„Wir sind alle eine Masse Fleisch!“, sagt Tobias Jundt und freut sich offenkundig über die pointierte Beschreibung seines künstlerischen Entwurfs.

Jundt ist Sänger und Mastermind der Elektro-Trash-Punk Band Bonaparte, deren Konzept und Entwicklung einen Masterplan vermuten ließe. Kurz nachdem Jundts Hirngespinst eines verkleideten Rock’n’Roll-Zirkus 2006 Gestalt angenommen hatte, avancierten Bonaparte zum Szene-Hype. Dabei war das Debütalbum „Too Much“ anfangs nicht als offizielle Veröffentlichung gedacht. Jundt wollte seine Skizzen lediglich potenziellen Mitmusikern vorstellen: „Ich wusste nicht, dass ich ein Album mache. Ich gab meine Skizzen den anderen, die haben es geübt, wir haben uns getroffen und live gespielt. Proben tun wir grundsätzlich nicht.“

Es gilt, zwei Ebenen voneinander zu unterscheiden: Während Jundt im Songwriting vollkommen souverän agiert und nichts dem Zufall überlässt, schenkt er live dem kollektiven Moment des Spektakels seine ganze Hoffnung. Denn im produktiven Chaos einer Bonaparte-Inszenierung tritt neben den Bandmitgliedern auch das Publikum verkleidet auf. Grenzen verwischen, im exzessiven Durcheinander werden die Barrieren zwischen Band und Publikum durchlässig. Was an Frank Zappas Freak-out erinnert, ist tatsächlich erklärtes Ziel: „Du musst versuchen, diesen Augenblick zu kreieren, wo alles eins ist. Ein Urknall!“, sagt Jundt begeistert.

„My Horse Likes You“, das neue Bonaparte-Album, ist schlüssiger und mitreißender als sein Vorgänger. Mehr noch, es klingt im besten Sinne zeitgemäß und legt passagenweise Parallelen zu Audiolith-Acts (Frittenbude, Egotronic, Bratze u.a.) nahe. Kurioserweise ist Jundt nicht in der Lage, solcherlei Vergleiche zu beurteilen. Aus einem einfachen Grund: in der zeitgenössischen Popmusik kennt er sich schlechtweg kaum aus. Wieso aber ist „My Horse Likes You“ ein so relevantes Album geworden? Ebenso pragmatisch wie lakonisch setzt Jundt bei den Produktionsmitteln an: „Beim Gitarrespielen kann ich am besten singen und physisch etwas machen, Drums mussten größtenteils programmiert werden, weil ich fast alles zu Hause produziert habe.“

Bonaparte – “Computer In Love”

Textlich thematisiert Jundt nach wie vor, was ihn umtreibt und umgibt. Er kritisiert die Macht von Computern im Alltag, ohne in plumpe Technologiefeindlichkeit abzurutschen; er nimmt gesellschaftliche Entwicklungen auseinander, bemängelt beispielsweise Facetten des aktuellen D.I.Y.-Trends, ohne moralische oder missionarische Untertöne anzustimmen. Vor Jahren hätten man so etwas wahrscheinlich „diskursiv“ genannt – heute freut man sich einfach darüber, wie klug und trotzdem lustvoll eine Band wie Bonaparte künstlerisch Beachtliches schafft.

Ulf Ayes

VÖ: 04.06.2010

Label: Staatsakt/Rough Trade

Tracklist:
01. Ouverture
02. My horse likes you
03. Computer in love
04. Boycott everything
05. L’etat c’est moi
06. Fly a plane into me
07. Rave rave rave
08. Intermission in Mexico
09. Technologiya
10. Wir sind keine Menschen
11. My body is a battlefield
12. Orangutang
13. Adabmal
14. The end