Vom Plattenladen-Jungen zum erfolgreichen DJ. Alex Ridha wird gehypt, versucht aber alles andere, als massenkompatiblen Mustern zu entsprechen – das BoysNoize-Prinzip!
Mit seinem aktuellen Album „Power“ schlägt er neue Töne an, die clubtauglich aber auch individuell sind. Alex Ridha hat seinen Sound gefunden. Motor.de traf ihn in Berlin und erfuhr seine Einstellung zur aktuellen Musik und dem Prinzip, etwas anderes zu machen.
Motor.de: Alex, du bist ja vor ein paar Jahren von Hamburg nach Berlin gezogen. Viele Künstler, gerade DJs, ziehen in die Hauptstadt, um neue Inspirationen und Verbindungen zu sammeln. War das auch dein Grund?
Alex: Ehrlich gesagt war das vor allem eine private Entscheidung. Ich bin wegen meiner Liebe hierher gezogen.
Motor.de: Aber beeinflusst wurde deine Musik schon vom Umzug?
Alex: Ich glaube generell, dass eine neue Stadt – gerade Berlin – den Stil etwas verändert. Ich will nicht unbedingt sagen, man macht „Berlinmusik“, aber diese Grobheit ist hier schon sehr vertreten, die sicherlich auch mit in meinen Sound eingeflossen ist.
Motor.de: Wie hat sich deine Solo-Arbeitsweise im Bezug auf die Arbeit mit Andi Meid, mit dem du Kid Alex hattest, verändert?
Alex: Mal davon abgesehen, dass Kid Alex und Boys Noize zwei unterschiedliche Welten für mich darstellen, habe ich während der Kid-Alex-Zeit ganz anders gearbeitet. Die Herangehensweise im Duo weicht schon vom Einzelprojekt ab, da es ein Band-Plan war, der versucht hat, den Indie mit dem Elektro zu verbinden. Für mich war das auch etwas Neues, Aufregendes. Später habe ich allerdings gemerkt, dass es eben nicht mehr diesen besonderen Charakter hat. Ich hatte keinen Spaß mehr an der Sache, weil auch viele Dinge durch Differenzen blöd gelaufen sind. Manchmal hat man nachgegeben, weil der andere das so wollte…
Motor.de: Und ihr seid nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner gekommen?
Alex: Ja, genau. Hinzu kamen Fehler von der Plattenfirma, was zur Folge hatte, dass ich total anitmäßig drauf war, nur noch “Nein” zu allem gesagt habe, und einfach keinen Bock mehr hatte. Ich dachte nur noch: “Fuck you all!” Und habe mein eigenes Ding gemacht. Während der Kid Alex Zeit hatte ich schon ein paar Tracks, die ich dann veröffentlicht habe – unter anderem auf DJ Hells Label Gigolo und Datapunk. Aber irgendwann hatte ich dann so viele Platten und wusste gar nicht, wie ich die alle veröffentlichen soll und gründete mein eigenes Label „Boys Noize Records“. Mit null Promo, nur Veröffentlichungen von Schallplatten.
Motor.de: Das scheint ja alles ziemlich gut gelaufen zu sein…
Alex: Ich hatte Ideen und Glück. Denn das ist sicherlich nicht einfach für jeden, aber für mich war das der einzige Weg, das zu machen, was ich alleine wollte. Und Boys Noize ist ja musikalisch auch ganz anders – es gibt keinen, der singt, was ich auch nicht will. Die Tracks sollen aber trotzdem clubbezogen und cool sein, damit ich sie als DJ gut abspielen kann.
Motor.de: Deine Tracks heben sich aber schon von normaler Clubmusik ab?!
Alex: Auf jeden Fall. Ich wollte mit Boys Noize ja auch etwas Neues starten. Sounds, die man so nicht hört und für mich auch eine Besonderheit haben.
Motor.de: Und die Sounds entstehen dann alle spontan?
Alex: Ja. Da gibt es diese Momente im Studio, in denen ich einfach an der Drum-Machine stehe und ich darauf immer mehr Beats aufbaue. Aber das passiert ehrlich gesagt auch relativ schnell.
Motor.de: Im Durchschnitt hat auch jeder Track auf „Power“ die 4min-Länge.
Alex: Stimmt. Das ganze Ding ist ja für die DJ-Kultur. Deswegen behalten sie diese Dauer, damit DJs meine Platten gut abspielen können.
Motor.de: Hast du denn mit dem Erfolg deines Debuts „Oi, oi, oi“ gerechnet?
Alex: Nein, gar nicht. Das war eigentlich nicht geplant. Aber aufgrund des Erfolges von „Oi, oi, oi“ habe ich auch keine Remix-Künstler oder Features für „Power“ geholt, was viele andere DJs vielleicht gemacht hätten.
Motor.de: Aber à propos Erfolg. Auf den Boys-Noize-T-Shirts steht „Don’t believe the hype“ – hat dieser Satz noch eine weitere Bedeutung außer, dass deine erste Single aus dem ersten Album so heißt?
