Blackmail funktionieren auch ohne Aydo Abay. Sehr gut sogar. Im Interview sprechen sie über die neue Platte und die Tour mit ihrem Frontmann Mathias Reez.
Es war ein Schock, als Sänger Aydo Abay Ende 2008 plötzlich seine Band Blackmail verließ. Auflösungsängste und „It will never be the same again“-Rufe aus Fankreisen – aber es geht weiter. Nach längerer Bühnenabstinenz betraten Blackmail zu vier Terminen nun wieder die Bühnen kleiner Kellerklubs, die sie bewusst auswählten um ihr neues Material vorstellen. Mit dabei: Ihr neuer Sänger Mathias Reez. Im motor.de-Interview sprachen Mario Matthias und Carlos Ebelhäuser nur in den höchsten Tönen vom Nachfolger ihres langjährigen Frontmannes. Kontakt zu Aydo Abay? Den haben sie nicht mehr. Und überhaupt: Alles Negative sei verschwunden, die Aufnahmen zum neuen Album liefen perfekt und alle sind glücklich. Wir trafen Blackmail nach dem letzen Gig ihrer “Basement Heaven Tour” in Berlin.
motor.de: Wie war das Feedback auf die “neuen” Blackmail beim Touren?
Mario: Dafür, dass wir zu 70% neue Songs spielten und dann noch mit neuem Sänger, ist die Tour verdammt gut gelaufen. Es gibt immer Leute, die skeptisch sind, aber spätestens nach der Hälfte hatten wir die auch.
Carlos: Bandintern haben wir momentan ein absolutes Hoch. Trotzdem stellten wir uns darauf ein, dass die Leute erst einmal verhaltener reagieren. Keiner kennt Mathias, keiner kennt die Songs bisher und trotzdem war das gute Feedback sofort da. Mathias wurde vom Publikum sehr gut akkreditiert. Er macht einen guten Job und wir sind total glücklich mit ihm.
Mario: Das alte Kapitel ist abgeschlossen und wir möchten mit Respekt vorgehen – deshalb machen wir erst einmal eine kleine Kellertour. Wir fühlen uns an die Anfänge von Blackmail erinnert: So eine Tour mit kleinen Venues haben wir auch schon vor fünf oder sechs Jahren gemacht. Für die Die-Hard-Fans ist des einfach schöner, wenn wir sie im intimen Rahmen mitnehmen. Das ist besser als so Friss-oder-stirb-mäßig direkt von der großen Bühne aus.
motor.de: Die Stimme von Blackmail ist nun ziemlich anders.
Carlos: Mathias hat eine artverwandte Stimme. Er ist ja auch kein Aydo-Ersatz.
Mario: Es ging nicht darum auf Teufel komm raus, einen Ersatz zu liefern, sondern ein neues Kapitel aufzuschlagen. Wir dachten eigentlich, dass Kurt nach dem Split seinen Projekten nachgeht und die nächste Superband bringt. Er war es jedoch, der uns überzeugt hat, dass es weiter geht und meinte, hört euch das mal an. Nach den ersten Proben und den ersten aufgenommenen Songs waren wir überrascht und erleichtert, wie gut das funktioniert mit Mathias. Die Platte war dann unglaublich schnell im Kasten. Innerhalb von vier bis sechs Wochen wurde sie komplett geschrieben, komponiert, arrangiert, aufgenommen und abgemischt.
Blackmail – Anima Now-Teaser
motor.de: In wie weit hat Mathias eigenen Input in die eigentlich gestandene Band getragen?
Mario: Am Anfang konnte ich mir das nicht vorstellen und ich hätte nie gedacht, dass neben Kurt noch eine weitere Gitarre ihren Platz findet. Die beiden sind super aufeinander abgestimmt. Mit ihm ist eine völlig neue Facette in die Band hinein gekommen – Mathias ist ein erfahrener, aktiver Songwriter und ein irrsinnig guter Gitarrist.
