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Das dritte Album ist stets das schwerste, behauptet die Popkritik und tatsächlich: Die Blood Red Shoes haben an ihrem neuen Werk “In Time To Voices” ordentlich zu knabbern gehabt – inwiefern, erklärt das Duo im motor.de-Interview.
“Als 2006 alles begann, war es manchmal nicht klar, ob Steven und ich mehr als die Musik miteinander teilen können. Inzwischen weiß ich aber: Selbst wenn es Fußball wäre, wir würden die Sache bis zum Ende durchziehen.” Ein gewisser Pragmatismus lässt sich daran erkennen und ist wahrscheinlich auch angebracht – sinkende CD-Verkäufe treiben Bands wie die Blood Red Shoes heutzutage weit mehr auf die Bretter, die die Welt bedeuten, als dies vor Jahren noch der Fall war – “damals gab es Acts wie Cake, die keine Shows spielten, aber trotzdem Vollzeitmusiker waren. Wenn ich mir das heute vorstelle, dann zeigt dies, wie sehr sich die ganze Branche verändert hat. Du spielst auf einer Tour vor tausenden von Menschen und verkaufst trotzdem nicht genug Alben, um davon leben zu können.“ Das Studio aufgesucht haben die Blood Red Shoes im vergangenen Jahr trotzdem, dafür eine Live-Pause eingelegt und herausgekommen ist “In Time To Voices”. Ihre bislang stimmigste Platte, kombiniert sie sowohl die radiofreundlichen Hooks des Debüts als auch die Homogenität des zweiten Albums – wie es zustande kam und welche Hürden gemeistert wurden, erklären die Blood Red Shoes im motor.de-Interview.
motor.de: Wirft man einen kurzen Blick auf eure bislang absolvierten Shows, fragt man sich schon, ob ihr beiden in den vergangenen Jahren überhaupt einen freien Tag hattet?
Laura-Mary Carter: Es ist so, dass ein Zweijahresrhythmus bei der Veröffentlichungspolitik für dich bedeutet: Du nimmst die Platte auf, was ein halbes Jahr mit allem drum und dran dauert, dann geht es zwei Monate lang in die Interviews, im Anschluss ein Dreiviertjahr auf Tour und on Top kommen die Festivals – weil du neue Fans und Einnahmen brauchst.
motor.de: Habt ihr euch das so vorgestellt, als 2008 “Box Of Secrets” erschien?
Steven Ansell: Du malst dir die Musikbranche in den verschiedensten Farben aus. Als ich noch als Gast auf Konzerte ging, dachte ich immer, dass hinter der Bühne die Post abgeht und ordentlich auf den Putz gehauen wird. Tourst du aber erst mal selbst, merkst du, dass das nicht so läuft und alles in allem mehr Arbeit als Spaß bedeutet. motor.de: Und wie genau teilt sich dies auf?
Laura-Mary Carter: (denkt nach) Die Gigs sind der Spaßfaktor – wenn du auf der Bühne stehst, vergisst du, dass in spätestens zwei Stunden alles abgebaut werden muss, der Tourbus mit dir schlafend drin los rollt und die nächste Stadt wartet. Andererseits kann sich niemand von uns irgendetwas anderes vorstellen und wenn es möglich ist, ziehen wir das Ding auch mit Sechzig noch durch.
Blood Red Shoes – “Cold”
motor.de: Mit „In Time To Voices“ erscheint euer drittes Album und trotzdem habt ihr bereits zwei Hits mit Wiedererkennungswert am Start: Nervt es manchmal “It’s Getting Boring By The Sea” oder “I Wish I Was Someone Better” zum Besten zu geben?
Laura-Mary Carter: Auf Festivals musst du damit punkten, weil die meisten nicht mehr von dir kennen – da gibt es kein geschmäcklerisches Taktieren.
