Musik für Fans von American Pie und Horrorfilmen – Blue October machen “bipolaren Artrock”!

Mit ihren Titeln „Say It“ und „Jump Rope“ zählen sie bei vielen Radiostationen derzeit zur festen Playlist. Eingängiger als früher präsentieren sich die Artrocker von Blue October. Nachdem sie im vergangenen Jahr aufgrund von Depressionen und Selbstmordgedanken ihres Sängers Justin noch ihre Tour canceln mussten, sind die fünf Amerikaner jetzt wieder frisch erholt mit einem selbstbewussteren und leichtfüßigerem Album zurück in Deutschland. Zudem unterstützen Blue October sogar die Organisation Freunde Fürs Leben“, die sich für depressive und suizidgefährdete Jugendliche und junge Erwachsene einsetzt.
motor.de hat mit der Band darüber gesprochen, was sich in den letzten Jahren veränderte und woher auf einmal die Lichtblicke in ihrer Musik kommen.

motor.de: Es ist heute das erste Tourdate. Habt ihr irgendwelche Erwartungen von der Tour hier in Deutschland?

Justin: Es ist einfach nur schön an größeren Orten spielen zu dürfen. Früher waren wir oft nur in kleinen Venues, jetzt wird alles größer und wir freuen uns darüber, dass uns so viele Leute sehen wollen. Wir hoffen eigentlich nur, dass wir eine gute Zeit hier verbringen.

motor.de: Euer aktuelles Album „Approaching Normal“ ist nicht mehr ganz so düster.

Justin: Findest du wirklich?

motor.de: Ich denke zumindest, dass Songs, wie “Say It“ und “Jump Rope” eingängiger und durchaus zum Tanzen geeignet sind.

Justin: Das mag stimmen, ich denke aber nicht, dass das neue  Album insgesamt fröhlicher ist. Es ist eher selbstsicherer und überzeugender. Unsere letzten Alben waren sehr traurig, nicht „düster“, eher zornig. Jetzt haben wir mit „Jump Rope“ Songs, die dich durchaus auch aufmuntern können. Und natürlich „Blue Skies“, das durch meine Tochter, die letztens geboren wurde, mir eine positivere Sicht gab. Grundsätzlich würde ich dennoch auch das neue Album als „dunkel“ beschreiben, lediglich mit ein paar Lichtblicken mit positiver Meinung dahinter. Aber es ist durchaus richtig, dass wir versuchten, das Ganze ein bisschen tanzbarer zu gestalten.

motor.de: Was änderte sich in der letzten Zeit, dass ihr mehr Optimismus in eure Musik gepackt habt?

Justin: Wie gesagt, meinte Tochter wurde geboren. Außerdem kamen wir nach Europa und besuchten euch hier in Deutschland das erste Mal, was wirklich großartig war.
Jeremy: Ja, ich denke auch, dass die Familie hier großen Anteil hat. Und dann natürlich das Touren in Europa. Die Fans kennen und hier jetzt schon. Als wir am Anfang hier in Deutschland waren, spielten wir vor ca. 40/50 Leuten, jetzt kommen Hunderte zu unseren Konzerten. Es wird alles größer und vielleicht dadurch auch fröhlicher.

motor.de: Euer Song „Say It“ bekommt bei vielen Radiostationen reichlich Airplay. Ist es das, was ihr schon immer wolltet?

Justin: Ja, auf jeden Fall! Und ich glaube, wir haben mit „Jump Rope“ jetzt einen zweiten Song regelmäßig im Radio, was mich wirklich richtig glücklich macht, da dieser die etwas „hellere“ Seite von uns zeigt. Die Leute hier sehen uns also nicht als düstere und traurige Band.
Jeremy: Dazu kommt noch die anderen Single, die bald rauskommt, „Should Be Loved“. Sie ist ganz offensichtlich auch irgendwie „poppy“ und „dancy“. Wenn man sich aber den Text anschaut, ist es alles andere als ein fröhlicher Song.

motor.de: Einer eurer Songs war auf dem Soundtrack von American Pie 3. Ist das etwas, worauf ihr stolz seid?

Jeremy: Ja, auf jeden Fall. Das war immerhin unser erstes Lied in einem Film.
Ryan: Wir schauten uns den Film an und natürlich auch den Abspann, wo dann unser Name, „Blue October“, stand.
Justin: Wir spulten immer wieder zurück und freuten uns, wenn wir unseren Namen sahen.

motor.de: Und gleichzeitig habt ihr einen Track auf dem Soundtrack von Saw III. Ist das nicht irgendwie widersprüchlich?

Justin: Nein, das zeigt nur, dass wir nicht auf irgendwas festgelegt sind. In dem einen Moment sind wir fröhlich, im anderen sind wir extrem deprimiert. Das ist eigentlich irgendwie perfekt!

motor.de: Wie würdet ihr denn dann davon ausgehende eure Musik bezeichnen, die sowohl zu einer Teenie-Komödie als auch zu einem Horrorfilm passt?

Justin: Bipolarer Artrock.

motor.de: Justin, du schreibst die ganzen Songs, oder?

