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Am Abend des 7. Oktober bläst es einem vor der Tür des Dresdner Beatpol fast die Zigarette aus der Hand – der Herbst zeigt sein unfreundliches Gesicht. Wahrscheinlich der erste Tag des Jahres, an dem man sich an der Bar womöglich über ein handwarmes Getränk gefreut hätte. Das Grübeln über Wetterbeschwerden und das gefühlt fast tiefgefrorene Bier sollten jedoch nicht lange anhalten.
XRfarflight ist ein Projekt aus Hamburg, das es der motor.de-Redaktion schon seit einiger Zeit angetan hat. Die gesamte Tour haben Blackmail sie ins Vorprgramm eingeladen und teilen sich mit ihnen den Bus. Das Trio präsentiert sich an diesem Abend selbstbewusst, jedoch überaus bodenständig und sympathisch. Ihre Show glänzt mit facettenreichem Gesang, Instrumentenwechsel, einem hochmotivierten und unverschämt tight groovenden Schlagzeuger sowie äußerst experimentierfreudigen Songs, die es dem Publkum zwar nicht immer leicht machen, es dafür jedoch angenehm fordern. So verfliegt die Skepsis im Laufe ihres angenehm abwechslungsreich gestalteten Sets zwar nicht vollends, aber es finden sich eine Reihe von aufmerksamen Zuhörern, die das Treiben der Band zu schätzen wissen und sich sogar zu kleinen Tanzeinlagen hinreißen lassen. Ein gelungener Einstieg.
Nach einer guten halben Stunde verabschieden sich XRfarflight artig dankend von einem dann am Ende doch sehr angenehm überraschten Publikum und räumen die Bühne für eine wieder genesene Band Blackmail, die noch einen Tag zuvor mit gemeinen Magenproblemen zu kämpfen hatte. Doch nun zum Glück schmeckt “dem Carlos die Jacki-Cola wieder”, wie sie kurz vorher mitteilten.
Wie schon von den letzten Shows gewohnt, starten Blackmail mit “Santa Rosalia”, dem epischen Brett von ihrem aktuellen Album “Anima Now!“. Der Titel klärt gleich zu Beginn die Verhältnisse und entpuppt sich als perfekter Einstieg. Die gut 300 Gäste im Beatpol rücken dichter an die Bühne heran, die Stimmung ist angenehm, der Sound erstaunlich klar und differenziert. Es folgt ein nahtloser Übergang zu “Resonant Wave”, dem Opener der neuen Platte. Es ist schon wahrlich gemein, beim ersten Song in der höchsten Stimmlage des Abends singen zu müssen, doch Mathias Reetz hält sich wacker und krallt sich an seiner Gitarre fest. Wenn die Stimme auch etwas wackelt, so verfliegt die Distanz doch recht schnell. Reetz ist deutlich lockerer als auf den vergangenen Shows, die Anspannung scheint sich gelegt zu haben. Das gibt der Band eine sehr positive Ausstrahlung, auch die Interaktion auf der Bühne wirkt vertrauter.
Es folgt die erste Überraschung: Mit “Evon” kredenzen Blackmail einen Song ihrer gefeierten “Friend Or Foe”-Platte, die bei vielen Fans bis heute als eine der besten im Kurs steht. Überhaupt ist das Set dieses Mal viel besser durchmischt. Blackmail spielen keine Show für ein Album, sondern greifen auf ihren gesamten Backkatalog zurück. Das weiß das Publikum zu schätzen. Es folgt eine Reihe von Klassikern: “Moonpigs”, “The Mentalist” und “Away With The Fairies”, die allesamt überzeugend wirken, ordentlich drücken und sich vor allem großer Spielfreude aller Beteiligten erfreuen.
Der Abstand zur Bühne hat sich schnell aufgelöst. Dankbar über die gelungene Mischung des Sets, hat sich das Publikum mittlerweile zu einer stetig im Takt wippenden Masse zusammengeschoben, die von links nach rechts wankt. Ein schönes Bild gibt auch Kurt Ebelhäuser ab, der an diesem Abend erstaunlich wenig daneben greift und seine Saiten routiniert und kompromisslos penetriert. Ihm und auch seinen Bandkollegen ist die Freude über den Zuspruch und die motivierten Zuhörer anzusehen. Das wird belohnt. Bisher sehr rar im Set und kaum mit neuem Sänger gespielt, ist der Titel “It Could Be Yours”, ein sehr treibender Song, der auch den letzten im vorderen Publikumsmob erfasst. Kurt präsentiert zudem einen standesgemäßen Abgang:
Nach zwölf Songs ist das erste Set vorbei. Natürlich gibt es eine Zugabe. Mit dem ruhigen, im Vergleich zum Rest der Songs fast balladesk wirkenden “Night School” läuten sie die letzte Runde ein. Im Anschluss kredenzen Blackmail noch einen in letzter Zeit ebenfalls sehr rar gewordenen Song: “Same Sane”. Danach ist auch für den letzten Freund der früheren Stunden der Abend perfekt. Es folgt das mittlerweile obligatorisch als letzten Programmpunkt gespielte und genüsslich in die Länge gezogene Brett “Friend” und der Bogen zum Intro. Danach ist Schluss. Es war ein schöner Abend.
Mittlerweile gingen schon drei Touren zum aktuellen Album ins Land – die Kellertour “Basement Heaven” Ende letzten Jahres, die erste kleinere Clubtour im Mai und die Festivalsaison. Blackmail hatten einiges zu verkraften und standen nach dem Split von ihrem alten Sänger Aydo Abay besonders vor den hartgesottenen Fans nicht gerade im besten Licht. Die Skepsis gegenüber der neuen Stimme Mathias Reetz war und ist groß und durchaus berechtigt. Doch jetzt lässt sich nach drei Anläufen feststellen: Es sitzt endlich wieder, die Bühnenpräsenz ist zurück und Blackmail schlagen wieder in ihre alte Kerbe.
Sie sind genesen, zu einer neuen Einheit herangewachsen und können nun mit ihrem neuen Sänger auch endlich die letzten Skeptiker überzeugen, die ihnen eine Chance geben wollten. Alle anderen haben sich eh schon verabschiedet. Außerdem sollte man ab sofort das “neue Sänger” streichen. Es nervt langsam. Kleine Fehler oder Unsauberkeiten bei den Riffs gehören ja seit jeher zum guten Ton, da muss man jetzt auch nicht mehr mit dem Mäkeln anfangen. Wichtig ist das Gefühl, was da von der Bühne herunter schwappt. Und das fühlt sich jetzt wieder nach der Band an, die man einst für großartige Studioalben und Songs wie “Friend”, “The Mentalist”, “Same Sane”, “Away With The Fairies” und noch viele mehr schätzte. Es besteht Hoffnung, diese Band ist noch lange nicht tot. Solange Kurt hustet, lebt er noch. Da tun auch stangenweise Zigaretten und die ein oder andere Stiege Whisky keinen Abbruch. In diesem Sinne: Weitermachen!
Text: Alex Beyer
Fotos: Susanne Hasse
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