Steven Ansell: Bei unseren eigenen Tourneen vermischen wir diese beiden Tracks meist mitten im Set, sonst ist es zu anbiedernd. Das wäre, als würdest du die ganze Zeit die Pralinen zurückhalten und inzwischen kann ich auch verstehen, dass es für einen Konzertbesucher besser ist, wenn er hin und wieder bekannte Songs präsentiert bekommt.
Laura-Mary Cartner: Früher, gerade beim zweiten Album „Fire Like This“, war es für mich anfänglich so, dass ich dachte: Lasst uns doch mal unsere neuen Songs spielen, okay? Bis mir klar wurde, dass bei jeder Tour das Album, welches davor promotet wurde, das ist, was die Leute kennen.
motor.de: Soll heißen, jetzt fordern alle “Fire Like This”?
Laura-Mary Cartner: Würde ich sagen.
Steven Ansell: Waghalsige These! (beide lachen)
motor.de: Überrascht dürften einige auf jeden Fall sein, wenn sie die Tracks auf “In Time To Voices” hören – obwohl ihr beiden nur zwei Instrumente zugleich bedienen könnt, klingt das Ergebnis räumig und teilweise mit mehr Gitarrenläufen versehen, als manche Songs der vorangegangenen Platten.
Steven Ansell: Eine der größten Herausforderungen nach dem Debüt war, das Tempo aus kreativer Sicht bedienen zu können. Zu zweit ist das schwer, weil Laura ihre Gitarre hat und ich mein Schlagzeug – eine ähnliche Konstellation wie bei The White Stripes. Aber auch denen fielen immer wieder Mittel und Wege ein, den Sound nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne weiterzuentwickeln. Das Entscheidende ist, dass man nichts unversucht lässt.
motor.de: Eine Konstante ist Produzent Mike Crossey. Wie schwer ist es für ihn eigentlich regelmäßig zu euch durchzudringen?
Steven Ansell: Kein Problem, er erwischt uns immer auf dem richtigen Fuß. Anfänglich ist es natürlich eine Herausforderung: Wir treffen uns immer nach dem Entstehungsprozess erster Demos mit ihm zu Aufnahmen und sind meist vollkommen überzeugt, dass unsere Ideen wie in Stein gemeißelt sind – woraufhin er seine Meinung äußert und wir grundlegende Dinge anpassen. motor.de: Wenn zwei Leute eine Band bilden und somit 365 Tage im Jahr verbringen, wie sucht man sich dann eigentlich Fluchtpunkte, falls es zu Differenzen kommt?
Laura-Mary Cartner: (lacht und schaut ihren Kollegen an) Ich würde meinen, wenn es mal knallt, dann richtig. Was sehr hilfreich ist, weil es die Band im Nachhinein ein Stück weiterbringt.
Steven Ansell: Und es war klar, dass wir als Duo keine Gruppen- oder Cliquenbildung durchziehen können – so Marke: Ich mag den Sänger meiner Band gerade nicht, also ist der Bassist meine Bezugsperson. Das geht innerhalb der Blood Red Shoes nicht.
Blood Red Shoes – “In Time To Voices”
motor.de: Die White Stripes haben nach sechs Alben ihre Karriere beendet, unter anderem auch, weil Jack White künstlerisch und kreativ der Überzeugung war, dass es zu zweit auf Dauer schwierig wird – “In Time To Voices” ist euer drittes Album…
Steven Ansell: Ich habe keine Angst davor. Zwar geht mir der Gedanke im Studio manchmal durch den Kopf, wenn wir Sachen ausprobieren, die Live zu zweit nicht umsetzbar sind, aber wie gesagt, dieser Herausforderung stell ich mich gern.
motor.de: Das nächste Werk ist als Gedankenkonstrukt also schon vorhanden?
Laura-Mary Cartner: Wir haben ein Orchester und dutzend Gastmusiker gebucht – nimm Pink Floyds “The Wall”, addiere es mal zehn und du hast immer noch keine Vorstellung davon, wie groß es klingen wird (beide grinsen).
Marcus Willfroth
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