shows in L.A. gespielt, und die waren wirklich cool. Daher haben wir unser Zeug gepackt und sind nach L.A. gezogen, mit der Hoffnung, dass etwas passieren würde. Dort waren auch sehr viel mehr Leute an unserer Musik interessiert und viele von denen hatten irgendwie mit dem Business zu tun. Es geht einfach darum am richtigen Ort zu sein. Niemand aus L.A. fährt extra nach San Francisco um eine unbekannte Band zu hören. Unser Album haben wir den Leuten aus dem Business immer mitgegeben, bis es geklappt hat. Die Hälfte der Songs darauf sind ja später auf unserem Debüt „BRMC“ gelandet, die andere veröffentlichten wir als B-Sides. Dadurch war die Produktion unseres ersten Albums für die Plattenfirma auch recht günstig, was uns sicher auch geholfen hat, einen Deal zu bekommen.

motor.de: Nachdem ihr einen Deal hattet ist eure Karriere ja regelrecht explodiert – zumindest aus europäischer Perspektive!? Jeder wollte plötzlich schon immer ein großer Fan von euch gewesen sein. Ich erinnere mich, dass selbst Jon Bon Jovi in einem Interview im Jahr 2002 euch als eine seiner Lieblingsbands genannt hat. Da muss doch auch ein extremer Erfolgsdruck von der Plattenfirma auf euch gelastet haben, als ihr die nächsten Alben aufnahmt?

Robert: Ich wollte einfach Jon Bon Jovi nicht enttäuschen! (Lacht) Nein, im Ernst, das hat mir keine schlaflosen Nächte bereitet. Mit dem Debütalbum hatten wir schließlich Jahre lang gekämpft. Nachdem es 2001 auf Virgin USA rausgekommen war, tourten wir noch ein Jahr durch die USA und keiner hat sich wirklich für uns interessiert. Erst als das Album ein Jahr nach dem US Release in Großbritannien veröffentlich hat sich das für uns geändert und die Musikpresse und die Menschen waren begeistert davon – und wir wurden folglich auch im Rest Europas bekannt. Das war ein jahrelanger Kampf mit vielen Zweifeln bis zum Durchbruch. Da ist das zweite oder dritte Album nicht wirklich ein Problem. Die Hauptsache ist, man hat seinen Fuß in der Tür, bekommt ein Spotlight. Selbst wenn man dann scheitert, hat man doch die Gewissheit, dass irgendjemand die eigene Musik gehört hat. Das ist also gar nicht so schlimm. Das eigentliche Scheitern ist es, jahrelang zu arbeiten und nie zu wissen, ob das was man gemacht hat richtig war, weil es niemand gehört hat. Daher veröffentlichen so viele Bands ihre Musik heute ja digital und kostenlos, um irgendjemanden zu erreichen. Aber das ist auch sehr trügerisch. Mein weiß ja nie, von wem und ob die Musik dann auch gehört wird. Wenn man aber erst mal die Aufmerksamkeit hat, ist man entspannter.

motor.de: Hattest du denn jemals einen „Plan B“, falls etwas schief geht und es nicht klappt mit der Musikkarriere?

Robert: Wenn man Musik macht um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, lernt man sehr schnell, dass man nicht wirklich die Kontrolle über das hat, was Morgen passieren wird. Ich denke auch, dass andere Jobs einem einfach nur die Illusion geben, dass man diese Kontrolle über das Morgen hat. Aber diese Illusion bekommst du nicht, wenn du Musik machst, die Musik erinnert dich immer daran, dass es um die Gegenwart geht. Das ist alles was man hat. Und wenn das irgendwann nicht mehr so weitergeht, wird schon etwas anderes kommen. Aber vielleicht irre ich mich ja.

motor.de: Da ihr nun mal eine erfolgreiche Band seid, habt ihr ja die Chance das Leben eines Rockstars zu leben. Abgesehen von der Musik, was fasziniert dich besonders daran?

Robert: Weißt du, Menschen die uns kennen, wissen, dass wir nicht eine typische Rock’n’Roll Band sind. Wir haben nicht angefangen Musik zu machen wegen „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“. Es ging uns immer um die Musik selbst. Alles andere sind nur schnelle und trügerische Highs. Wie du schon sagtest, es gab einfach irgendwann einen Moment der Inspiration, etwa durch „Ride“. Ich wollte nicht in einer Band sein, weil die all die Mädels abbekommen oder wie überraschend attraktive Drogenabhänge aussehen. Das tolle am Musikerleben ist, dass man immer Musik machen kann, auf Reisen geht, die Welt sieht und interessante Menschen trifft.

motor.de: Es geht also um die Möglichkeit zu experimentieren und einfach zu erleben?

Robert: Ja, um das Leben und die Musik, einfach ein großes Erleben.

motor.de: Was war denn der Moment in deiner Musikerkarriere, der dich am meisten beeindruckt und bewegt hat?

Robert: Hmm, das ist schwer. Zumindest für das zurückliegende Jahr kann ich das klar sagen. Mein vor einigen Jahren verstorbener Vater war jahrelang in einer Band. Ich wusste, dass die anderen Mitglieder diese gerne nochmal gestartet hätten, aber mein Vater war immer dagegen gewesen. Vor einiger Zeit habe ich die verbliebenen Mitglieder der Band angerufen, und ihnen meine Unterstützung angeboten, zu singen und Bass zu spielen, und sie ermutigt, doch wieder zusammen zu spielen. Im April werden wir nun einige Shows zusammen spielen! Das bedeutet mir sehr viel. Ich hoffe, dass sie einen neuen Sänger finden werden und dauerhaft weitermachen können.

motor.de: Um nochmal auf Experimentieren und Musik zurückzukommen: Gehst du manchmal auch zu klassischen Konzerten oder in Techno Clubs, um neue Eindrücke für deine eigene Musik zu sammeln?

