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Musik ist eine Charity-Veranstaltung – Blackmarket im Interview

Blackmarket über ihr kommendes Album, Bier und ihre Liebe zu Deutschland.

Aus der Garage in die Schule, durch Amerika und schließlich nach Deutschland – Blackmarket gehen den typischen Weg einer amerikanischen Indie-Band. Schon mit ihrem ersten Album “The Elephant In The Room” touren die drei Jungs aus Arizona durch die Republik, sammeln Freunde und lernen Deutschland lieben.
Jetzt kehren Daryl (Gesang/Gitarre), Mikey (Bass) und Langdon (Drums) gut gelaunt und frohen Mutes mit ihrem neuen Album “St.Vincents Décor” zurück, um alte Erinnerung aufzufrischen. motor.de hat mit ihnen gesprochen:

motor.de: Ihr seid jetzt schon das dritte Mal in Deutschland. Was ist euch von den letzten Malen in Erinnerung geblieben und was erwartet ihr von dieser Tour?

Daryl: Als wir das erste Mal hier spielten, war es für uns sehr aufregend, da wir davor noch nie in Europa waren. Dieses Mal wollen wir den Kontakt zu den hiesigen Fans, die wir auf den ersten Touren kennenlernten, wieder aufgreifen und uns noch mehr vernetzen. Es ist nicht so, wie beim ersten Mal, als wir uns alles erst einmal anschauten und Erfahrung sammelten. Jetzt wissen wir, was uns erwartet und wie das deutsche Publikum tickt. Es ist nämlich schon anders als in Amerika.

motor.de: Was unterscheidet denn das deutsche vom amerikanischen Publikum?

Daryl: Die Deutschen sind einfach offenherziger. Wenn du in Amerika spielst, haben sie meist ihre Arme verschränkt. In Deutschland gehen sie richtig mit und sind voll dabei.

motor.de: Mitte März wird nun euer zweites Album „St. Vincent Décor“ erscheinen. Was ist der Unterschied im Vergleich zu eurem Debüt?

Daryl: Es ist fröhlicher und nicht mehr so zornig. Dieses Mal ist das Ganze insgesamt musikalischer und melodischer.
motor.de: Das Cover eures neuen Albums spiegelt das auch wider?

Mikey: Ich glaube, dass unser erstes Album „The Elephant In The Room“ zu ernst war und deshalb haben wir dieses Mal versucht alles etwas leichter zu nehmen – auch beim Cover.
Daryl: Ja, wir hassten damals alles. Die Musikindustrie und den ganzen Prozess darum herum und so weiter…
Mikey: Wir waren jung und gegen alles. [lacht]
Daryl: Jetzt ist es eher so, dass wir alles ein bisschen lockerer nehmen und mit dem zufrieden sind, was wir machen.

motor.de: Habt ihr denn so schlechte Erfahrungen mit der Musikindustrie gemacht?

Daryl: Nein. Ich würde nicht sagen, dass wir schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wir waren eine Band, die am Anfang nie damit zu tun hatte. Wir sprachen nicht von einer „bösen“ Musikindustrie. Wir probierten es einfach mal aus und dachten, dass wir dann in den Musikhimmel kommen würden, wo uns jeder liebt. [lacht] Doch irgendwann ging es dann nur noch ums Geld und wir dachten uns: „F*** that!“ Es war wie ein plötzliches Erwachen und schlussendlich stellten wir fest, dass alles doch nicht so ist, wie es scheint.
Langdon: Richtig. Es ist nichts Schlimmes passiert, weil wir davor schon Vorkehrungen getroffen hatten, damit so etwas nicht passiert.
Daryl: Genau. Die Musikindustrie baut zurzeit immer kleinere Raster, schrumpft immer weiter. Wir sind deshalb wirklich zufrieden mit dem, was wir jetzt machen – und zwar auf eigene Faust – so, wie wir es wollen.

motor.de: Habt Ihr denn keine Angst vor illegalem File-Sharing und Internetpiraterie?

Langdon: Nein, das passiert. Du kannst das nicht aufhalten.
Daryl: Ich kaufe auch keine CDs mehr und erwarte das deshalb auch von keinem Anderen. Gleichzeitig denke ich mir, dass es einen guten Grund braucht, damit man jemanden finanziell unterstützt. Musik ist mittlerweile wie eine “Charity-Veranstaltung” geworden. Im Grunde kann jeder daheim auf seinem Laptop Musik basteln, die sich fantastisch anhört und die er dann übers Internet verbreitet. Ich denke, dass Musik mittlerweile für Shows da ist. Es läuft vielleicht eher nach dem Motto: “Kauft CDs, dann können wir in eure Stadt kommen, um dort zu spielen![lacht]

motor.de: Euer neues Video zum Song „Tongue Twister Typo“ ist voll animiert und recht ungewöhnlich. Was steckt dahinter?

Daryl: Meinst du jetzt den Song oder das Video?

motor.de: Beides – das hängt doch zusammen, oder?

