Eine Volkslieder singende Pfarrerstochter, die auch mal bei Rammstein aushilft, bringt jetzt ein neues Album mit ihrer alten Band heraus.

Bobo In White Wooden Houses feiern in den 90er Jahren große Erfolge. Dann begeht 1995 Frontfrau Bobos langjähriger Freund und Gitarrist der Band, Franz Heise, Selbstmord. Die Band stirbt quasi mit ihm. Für mehrere Jahre verschwinden Bobo In White Wooden Houses von der Bildfläche. Frontfrau Bobo widmet sich anderen Projekten. Der Rammstein-Single “Engel” leiht die Pfarrerstochter aus Halle (Saale) ihre Stimme. In ihrem Projekt “Lieder von Liebe und Tod” stehen alte deutsche Volkslieder, wie “Die Gedanken sind frei”, im Mittelpunkt, die von Bobo neu vertont werden. Nebenher arbeitet sie als Stimmbildnerin. Erst 2004 taucht Bobo mit einer neuformierten Band unter altem Namen wieder auf. Am 9. April kommt mit “Transparent” ein neues Album in die Läden. motor.de sprach mit Frontfrau Bobo über Vergangenes und über das, was kommt.

motor.de: Wie würdest Du den “Neuanfang” der Band 2004 beschreiben? Was war der ausschlaggebende Punkt “Bobo In White Wooden Houses” wiederzubeleben?

Bobo: 2004 war ich zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder unter dem Namen “Bobo in WWH” unterwegs und hatte mir mit Thimo Sander, Stephan Gade und Tim Lorenz eine feine Band zusammengesucht. Wir haben eine Tour gespielt und das Album “Mental Radio” aufgenommen. Alles lief auf eigene Faust und ohne den Support einer Firma im Rücken, weswegen auch nur die Fans etwas davon mitbekommen haben. Wir hatten damals so gut wie keine Promotion. Die Platte gab es nur auf den Konzerten und sicher auch deswegen haben wir keine größeren Kreise gezogen. Thimo und ich haben dann zwei Jahre lang als Duo gespielt, was für mich toll war. Aber dann war wieder Zeit für etwas Neues. Anfang des letzten Jahres hatte ich ein paar Clubkonzerte organisiert und meinen alten Freund und Bassisten Lexa gefragt, ob er Lust hätte, mitzukommen. Er hat mir dann wunderbarerweise den Gitarristen Jan Stolterfoht ins Haus gebracht, der jetzt Produzent unseres neuen Albums und für mich ein echter musikalischer Seelenpartner ist.

motor.de: Wie kam es zu der Neuformierung von “Bobo In White Wooden Houses”?

Bobo:
Bald hat sich gezeigt, dass wir alle richtig gut zusammenpassen und denselben Musikstil lieben – psychodelic Pop & Rock mit Hang zum Spacigen und ein bis zwei Pink Floyd-Platten im Schrank – und so hat sich das berühmt-berüchtigte Bandgefühl wie von selbst ergeben, ohne dass ich vorher genau geplant hätte, die Band wiederzubeleben. Durch meinen neuen Vertrag mit “BMG Rights” hatten wir dann auch die Chance, wieder richtig loszulegen.

motor.de: Siehst Du Dich als Antriebskraft in der Band? Bist Du der Motor, der immer wieder neue Ideen und Frische in die Band steckt?

Bobo: Genauso ist es. Aber jetzt habe ich ein gutes Team um mich herum und das ist goldwert.

motor.de: Im Internet bist Du als Atem- und Stimmpädagogin eingetragen. Liegt Dir viel daran den Nachwuchs zu fördern und ihnen etwas mit auf den Weg zu geben?

Bobo: Ich arbeite schon lange als Stimmbildnerin. Die Kunst des Singens zu erforschen und mit Anderen weiter zu entwickeln ist eines meiner großen Projekte mit Sängern verschiedener Bands, mit Schauspielern und Leuten, die einfach Lust zum Singen haben und mehr von sich entdecken wollen.

motor.de: Dein Projekt „Lieder von Liebe und Tod“ beschäftigte sich mit deutschen Volksliedern. Selbst sagtest Du, dass Du mit solchen Liedern aufgewachsen bist. Hat dich Volksmusik irgendwie beeinflusst?

Bobo: Oh, bitte nicht Volksmusik sagen! Davon ist das Album, das wir gemacht haben meilenweit entfernt. Aber natürlich war es spannend nach unseren deutschen Wurzeln zu graben und alte Volkslieder und Texte der Romantik und Klassik völlig neu zu arrangieren. Wir hatten dabei aber eher ein deutsches “murder ballads” im Sinn. Die Instrumentierung mit präpariertem Klavier, Bassklarinette, Sopransaxophon und Metallschlagwerk ist ja auch nicht allzu volkstümlich. Und weil wir Deutschen ja eher ein missliches Verhältnis zu den Liedern unserer eigenen Tradition haben, hat es uns erst recht gereizt, etwas Schönes daraus zu machen.

motor.de: Deutsche Musik bedeutet Dir anscheinend sehr viel. Warum singst Du bei „Bobo In White Wooden Houses“ dann Englisch?

Bobo: Englisch ist meine Herzenssprache und ich hab mich schon als Kind geärgert, dass der liebe Gott mich über dem falschen Land abgeworfen hat. Also lebe ich wenigstens im Gesang in dieser Sprache, die ich immer noch für die Schönste für Popsongs halte.

motor.de: Nach Rammstein und altem deutschen Kulturgut kommt nun das neue Album. Was ist das Besondere daran? Wer sind “Bobo In White Wooden Houses” im Jahr 2010?

Bobo: Zur Band habe ich ja vorhin schon einiges erzählt. Wir haben die Songs in einem alten Kinosaal auf Rügen eingespielt, richtig “old school”, alles mitgebracht und dort aufgebaut und zusammen die Arrangements entwickelt. Wir hatten von Anfang an eine Art Konzeptalbum im Sinn, auf dem sich Songs und improvisierte Stimmungen abwechseln. Wir haben auch einige Dogmen aufgestellt. Eines davon war, dass alles live gespielt sein soll. Wir haben also nichts programmiert, sondern später in der Berliner “Chill Factory” die Recording Sessions in die Form gebracht, die uns am Besten gefiel und mit verschiedenen Räumen experimentiert. Und darin ist Jan [Stolterfoht] ein wahrer Zauberer.

motor.de: Werfen wir doch einmal einen Blick in die Zukunft. Glaubst Du, dass es “Bobo In White Wooden Houses” 2030 oder 2050 noch geben wird? Wenn ja, wie könnte das aussehen?

Bobo: Ich weiß es nicht. Ich werde vielleicht in meinem Rosmaringarten sitzen und Gitarre spielen. Denn beim Gitarrenspielen ist man immer jung. Und den Anderen geht es hoffentlich auch bestens.

Text und Interview: Florian Kroha