(Foto: Blood Red Shoes)
Die Blood Red Shoes sind nur ein Jahr nach ihrem letzten Album mit einer neuen Platte zurück. Für das Album, das den Bandnamen trägt, packte das Brit-Rock-Duo ihre Sachen und zogen kurzerhand in eine Wohnung in Berlin. Abgeschotet von Freunden, Parties und sonstigen Ablenkungen, entstanden in kürzester Zeit zwölf großartig kompromisslose und von Grund auf selbstproduzierte Songs, die an Intensität kaum zu überbieten sind. Wir trafen die sympathischen Briten in Berlin und sprachen mit ihnen über Perfektion, Kreativität und wie wichtig es ist, einfach das zu tun, worauf man Bock hat.
motor.de: Ihr habt euer neues Album in Berlin aufgenommen. Wie kam es dazu?
Laura: Wir haben die ersten drei Alben alle in England aufgenommen und fanden einfach, dass es mal an der Zeit war für etwas Anderes. Berlin stand da ganz oben auf der Liste, weil es eine aufregende Stadt zu sein schien. Es gibt hier so viel zu tun und zu erleben und das Ganze ist auch noch bezahlbar. Wir fanden eine Wohnung, in der wir Krach machen konnten. Anfangs wollten wir hier nur die Songs schreiben, im Endeffekt haben wir das gesamte Album hier aufgenommen.
motor.de: Habt ihr denn auch ein bisschen Zeit gehabt, um euch in Berlin etwas umzusehen oder wart ihr nur am aufnehmen?
Laura: Wir haben schon versucht uns hauptsächlich auf das Album zu konzentrieren, aber natürlich brauchten wir auch mal eine Pause und sind dann ab und an mal in ein Museum oder eine Ausstellungen.
motor.de: …und habt ihr auch das Berliner-Partyleben erkundet?
Laura: Nur ein wenig. Party können wir auf Tour immer machen. Das hat uns dann gar nicht so gereizt.
Steven: Auf Tour machen wir das echt die ganze Zeit. Irgendwann wird das auch langweilig und dann freut man sich, wenn man einfach mal etwas ruhiger treten kann.
Laura: Nach einiger Zeit auf Tour freue ich mich dann immer sehr auf meine Couch, den Fernseher und selbstgekochtes Essen. (lacht) Aber wir dürfen uns echt nicht aufregen. Wir haben den besten Job der Welt.
motor.de: Ihr habt diese gewisse Rock’n’Roll, Mir-Ist-Alles-Scheiß-Egal-Attitüde. Ist das etwas, das ihr als Band bewusst kreiert und forciert?
Steven: Es stimmt schon, dass uns die meisten Dinge ziemlich egal sind. (lacht) Aber ich weiß schon was du meinst. Ich denke, dass wir im Vergleich zu anderen Bands schon recht locker sind. Wir kümmern uns zum Beispiel nicht so sehr darum, was wir tun, sagen oder wo wir hingehen. Wir wollen nicht alles planen und lassen uns da auch nichts von anderen sagen. Da sind andere Bands sehr viel bedachter und planen jeden Schritt. Mir kommen die manchmal vor wie Politiker, denken immer viel zu viel über alles nach. Uns ist wichtig, dass wir ehrlich sind. Dass das, was wir tun authentisch rüber kommt. In diesem Sinne, ist uns alles egal, ja. Es ist aber nicht so, dass uns unsere Band egal wäre. Da bedarf es hin und wieder auch mal ein wenig Planung und Disziplin. Was das betrifft, sind wir bestimmt etwas mehr Punk Rock, als andere Bands.
motor.de: Aber ihr werdet nicht bestreiten, dass es für eine Band schon wichtig ist, ein Image zu haben…
Steven: Ja auf jeden Fall. Image zählt und ist notwendig. Alles andere zu glauben, wäre dumm. Die Leute da draußen müssen sich ja auch an irgendwas orientieren und fest halten können. Da kommt man nicht drum herum. Aber im Gegenzug denke ich auch, dass es – zumindest was uns betrifft – nicht funktionieren würde, wenn wir versuchen würden, ein bestimmtes Image zu kreieren, das womöglich gar nicht zu uns passt. Das wäre eine Lüge, würde sich für uns seltsam anfühlen und die Leute würden es uns nicht abkaufen. Das muss schon von der Band selber kommen, dann wirkt es auch stimmig und gut. Schau dir die Hives an. Die haben ein total überzeichnetes Image und es ist trotzdem extrem cool und die Leute mögen es.