Robert: Wow. Ich habe gerade erst ein Buch über „New Order“ gelesen. Die waren im Studio um ein neues Album aufzunehmen und sind dann mit einem ersten Mix von „Blue Monday“ in einen nahen Club gegangen, um den Song dem DJ zum Abspielen zu geben. Je nach den Reaktionen des Publikums haben sie dann den Song neu gemischt. Das fand ich sehr interessant. Ich denke auch, dass Rihanna und ähnliche Künstler heute sowas machen, aber für uns geht es eher um die Liveperformance, die man nicht so einfach auf Band übersetzen kann. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen Hip Hop Künstlern, „New Order“ und uns. Es geht für uns um ein physisches Erleben im Spielen, mit den Händen und Instrumenten und wie die Leute darauf reagieren.

motor.de: Ist das dann auch einer der wichtigsten Punkte für euch, wenn ihr ein neues Album schreibt, wie die Musik live funktionieren wird?

Robert: Das ist nur ein Aspekt. Unser zweites Album „Take Them On, On Your Own“ haben wir sehr ähnlich einer Liveperformance aufgenommen und ich denke nicht, dass uns damit ein sehr kraftvolles Album gelungen ist. Dieser Fokus auf die Livemusik hat dem Album nicht gut getan. Ein Album muss zwischen sehr unterschiedlichen Situationen pendeln können: Ob Leute im Auto fahren, oder auf dem Teppich zuhause liegen um die Musik zu hören, oder gerade miteinander rummachen. (Lacht) Bei unserem neuen Album haben wir sehr viel über solche Situationen nachgedacht. Wir wollten dem Album eine gewisse Tiefe geben. Wir haben jeden Song aus sehr vielen Schichten aufgebaut um den Hörern Raum für Vorstellungen zu geben. Live wird das Album sein Wesen vielleicht etwas ändern. Es ist keine einfache Aufgabe, zwischen diesen zwei grundlegen Situationen eine Balance zu finden.

motor.de: Hast du denn auch so eine Art „guilty pleasure“ Album, das du sehr magst, von dem aber besser niemand weiß? – Natürlich wirst du mir das aber jetzt trotzdem verraten.

Robert: Es gibt viele sehr gute Popsongs. Denen wird sozusagen von der Produktion her ein bestimmtes Kleid angezogen, ein bestimmter Sound gegeben. Viele Musik ist so, von Madonna, Michael Jackson usw. Wenn du deren Songs mit anderen Instrumenten neu aufnimmst, die wesentlichen Elemente aber gleich lässt, sozusagen nur eine andere Creme auf den Kuchen schmierst, dann merkt man was für eine tolle Basis diese Songs haben. Man kann jeden Song so etwa in einen verzerrten Rock Song umgestalten. Man darf ein Buch nicht nur nach seinem Einband bewerten.

motor.de: Wenn du die Wahl hättest, mit welchem bekannten Star würdest du eine große Stadion Tour spielen?

Robert: Tom Waits. Mit ihm würde ich gerne ein akustisches Set spielen. Ich hab ihn mal getroffen und er ist wirklich ein großartiger Typ. Ich glaube, das wäre sicher eine sehr bereichernde Erfahrung.

motor.de: Zum Abschluss noch eine ganz andere Frage – Inwiefern spielen Drogen für dich eine Rolle und was war das beste Drogenerlebnis, das du hattest?

Robert: Mein bestes Drogenerlebnis war mit Pilzen. Soweit hat mich eine Drogenerfahrung noch nicht getragen. Das war draußen in der Natur. Manchmal hat man das Glück eine echt bereichernde, lebensverändernde Erfahrung bei sowas zu machen. Das ist etwas, das man nicht in Worte fassen kann. Man merkt einfach, wie unwichtig die alltäglichen Konflikte sind, und dass wir alle auf einer tieferen Ebene zusammengehören. Aber ich würde psychedelische Erfahrungen und Substanzen nicht als Drogen bezeichnen. Drogen sind eher Zeug, das man verschrieben bekommt, Opiate und Schmerzmittel, oder sowas wie Heroin, einfach Zeug, das einem nur einen schnellen Höhepunkt besorgt und einem ein gutes Gefühl gibt, die Illusion, dass alles gut sei, obwohl nichts gut ist. Solange bis man nicht mehr man selbst ist. Eine psychedelische Erfahrung kann für einen Musiker und Songwriter aber eine Inspiration sein, einfach deshalb, weil man die Welt aus einer anderen Perspektive gesehen hat. Das Problem dabei ist aber, wie bei jeder Droge, dass man nach dem ersten Mal, egal wie stark man es versucht, nicht mehr die gleiche einschneidende Erfahrung machen kann. Man kann da nicht unendlich viel Inspiration rausholen. Nur für ein paar wenige Songs, wenn überhaupt. Drogen können einem zwar einen neuen Blick auf die Welt eröffnen, aber sie sind eben nur die Türe und nicht die Welt selbst.

Sven Schuhmann