Drei Jahre sind seit dem letzten Album vergangen. Bodi Bill haben sich weiterentwickelt: motor.de sprach mit ihnen über kulturelle Einflüsse in Berlin und die Entstehung von “What?”.

In der deutschen Musikszene sind Bodi Bill schon längst keine Unbekannten mehr. Seit Jahr und Tag tourt das Berliner Trio durch die verschiedensten Clubs und begeistert die Zuschauer mit seiner markanten Mixtur aus kühlen Elektronika und feinfühligen Folk-Sounds. Nachdem bereits ihr Debüt “No More Wars” sowie dessen Nachfolger “Next Time” in vielen Gehörgängen einen bleibenden Eindruck hinterließen, melden sich Bodi Bill nun nach dreijähriger Schaffenspause mit ihrem dritten Langspieler “What?” gebührend zurück. Dieser macht es dem Hörer nicht leicht. Vielschichtiger und anspruchsvoller scheinen sie geworden zu sein. motor.de sprach mit Fabian und Alex über den Enstehungsprozess des neuen Albums und den Einfluss einer Stadt voller kultureller Unterschiede.

motor.de: Die ersten beiden Alben erschienen relativ schnell hintereinander, beim dritten habt ihr euch jetzt ein bisschen mehr Zeit gelassen. War das beabsichtigt?

 
Alex: Das viele Live-Spielen hat uns zwischendrin gar nicht so viel Zeit gelassen. Wir wollten die Sache in Ruhe angehen und man plant so etwas ja auch länger, mit dem Label und so weiter. Daher hat sich das dann erst Anfang 2011 so ergeben.

Fabian: Bei der zweiten Platte haben wir auch echt davon profitiert, dass wir vom Vorgänger noch viel Material übrig hatten. Es gab einen ziemlich langen Vorlauf, bevor wir die “No More Wars” rausgebracht haben. Und “Two In One”, was eine Art Re-Release von alten Stücken ist, haben wir auch noch veröffentlicht. Aber die mussten eben neu gemischt werden. Da geht schon mal schnell ein ganzes Jahr drauf, mit Touren, vorbereiten und so weiter. So sind aus zwei Jahren drei geworden.
 
motor.de: Wie würdet ihr selbst die Entwicklung vom zweiten zum dritten Album beschreiben?
 

Fabian: Wir wollten mit der Platte etwas machen, was von vorne bis hinten so etwas wie Songs hat. Wichtig war auch, dass wir mehr wert auf den Gesang und eine eher narrative Ebene legen, keine reinen Instrumentalstücke, keine Klangmalerei. So hatten wir den Freiraum, ein bisschen genauer zu schauen – wie kriegt man die Bögen hin, die so ein Song braucht? Gerade Gesang kann ein großer Nachteil sein, weil der immer alles platt macht und die Details darunter verloren gehen. Es war ganz gut für uns, zehn Stücke lang zu gucken: Wie erschafft man trotz des Gesangs spannende Musik? Also so ist es mir vorgekommen.

motor.de: Der Name eures neuen Albums stellt ja eine sehr elementare Frage. Welche Antwort liefert die Platte denn auf die Frage nach dem “What”?
 

Fabian: Die Platte selbst soll gar keine konkreten Antworten liefern. Vielmehr sogar das Gegenteil: Sie soll dazu auffordern, dass der Hörer sich selbst Gedanken macht. Das Album verfolgt also eher den Ansatz, weiter zu hinterfragen. Aber nicht was wir da gerade machen, sondern viel eher die eigenen Umstände und Gegebenheiten. Also im Grunde genommen liefert das Album schon eine Antwort, aber die ist eben für jeden selbst erfahrbar und nicht einheitlich.

motor.de: Seid ihr alle drei gleichermaßen in das Songschreiben involviert?
 
Fabian: Die meisten Songs schreibe ich, aber insgesamt bringt da natürlich jeder seinen Einfluss mit hinein. Es ist also nicht so, dass die Songs spezielle Handschriften tragen…

Alex: Oh, also ich finde schon, dass man an den Songs erkennen kann, wer sie geschrieben hat.

Fabian: (erstaunt) Tatsächlich?

Bodi Bill – “Brand New Carpet”


motor.de:
Euer letztes Album wurde in der brandenburgischen Provinz aufgenommen. Wo ist “What?” entstanden und welchen Einfluss haben die äußeren Einwirkungen ausgeübt?
 
Fabian: Wir haben dieses Mal in Berlin aufgenommen, an Orten wo die Mediaspree [Ansiedlung von Medienunternehmen entlang eines Teils des Spreeufers; Anm. d. Red.] langsam aber sicher Einzug hält. Also genau das Gegenteil von der Landschaft mitten im Nirgendwo. Es war spannend mitzubekommen, wie sich alles so rasant entwickelt. Ich schätze mal, von dieser Unbeständigkeit ist auch Einiges in das Album eingeflossen, obwohl es eigentlich gar nicht so hektisch klingt.
 
motor.de: Man liest immer wieder vom “Berlin-Sound”. Was hat es damit auf sich?
 
