Sie sind zurück, mit der Lizenz eine Band zu sein und die besten Freunde zugleich: Bloc Party beantworten im motor.de-Interview nicht nur die Fragen zum neuen Album, sondern erklären auch, warum alle dachten es sei aus und vorbei mit ihnen.

(Foto: Frenchkiss Records)

“Wir würden das gerne trennen und schicken dir gleich Gordon und Matt in den Raum – Kele muss für einen TV-Sender ran. Nicht weiter schlimm, oder?”, empfängt einen das Label zum Gesprächstermin mit den wiedervereinten Bloc Party. Die soeben ihr viertes Album eingespielt haben und allen Unkenrufen zum Trotz weiterhin eine Band sind. Kele Okereke soll es derweil nicht sein, doch wer schon einmal ein Interview mit ihm sah, weiß wie lakonisch mundfaul der live stets gut aufgelegte Frontmann im Zweifelsfall sein kann und es ist nicht so, dass seine Mitstreiter nichts zu sagen hätten: Sie waren es schließlich, die den Soloausflug aus sicherer Distanz beobachteten und zugleich beschlossen, den Chef dafür ziehen zu lassen. Fast drei Jahre ist das jetzt her – eine Zeit, in der manche Formation erkennt, dass eine Rückkehr zum Status Quo nichts bringt, Bloc Party allerdings wieder richtig Bock aufeinander bekamen. Ungewöhnlich genug und doch passt es in die verworren letzten Monate rund um die Londoner Formation.

Immerhin schien es längst beschlossene Sache, dass Kele Okereke alleine besser klarkommt: Gerade wenn man das letzte Bloc Party-Album “Intimacy” mit seinem Debüt “Kele” vergleicht, fällt auf, dass innerhalb seiner Combo zuletzt wohl nur noch er die eigenen Visionen umsetzte – wirkten die Songs damals wie eine Fortsetzung dessen, was zu viert liegen gelassen wurde, präsentiert sich “Four” nun von einer ganz anderen Seite: Fast möchte man von einem Return-to-from sprechen, so sehr erinnert der Longplayer an den Erstling “Silent Alarm” – die Gitarren wurden wieder in den Vordergrund geschoben und deutlich steht das Wort “Rock” in dicken Lettern über jeden Song. Vielleicht ganz gut, dass nun die beiden “Handwerker” Bloc Partys vor einem sitzen: Bassist Matt Gordon Moakes und Schlagzeuger Matt Tong erweisen sich als ideale Gesprächspartner.

Im motor.de-Interview erklären sie die Hintergründe zum temporären Split, der keiner war; wie es alles wieder anfing und warum “Four” ein Album ist, dass das Recht für die Band, eine Band sein zu dürfen, minutiös einfordert.

Bloc Party – “Octopus”

motor.de: Also doch keine Trennung für immer und ewig, danke dafür.

Gordon Moakes: (rollt mit den Augen) Ihr Redakteure scheint alle nur eine Zeitung zu lesen, kommt mit spärlichen Infos zu uns und fragt nach deren Wahrheitsgehalt, that’s it. Damit macht man es sich ein bisschen leicht.

motor.de: Inwiefern?

Matt Tong: Wenn ich ausführen darf? (beide nicken sich zu) Was Gordon damit sagen will, dass Kele im allerersten Interview zu seinem Solodebüt meinte, niemand von uns wisse, wann und in welcher Form es mit Bloc Party weitergeht. Du kannst also sagen, dass ein Journalist uns den ganzen Schlamassel eingebrockt hat – der die Aussage so verdrehte, dass wir binnen 48 Stunden nach Erscheinen der Story eine Pressemittelung rausgeben mussten. Die überhaupt nicht nötig war, denn niemals stand die Band zur Frage, eine Pause hatten wir vereinbart.

motor.de: Gut, aber es nicht ein bisschen naiv den Sänger ziehen zu lassen und zu hoffen, niemand fragt, wie es mit Bloc Party weitergeht?

Gordon Moakes: Lustigerweise war Kele derjenige, der sich von der Idee eines Breaks am wenigsten begeistert zeigte und mit Händen und Füßen dagegen wehrte.