(Foto: Blood Red Shoes)
motor.de: Das ist das erste Album, das ihr selbst produziert habt. War das besser, härter, einfacher?
Laura: Es war von allem ein bisschen was. Es war insofern einfacher, als wir niemanden hatten, der uns sagte, was wir zu tun haben. Wir konnten einfach machen, was wir wollten. Auf der anderen Seite war es aber auch um einiges härter, weil wir im Grunde nie wussten, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden und ob das, was wir da tun, gut ist.
Steven: Das macht dich auf jeden Fall ein Stück weit paranoider. (lacht)
Laura: Ab und an wäre es schon echt schön gewesen, jemanden da zu haben, der unsre Perspektive zu Recht rückt. Man wird einfach betriebsblind nach einiger Zeit.
Steven: Ich fand es eigentlich nie härter, sondern durchwegs besser, alles selbst zu machen. Das passierte alles sehr natürlich und von ganz alleine. Und wenn mal was nicht gleich geklappt hat, dann hat man was daraus gelernt. Genau das ist, was für uns, oder zumindest für uns Kunst und Kreativität ist. Eine Aneinanderreihung von Fehlern. Und alles, was nicht perfekt ist, ist in meinen Augen erst richtig gut.
motor.de: In einem Interview habt ihr mal gesagt, dass euer letztes Album fast schon zu perfekt war. Denkt ihr, dass Perfektion Kreativität einschränkt?
Laura: Gute Frage. Als wir dieses Album gemacht haben, war einfach alles genau so, wie es sein sollte. Wir haben davon sehr viel gelernt. Das war nichts Negatives. Ganz im Gegenteil. Es machte uns selbstbewusster und führte dazu, dass wir bei diesem Album viel freier waren und wir viel mehr ausprobiert haben.
Steven: Die Sache mit Perfektion ist, dass man im Grunde immer danach strebt, aber sich die Vorstellung, was Perfektion für einen ist, ständig ändert. Zumindest ist das bei uns so. Alles, was wir tun, wird im Endeffekt immer anders, als wir es anfänglich geplant hatten. Ich glaube, dass es für die eigene Kreativität viel schädlicher ist, wenn man zu viel Zeit oder zu viele Möglichkeiten hat. Das ist der Tod der Kreativität. Einschränkungen und Deadlines hingegen sind das Beste, was dir in Bezug auf den kreativen Schaffensprozess passieren kann.
motor.de: Hattet ihr denn eine Deadline für dieses Album?
Steven: In unseren Köpfen schon, ja.
Laura: Wir hätten uns auch ewig Zeit lassen können, aber wir wollten es einfach unbedingt so schnell, wie möglich fertig machen. Als wir dann nach Hause kamen, waren alle ganz überrascht, dass wir schon wieder ein Album fertig haben. (lacht)
Steven: Das war schon etwas verrückt. All unsre Freunde fragten uns, wie unser Trip nach Berlin war und was wir so erlebt haben. Als wir erzählten, dass wir ein neues Album und sieben extra Songs aufgenommen haben, flippten alle total aus. (lacht) Naja, wir wollten es einfach unbedingt machen.
motor.de: Was machte euch denn so sicher, dass ihr in Berlin ein ganzes Album schreiben und aufnehmen werdet?
Steven: Nichts. Wir hätten nie gedacht, dass uns das so leicht von der Hand geht. Aber wir lieben es einfach Risiken einzugehen. Wir stürzten uns einfach in die Arbeit ohne viel darüber nachzudenken. Davon handelt das Album ja auch. Einfach machen, nicht alles zerdenken. Wir wollten nicht enden, wie Kevin Shields (My Bloody Valentine Anm. d. Red.), der zwanzig Jahre für ein Album gebraucht hat. Das macht dich verrückt und zerstört deine Kreativität.
Laura: (Flüstert) Und dann ist es nichtmal so gut. Ich meine ich liebe alles, was er bisher getan hat. Loveless ist das beste Album aller Zeiten, aber da Neue? Ich weiß ja nicht.
Steven: Ja, weil er es einfach zerdacht hat. Das hat nichts mehr mit Kreativität zu tun. Leider.
(Mariella Gittler)
No Comment