Carlos: Aydo war nie wirklich ein Musiker. Er war nur der Sänger bei uns und hat das eben live übernommen. Aber das waren auch nur zwei, drei Akkorde um dem Sound etwas Schub zu geben. Mathias aber spielt richtig Gitarre, schreibt selbst Songs und das hört man auch.
motor.de: Wie seid ihr eigentlich auf Mathias gekommen?
Mario: Eigentlich hatten wir mit Blackmail abgeschlossen, aber da kam er uns dazwischen. Im Studio 45 machen wir viele Fremdproduktionen und er war mit seiner Band schon zweimal da. Wir hatten gar nicht gefragt, nur geahnt, dass das funktionieren könnte. Als der Split mit Aydo kam, hatten wir erst einmal die Schnauze voll. Später fragten wir ihn, ob er es sich generell vorstellen könnte, bei Blackmail zu spielen. Wieder ein halbes Jahr später kamen irgendwann die Sessions, die wir dann auch direkt aufnahmen.
motor.de: Den Namen der neuen Platte habt ihr ja schon bekanntgegeben. „Anima“ heißt übersetzt „die Seele/der Atem“ – was steckt dahinter?
Mario: Der Titel „Anima Now“ ist sehr blackmailig. Früher hat man immer ein schlechtes Ende in den Songs vermutet. Das ist jetzt nicht mehr so. Man denkt, es könnte noch gut ausgehen. Alles ist leichter und hoffnungsvoller und es ist mehr Seele drin. Wir fühlen uns als Band auch wieder komplett. Der Titel hat mehrere Bedeutungen für uns.
Carlos: Ich finde, dass die neuen Songs viel positiver sind als früher. Unsere Entwicklung bedingt das: wir haben uns gefangen und einfach weiter gemacht. Kurt und ich haben Familien gegründet und alle sind glücklich. Das alles spiegelt sich in den Songs wider.
Motor.de: Habt ihr schon eine Idee für ein Releasedatum?
Mario: Ich denke im März oder April. Produziert ist es fertig. Wir haben neben Kurt sogar noch einen zweiten Produzenten: Simon aus der Schweiz. Der hatte auch vorher mit seiner eigenen Band bei uns aufgenommen und sich dann als Assistenz von Kurt gemausert. Die Platte ist die erste 50:50-Produktion. Simon hat alle Vokals gemacht. Der ist einfach ein Nerd, der mit seinen 22 Jahren ein unglaublich gutes Gehör hat. Hat gut getan. Das ist selten, dass Kurt mal jemand anderen im Studio ran lässt und ihn respektiert.
Carlos: Simon hat diesmal einfach was gezaubert und Kurt konnte sich auf alles andere konzentrieren. Das ist es ja: Die Platte ist von selbst passiert. 25 Tage und sie war im Kasten. Innerhalb von vier bis sechs Wochen wurde „Anima Now“ komplett geschrieben, komponiert, arrangiert, aufgenommen und abgemischt. Dazu kommt: Wir haben keine Outtakes gemacht, sondern alles verwurstet in der Kürze der Zeit.
Mario: Andere Platten haben manchmal ein dreiviertel Jahr gedauert. Da entsteht viel Abfall. Aber hier trafen wir von Anfang an direkt ins Schwarze.
Carlos: Das hat auch alles was mit Mathias zu tun. Er hat uns einen neuen Schub gegeben und frischen Wind gebracht.
motor.de: Nach dem Abgang von Aydo habt nie gesagt, dass ihr euch auflösen wollt.
Carlos: Nicht offiziell
Mario: Wir dachten das war’s. Aber wir haben so viel Energie in Blackmail gesteckt, 15 Jahre lang. Wir wollten das doch nicht hinschmeißen
Carlos: Wir hatten ja schon vorher die Idee, dass das auch ohne Aydo funktionieren könnte. Wie in einer alten Ehe hatte es ja schon vor dem endgültigen Split gekracht. Aber es ist noch zu viel Energie da, um jetzt einfach hinzuschmeißen, ohne nicht wenigstens zu versuchen weiter zu machen. Solange die Leute uns wollen, machen wir auch weiter.
Interview: Alex Beyer
Text: Julia Kindel
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