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… sind Bloc Party seit es sie gibt, immerhin wäre eine weitere wertkonservative Revisionistenband mindestens eine zu viel für den britischen Musikmarkt. Während sich auf Augenhöhe spielende Bands wie Oasis oder die Kaiser Chiefs der mehr oder weniger liebevollen Pflege des ewig gleichen Stadionrock-Schemas widmen, klingen Bloc Party auf ihrem dritten Album “Intimacy” schon wieder anders.
Blättern wir kurz durch die Akte: Das 2005er Debüt “Silent Alarm” ist das Indie-Rock Manifest der Band, vom NME zum Album des Jahres gewählt und bringt Bloc Party das erste Platin ein. Das 2007 folgende “A Weekend in the City” gerät zur Polit-Platte und gibt mit der hyperelektronischen Folgesingle “Flux” die prinzipielle Marschrichtung für den Status Quo der Band im Jahre 2008 aus.
Auf “Intimacy” präsentieren sich Bloc Party trotz der kurzen Zeitspanne zwischen den beiden Alben runderneuert und trotzdem wiedererkennbar. Die Entwicklung hin zum neuen, computergestützten Sound beschreibt Kele Okereke, Sänger und Gitarrist der Band relativ pragmatisch:
“Schon als wir ‚Banquet’ oder ‚She’s Hearing Voices’ geschrieben haben, wollten wir uns an elektronischer Musik anlehnen, hatten aber im Endeffekt nicht die richtigen Werkzeuge zur Verfügung. Wir kennen uns jetzt besser mit Aufnahmeverfahren und anderen Instrumenten als Gitarren aus und kommen so unserer eigentlichen Idee von Bloc Party näher als vorher. Der Erfolg der Band hilft uns dabei. Sampler und Drumcomputer muss man sich auch erstmal leisten können.”
Ist die Innovation also nur ein ein Mittel, sich andere Bands vom Hals zu halten oder ist der Hang zur Veränderung eine bandinterne Eigenschaft? “Die Weiterentwicklung kommt von uns selbst“, meint Kele. “Das hat sicher auch etwas mit unserem Musikgeschmack zu tun. Ich höre wenig Gitarrenmusik und finde zeitgenössischen R’n’B dafür umso interessanter. Wenn wir es schaffen nur ein Prozent des Reizes einer Missy Elliott-Platte in eine unserer Platten zu quetschen, klingen wir schon nicht mehr wie irgendeine andere Gitarrenband. Es ist so einfach: Ich finde andere Musik spannender, als die aus der Schublade in die meine Band gesteckt wird. Ich selbst teile Musik aber nicht in verschiedene Genres ein, das finden viele Leute sehr seltsam.“
Auch Gordon Moakes, Bassist der Band, sieht die musikalische Evolution des gemeinsamen Bandbabys in den “etwas anderen” Charakteren der Bandmitglieder begründet. “Es ist einfach wie wir sind. Man könnte den Entwicklungsprozess sicher nie so weit treiben, wie wir es tun, wenn nur ein Bandmitglied die Entwicklung wollen würde. Wir sind aber in der glücklichen Lage, dass alle vier sich darum kümmern, nicht zu stagnieren. Alle versuchen sich so weit zu verbessern wie es geht. Wir sind alle bereit uns neuen Herausforderungen zu stellen, deshalb sind wir in der Lage uns weiter zu entwickeln.”
Man geht eben mit der Zeit im Hause Bloc Party. Da scheint es nur logisch, dass sich auch die Basisinformationen zur Veröffentlichung von ‚Intimacy‘ wie ein Merkblatt aus dem Volkshochschul-Computerkurs lesen. Als digitalen Download bietet die Band das Album nämlich bereits seit August an, hat also den unausweichlichen Leak des neuen Materials ins Internet bereits gewinnbringend vorweggenommen. Wenn ‚Intimacy‘ dieser Tage als physischer Tonträger erscheint, ist das als Aufmerksamkeit für Traditionalisten zu verstehen.
Auch die Band selbst brach während der Aufnahmen zu ‚Intimacy‘ mit einigen Gewohnheiten, wie Gordon berichtet. “Traditionell haben wir Songs vor dem Aufnehmen unter uns herumgereicht, diese ganze Demophase haben wir uns diesmal gespart. Es war wichtig sich bei dieser Platte gegenseitig etwas mehr Raum zu lassen. Im Endeffekt war es aber gar nicht so schwer, manchmal nicht im Studio dabei zu sein und die Magie einfach geschehen zu lassen. Im Endeffekt hatte wohl nur Kele eine Ahnung was aus der Platte werden würde, als wir ins Studio gegangen sind.” Kele ergänzt: “Die anderen sind ins Studio gekommen, haben ihre Parts gespielt und dann haben wir eben viel am Computer ausprobiert. Große Diskussionen, wohin es gehen sollte gab es aber nicht.“
Mit dieser modernen Arbeitsteilung in kreativen Berufen reagieren Bloc Party sicher auch auf die neue persönliche Situation der einzelnen Bandmitglieder. Bleiben wir pragmatisch: Die Zeit sich am gesamten kreativen Prozess zu beteiligen, hatte sicher nur Kele, denn seinen drei Kollegen haben sich in diesem Jahr primär im privaten Bereich neue Herausforderungen aufgedrängt. Gitarrist Russell Lissack wird heiraten, Gordon Moakes ist im Sommer Vater geworden und Matt Tong erfüllt eheliche Pflichten bereits seit 2006. Einzig Kele durchlebt während der Vorbereitung zu ‚Intimacy‘ eine private Krise, die sich spürbar in den Texten niederschlägt und dem Album so eine von Bloc Party bisher ungewohnt persönliche Note gibt. “Als ich die Texte geschrieben habe, hatte ich gerade eine ziemlich schmerzvolle Trennung hinter mir. Darum kreisen die Lieder auf ‚Intimacy’ wohl auch alle um dieses Thema. Ich wollte nicht die typische “break-up”-Platte schreiben, trotzdem habe ich noch nie so persönliche Texte geschrieben.“
Es gibt also immer noch Luft nach oben im Hause Bloc Party.
Timo Richard
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