Matt Tong: Er saß am Tisch und meinte, dass er nicht mehr wisse, wie das mit der Musik funktionieren soll, so ganz ohne uns. Klappte ja dann doch.

motor.de: Im Zuge seines Debüts “Kele” wurde dann geschrieben, dass dies eine Fortsetzung der letzten Bloc Party-Platte “Intimacy” sei – berechtigte Aussage?

Matt Tong: (schüttelt erneut den Kopf) Nein, überhaupt nicht. Wie kommen die Leute nur auf so was?

motor.de: Vielleicht weil eure Nebenprojekte nichts Elektronisches an sich hatten: Russell stieg bei Ash ein, Gordon gründete Young Legionnaire und du hast eine lupenreine Pop-EP veröffentlicht. Allein Kele ging in Richtung “Intimacy 2.0”, wenn man es so nennen will.

Matt Tong: Okay, aus dieser Sicht habe ich es noch nicht gesehen… (wird unterbrochen)

Gordon Moakes: Man darf nicht vergessen, jeder Song, der im Studio entsteht, spiegelt zu 100 Prozent das wieder, was Bloc Party ausmacht: Eine Band zu sein, die das Recht darauf hat, eine verdammte Band zu sein. Verstehst du? Es ging niemals um irgendwelche Eitelkeiten, sondern alleine darum, dass es wieder Spaß machen muss – kein Job sein darf.

motor.de: Und für den Spaßfaktor habt ihr die Gitarren neu entdeckt?

Matt Tong: Wenn du so willst: Ja! Man traf sich zu einem Abendessen und noch bevor wir darüber sprachen, was Bloc Party 2012 ausmacht, haute Kele auf den Tisch und meinte, er möchte dieses Feeling der Anfangsphase zurückhaben: Unbeschwert aufnehmen, sehen, was es bringt und nichts kalkulieren. “Four” ist deswegen so direkt, weil es absichtlich nicht direkt sein will.

motor.de: War es denn auch die erhoffte Rückkehr zum Spirit der Anfangszeit?

Gordon Moakes: Russell hat da letztens einen schönen Vergleich angebracht: Er meinte, es sei wie mit einem Computerspiel – wenn du das nur zockst, um zu gewinnen, geht der Fun an der Sache verloren. Es sollte dir Spaß machen und nicht allein um den ersten Platz oder das nächste Level gehen.

motor.de: Bei euch sitzen allerdings vier Leute am Controller.

Gordon Moakes: (nickt) Das ist das Tolle an Bloc Party: Du hast eine Idee, einen vagen Entwurf, wie dieser oder jene Track am Ende klingen soll, schleppst ihn ins Studio und er wird aus vier Richtungen zu einem Ergebnis geformt.

motor.de: Gab es einen Initialsong, der “Four” vorausging?

Matt Tong: Für mich auf jeden Fall “Real Talk”. Ein sehr ungewöhnlicher Track, denn es handelt sich um eine Ballade und Kele war sich erst nicht sicher, ob er ihn wirklich drauf haben will.

Gordon Moakes: Dann geschah allerdings das, was ich vorhin meinte: Wir feilten ein bisschen länger daran rum und plötzlich erkannte jeder, was da gerade passiert – es entstand etwas Ungewöhnliches aus einer völlig befreiten Situation heraus. Danach war “Four” quasi absolute Pflicht, wir konnten nicht anders.

motor.de: Wenn das jetzt alles so leicht und unverkrampft ist, dann können die Nebenprojekte ja weiter existieren, oder?

Matt Tong: Das tun sie auch und vielleicht haben sie uns vorher gefehlt.

Gordon Moakes: Was nicht heißen soll, dass wir die Dinge nur gemacht haben, um zu erkennen, was wir an Bloc Party schätzen – es hilft dir einfach, über den Tellerrand zu schauen und eine andere Perspektive einzunehmen.

motor.de: Wirkt fast so, als würde “Four” ganz anders klingen, wenn all das nicht passiert wäre?

Gordon Moakes: (lächelt leicht) Definitiv. Wären wir auseinander gegangen und hätten uns ein Jahr nur zu Hause verschanzt, ich weiß nicht, Bloc Party würde es vielleicht nicht mehr geben.

Marcus Willfroth