Alex: Ja. Die Produktion des Tracks war in einer Zeit, in der alles so fett und groß und international wurde, da hatte ich – wie auch jetzt – diese Haltung: Glaub’ nicht an den Hype, weil der Hype kommt schnell, geht aber genauso schnell vorüber. Und in diesem Hype passieren so viele Dinge, dass beispielsweise Leute/Produzenten so stark davon inspiriert sind, dass sie einen Track versuchen, nachzubauen, was für mich nie in Frage käme. Ich finde manche Sachen echt geil, und sicherlich fallen auch ein paar Inspirationen in meine Musik rein, aber ich würde nie die Musik machen wie Jackson & His Computer Band.
Motor.de: Da fängt ja dann auch der Hype an – bei Nachahmung.
Alex: Genau. Wenn viele Künstler andere Bands plagieren und das Ganze so wächst, will ich damit nichts zu tun haben. Die Anfangsidee von Boys Noize war ja auch, etwas Anderes zu machen. Was zu machen, was es gerade nicht gibt. Und diese Ursprungsidee soll auch bleiben.
Motor.de: Aber einen Hype um dich gibt es immer noch.
Alex: Als ich 2006 den Track “Don’t believe the hype“ gemacht habe, dachte ich, er würde schnell vorbei sein. Aber irgendwie jetzt… ist er immer noch da. In der Zeit, in der ich dachte, der Hype würde sterben, wurde er jedoch immer krasser. Dieser DJ-Kultur-Gedanke ist aber immer noch da. Als ich im Plattenladen früher gearbeitet habe, und die Platten, die ich gespielt habe dann rauskamen, habe ich sie nicht mehr gespielt.
Motor.de: Die Maxime der DJ-Kultur steckt also noch in dir, immer den neuesten Kram aufzulegen.
Alex: Ja, immer neu. Hauptsache die aktuellsten LPs am Start. Ich spiele das, was mir Leute schicken, was meine Künstler auf BN-Records machen – insgesamt hat das alles aber eine ganz andere Dimension erreicht, als gedacht. Nicht mehr nur DJs hören diese Musik, auch ganz normale Kids, die nichts von Schallplatten und der DJ-Kultur wissen.
Motor.de: Obwohl der Hype ja den Vorteil mit sich bringt, dass eben DJs bekannt werden und dass du zum Beispiel beim Lolopalooza in New York auftreten kannst?
Alex: Einerseits stimme ich dem zu. Die Aufmerksamkeit wächst natürlich. Aber ich habe da immer so ein bisschen Angst, wenn das zu viel wird, dann mag ich auch nichts mehr damit zu tun haben.
Viele Festivals buchen mich natürlich wegen des Hypes, die Frage ist nur, ob es auch darüber hinausgeht. Und ich hoffe, viele wissen, dass Boys Noize auch diesen anderen Hintergrund hat – eben etwas anderes zu machen. Die Musiker auf meinem Label streben auch diese Individualität und Abgrenzung an. Und mich gibt es schon lange mit meiner Musik, die mir gefällt und anders klingt.
Motor.de: Deine neue Platte „Power“ ist auch progressiver – eine Weiterentwicklung deinerseits?
Alex: Es ist auf jeden Fall weniger Rock’n’Roll enthalten, sondern eher aufs Elektronische gerichtet. Und somit auch ein wenig getrennt von dem, was gefeiert wird. Ich würde auch sagen, dass ich meine Musik ganz anders höre als du, weil ich auf spezielle Sounds abfahre. Eine geniale Mischung aus Sounds zu finden, ist die absolute Befriedigung, die ich eben auf anderen Platten nicht höre. Zum Beispiel Gitarren: die sind zwar auch toll und komplex, aber deren Klänge kennen ich eben schon. Und im Vergleich zu anderen, habe ich mit meinem neuen Album natürlich versucht, etwas Alternatives zu machen.
Motor.de: Dein Ziel ist es also, quasi die Antithese zum aktuellen Hype zu machen? Andere Einstellung, andere Sounds.
Alex: Also ich versuche natürlich eben nicht das zu machen, was bekannt ist, aber es soll eben auch spielbar und clubkompatibel für mich als DJ sein. Ein Ambient-Album könnte ich ja nicht auflegen, aber mir macht’s auch keinen Spaß, Sounds zu präsentieren, die es eben schon gibt und die du hier und dort hörst.
Motor.de: Meinst du auch, mehr Musiker sollten diese Attitüde haben?
Alex: Klar. Es ist immer verherrend zu sagen: „Ey ich finde die neue Justice Platte echt geil, lass uns so eine auch mal machen.“ Das ist natürlich auch das Schwierigste und Höchste, den eigenen Sound zu entwickeln. Das ist für mich das Ziel.
In dieser langen Laufbahn hat er den auch entwickelt – den eigenen Sound. „Power“ zeigt, dass hinsichtlich Sounds und Beats, Welten zwischen Boys Noize und dem DJ im nächsten Club liegen. Es sind seine Einstellung und sein Talent als Produzent, die Alex Ridha so besonders machen.
Interview: Franzi Finkenstein
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