Daryl: Ja, das tut es irgendwie schon. Ich glaube die Idee kam, als ich zu einem Freund ging, den ich lange nicht gesehen hatte. Er war ein Freak, was das Schreiben anging und es sah irgendwie verrückt aus. Es hatte etwas Ausgeflipptes: Herman schrieb alle fünf Minuten etwas, ohne irgendwas Wichtiges damit zu sagen und ich glaube, wir nahmen das zum Anlass für diesen Song. Davor hatten wir nämlich Angst, nichts mit unseren Songs auszusagen und jetzt wurde uns klar, dass eigentlich gar nichts so wichtig ist, außer dass man eine gute Zeit miteinander verbringt. Das soll auch das Video darstellen.
Langdon: Genau! Alles ist so wichtig, wie du es dir machst!
Daryl: Der Song ist ein großer Rundumschlag. Das Thema zieht sich durch das ganze Album. Das Cover – um nochmal auf Deine Frage vorhin einzugehen – entstand eigentlich durch „Cut and Paste“, es ist wie eine große Collage. Verschiedene unwichtige Sachen auf einem Stück Papier. Alles irgendwie zusammengefügt. Es sagt eigentlich nichts aus, erregt aber trotzdem Aufsehen.  Das neue Album ist also ein bisschen wie „Cut and Paste“. Naja, eigentlich eher, wie ein Foto von “Cut and Paste”. Und dann machte unser Freund dieses Video und es gefiel uns, da es ganz nach diesem Motto ablief. Das ist sozusagen die Vorlage des gesamten Albums.



motor.de: Das neue Album habt Ihr komplett mit Pete Min aufgenommen. Ist das richtig?

Mikey: Ja. Wir nahmen schon zwei Songs des alten Albums „The Elephant In The Room“ mit ihm auf. Diese beiden Songs mochten wir so sehr, dass wir ihn zurückholten, um mit ihm das ganze neue Album aufzunehmen.
Daryl: Er [Pete Min] ist sehr offen und selbst auch sehr musikalisch, kennt jede Tonleiter und schaut, dass auch wirklich nichts aneinander reibt und alles passt. Wir hatten sehr viel Raum, um ein bisschen rumzualbern und mit unseren Instrumenten vieles auszuprobieren, ganz wie wir es wollten.

motor.de: War das derjenige, der auch mit Radiohead und Weezer zusammen arbeitete?

Daryl: Nein, das war ein anderer. Matthew [Ellard] arbeitete schon mit Radiohead und Weezer zusammen, aber ich weiß gar nicht, was aus ihm geworden ist.

motor.de: War es schwierig mit ihm [Matthew Ellard] zu arbeiten?

Daryl: Nein, es war eigentlich eine schöne Zeit mit ihm. Wir bauten damals zwar selbst schon genug Druck auf, so dass wir selbst mit der schlimmsten Person der ganzen Welt zusammen hätten arbeiten können. Aber Matthew war eigentlich ein sehr netter Mensch.
Mikey: Ich glaube ja, dass wir eine andere Philosophie darüber hatten, wie wir aufnehmen wollten. Wir machten einfach, was er sagte, weil er natürlich wusste, was er da macht. Und schlussendlich kam das Album dann raus. Der Produzent mit dem wir die neue Platte aufnahmen, Pete Min, tat das Ganze eher so wie ich dachte, dass es sein sollte.
Daryl:
Naja, ich glaube eher, dass das damit zusammenhing, dass er [Pete Min] einfach noch nicht so große Künstler produzierte wie Matthew. Er war eher der Meinung: “Ja, klar! Eine Platte! Cool! Let’s do it!“ Pete Min erkundete mit uns viel gemeinsam. Es war sehr aufregend mit ihm im Studio Neues zu entdecken, sodass wir uns immer wieder gegenseitig begeisterten.

motor.de: Ich habe gelesen, dass ihr auf dem „Hollywood-Brewfest“ gespielt habt. Wie kam es denn dazu?

Daryl: Wir sind einst nach Los Angeles gefahren, um ein paar Shows zu spielen. Und dann war da halt auch das “Hollywood-Brewfest” und dann spielten wir dort – ganz einfach. Es hat aber jede Menge Spaß gemacht.

motor.de: In Deutschland läuft das ja immer eher traditionell ab. Es spielt auf solchen Bierfesten gern eine Blaskapelle. Ist es in Amerika normal, dass dort Rockbands auftreten?

Langdon: Naja, es ist unterschiedlich. Es gibt schon “Brewfests”, wo Rockbands spielen, aber auch ein paar traditionellere. Es ist unterschiedlich. In L.A. ist es eher moderner. Wenn du aber an der Ostküste bist, in New York oder Connecticut – da sind sie dann eher so wie hier, glaube ich.

motor.de: Morgen geht es nach München, in die Stadt des Bieres – auch ins Hofbräuhaus?

Daryl: Im Hofbräuhaus waren wir noch nicht, aber wir wollen die Hütte mit diesen riesengroßen Biergläsern morgen auf jeden Fall besuchen. [lacht]
Langdon:
Ja, richtig! Deutschland hat doch das Bier erfunden, oder? Deutsches Bier ist zumindest das Beste.
Mikey: Ich kann in Amerika wirklich kein Bier trinken. Da trinke ich lieber Whisky oder Wein.
Langdon: Ich trinke am liebsten hauseigene Biere, kein Mainstream-Bier. Amerikanisches Budweiser zum Beispiel geht nicht runter. Das ist, glaube ich, nicht dazu gemacht, um zu schmecken, sondern nur um damit Geld zu verdienen. [lacht]

Text und Interview: Florian Kroha

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