Fabian: Ich habe das in letzter Zeit mit diesem Eklektizismus erklärt. Also die Kombination der unterschiedlichen Einflüsse, die Musiker aus verschiedenen Ländern von zu Hause mitbringen, sich aber auch von Musikern aus anderen Ländern beeinflussen lassen. Diesen Geist spürt man schon in der Stadt. Daher ist es eben auch möglich, Technobeats mit Songstrukturen zusammenzubringen. Das ist zwar schon länger möglich, aber in dieser Stadt ist das sehr präsent. Vielleicht ist gerade dieser Mischmasch der “Berlin Sound”.
 
Alex: Die Stadt erscheint einem irgendwie sehr brüchig, auch das ist wichtig. Aber es gibt ja für alles einen Platz und den versuchen wir in unserer Musik herzustellen. Vielleicht ist es das, was die Leute meinen.

Bodi Bill – “Hotel”

motor.de: Fühlt ihr euch einer Szene in Berlin zugehörig?
 

Fabian: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir Teil einer Szene sind, aber das ist nicht unbedingt eine freie Entscheidung. Als wir angefangen haben Musik zu machen, gab es schon viele andere “Szenen”. Jetzt haben wir ein paar Zeitgenossen kennengelernt, mit denen sich so etwas wie eine eigene Szene oder Familie entwickeln konnte. Dabei geht es nicht nur um Musik, sondern auch um Kunst und Kultur, die da zusammenkommt. Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt, auch generationsübergreifend. Aber es war nicht so, dass wir in einer Szene gestartet sind, sondern wir haben erst mal ganz für uns rumprobiert.
 
Alex: Der Freundeskreis, in dem wir uns bewegen, umfasst schon viele Szenerien, könnte man sagen. Das alles ist in den letzten Jahren auch noch viel dichter geworden. Es gibt zum Beispiel Künstler, mit denen sich engere Freundschaften verbinden, aber so ein Szenedenken haben wir da nicht. So etwas ergibt sich automatisch in einer so großen Stadt, man trifft einfach so viele Leute.
 
motor.de: Wenn man betrachtet, wie viele Künstler nach Berlin ziehen: Gibt es dort so etwas wie einen Overload?
 

Fabian: Ich bin da nicht so kritisch. Mir kommt es nicht zu viel vor, weil ich es total mag, wenn es viel Kultur auf einem Fleck gibt. Wenn jedoch viele Leute kämen, die so tun als ob sie was zu sagen hätten, wäre das was anderes. Noch kann man gar nicht sagen, was das gerade für eine Zeit ist. Es gibt schon wahnsinnig viele Bands, DJs und Galerien. Vielleicht muss es auch so sein.
 
Alex: Das Flair der Stadt ist ja auch von der Zuwanderung kreativer Leute bestimmt, die aus der ganzen Welt kommen. Das bietet wieder Freiräume oder Möglichkeiten, andere Menschen zu treffen, wo man auch immer noch günstig überleben kann. Bisher tut das der Stadt auch gut. Ich finde super, dass man Leute aus verschiedensten Ländern kennenlernt. Genau das macht ja eine Weltstadt aus.
  
motor.de: Ihr habt neulich viermal hintereinander das Lido in Berlin ausverkauft. Wie macht man das?
 
Alex: Die Tickets waren alle umsonst. (lacht)
 
Fabian: Nein, also da wäre sogar mehr gegangen. Wir spielen ja als Band schon länger zusammen. Schon bevor wir unsere erste Platte rausgebracht haben, sind wir viel im Umkreis von Berlin getourt. Das ist eine ganz stetige Entwicklung gewesen. Wenn das jetzt am Ende 2600 Zuschauer in vier Tagen waren, dann mag das zwar viel klingen, aber man muss ja auch sehen, dass Berlin eben eine große Stadt ist. Allein durchs Weitersagen entwickelt sich das alles ganz natürlich. Ganz besonders tut es das, wenn man sich im Gegensatz dazu Bands anguckt, die nach einem Jahr Hype in Dreitausender-Arenen spielen.
 
Alex: Ich glaube, es gibt verschiedene Wege, Musik zu machen und an der Öffentlichkeit teilzunehmen. Wir sind zwar durch einen langsamen Prozess größer geworden, aber der ist dann auch ein stetiger und langanhaltender. Das hoffe ich jedenfalls.

motor.de: Hört ihr eure eigenen Platten eigentlich auch privat?
 

Fabian: Also ich muss sagen, ich höre “What?” noch immer relativ oft. Ich bin auch ziemlich stolz auf das, was wir da auf die Beine gestellt haben. Ansonsten hat man ja gar nicht so viel Zeit, “privat” Musik zu hören. Das ist fast schon ein Luxus, wenn man die ganze Zeit mit Musik machen beschäftigt ist. (überlegt) Klingt schon ziemlich paradox.

motor.de: Wie sehen eure weiteren Pläne aus?
 
Fabian: Im Sommer werden die ganzen Festivals kommen, die wir echt gern spielen. Selbst sind wir eigentlich gar nicht mehr die Festivalmenschen. Wir genießen es mittlerweile viel mehr, im Backstage als auf dem Campingplatz zu chillen. Das ist gemütlicher.
 
Alex: Und sonst haben wir dann endlich auch mal wieder Zeit zum Musikhören. Fabian hat es ja schon angesprochen, ich bin da total hinterher. Wenn man Musik macht, kommt man irgendwie gar nicht dazu, auch mal welche zu hören. (lacht) Sag mal, was kam denn in diesem Jahr so an interessanten Alben raus? Ich hab da bestimmt noch einiges nachzuholen…

Interview: Danilo Rößger