Justin: Nicht immer. Es kommt auch manchmal vor, dass wir welche zusammen schreiben, aber die meisten Texte schreibe ich mit einer Akustik-Gitarre. Manchmal hebt dann schon das das Dach ab, wenn ich meine Texte der Band vorlege. Dann bin ich auf meine Kollegen angewiesen, um aus dem Song einen Song zu machen. Es ist nicht so, dass ich mit meinem Tagebuch und meiner Akustik-Gitarre komplett alleine dasitze.

motor.de: Viele deiner Texte sind sehr persönlich und privat. Ist es nicht für euch als übrige Band denn schwierig, Sachen zu spielen und hinter ihnen zu stehen, die nur einer von euch geschrieben hat?

Jeremy: Es ist sein Leben und es ist nicht unser Leben. Wir singen nur das, was er uns zu spielen gibt. Und generell sind wir glücklich und froh darüber, das zu machen, was wir gerne tun. Und das ist Musik zu machen. Aber es gibt schon die Momente, während des Schreibprozesses, wo wir uns denken: „Hey Mann, bist du dir sicher, dass du das sagen willst?“ Dann sagen wir uns: „Ja, natürlich, das ist das, was wir sagen wollen!“ So ist es immer gewesen. Grundsätzlich sind wir einfach nur glücklich Musik machen zu dürfen.
Matt: In dem Alter, in dem wir sind, tun wir das hier schon alles viel zu lange, als dass wir wirklich noch darüber nachdenken. Ich denke, die Zeit ist vorüber.

motor.de: Eure Songs leben von Emotionen. Gehen die nicht verloren, wenn man die gleichen Lieder andauernd, v.a. auf Tour, hoch und runter spielt?

Ryan: Nein, absolut nicht. Wenn du denkst, dass es gerade jetzt passiert, treffen dich die Lyrics der Songs und holen dich sofort wieder zurück.

motor.de: Mit Steve Lillywhite habt ihr euch einen sehr erfahrenen Produzenten mit ins Boot geholt, der auch schon mit U2, den Rolling Stones und Travis aufnahm. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?


Ryan:
Am Anfang war es schon ein bisschen furchterregend. Aber dann merkte man, dass er ein großartiger Typ ist, sehr talentiert und viel Neues mitbringt. Wenn er sieht, dass noch mehr drinsteckt, dann zieht er es förmlich aus dir heraus.
Jeremy: Einer der furchteinflößendsten Augenblicke war, als er immer sagte: „Nein, nein noch ein bisschen anders!“ Und schließlich machst du etwas, das du noch nie davor in deinem Leben getan hast – nicht einmal dachtest, dass du das könntest. Am Ende stellst du dir dann die Frage, wie er das nur gemacht hat und staunst über ihn und dich selbst.

motor.de: Also half er euch vieles besser zu machen?

Matt: Ja genau und dabei ist er nicht gerade sanftmütig mit einem umgegangen, sondern sagte einfach: „Das klingt nicht gut!“ und dann schaust du erst einmal blöd.
Justin: Richtig. Ich glaube, dass er einer der ersten war, der zu mir sagte: „Dieser Song ist langweilig!“ und dann dachte ich mir: „F*** you!“. Als er dann meinte, dass er es nicht aufnehmen würde, da es wirklich total langweilig sei, sagte ich: „Okay, dann schreib ich es neu!“. Dann lachte er und meinte: „Ja genau. So muss sich das anhören!“

motor.de: Würdet ihr dann sagen, dass das jetzige Album, das Beste ist, das ihr jemals gemacht habt?

Justin: Sie sind alle unterschiedlich. Das Album ist vielleicht das größte und beste Gemeinschaftsprojekt der Band, denn bei diesem Album, konnte es die ganze Band kaum glauben, dass sie so etwas zustande bringen konnte. Es hatte eine Art „Wow-Effekt“!
Jeremy: Das neue Album haben auch wirklich nur wir gemacht. Wenn wir früher ein String-Arrangement benötigten, holten wir die ganzen Leute ins Studio. Dieses Mal spielt nur Ryan die Geige auf dem Album. Er [Steve Lillywhite, der Produzent] machte quasi aus einem Geiger ein ganzes Orchester.

motor.de: Wie kam es eigentlich dazu, dass du mit der Twilight-Autorin Stephanie Meyer zusammengearbeitet hast?

Justin: Also eigentlich ging ich lediglich mit ihr auf Tour und das war’s. Stolz bin ich schon darauf Stephanie Meyer kennengelernt zu haben. Sie ist eine toughe und harte, aber auch wunderbare Frau. “Business is business!” Das ist alles, was ich dazu sagen will. Nächste Frage bitte!

motor.de: Okay. Nächste und letzte Frage: Wo würdet ihr euch denn in 10 Jahren sehen?

Justin: Vielleicht an einem größeren Ort in Deutschland mit Tourstationen so groß wie ein Fußballstadion. [lachen]
Jeremy: Nein ehrlich, in zehn Jahren hoffen wir, dass wir unser Touren eingestellt haben.
Justin: Ja. Wir wollen dann unsere Kinder groß ziehen, ein bisschen Musik für Filme schreiben oder nur mit großen Bands, wie beispielsweise U2, auf Tour gehen. Das wäre wirklich wunderbar.

motor.de: Warum gerade U2?

Justin: Weil wir U2 lieben. We love you, too. [lachen]

Interview: Florian Kroha