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Von wegen große Ereignisse und so: Bereits vor einigen Monaten hatten wir ja auf diesen Seiten die zweite Ausgabe der British Music Week angekündigt. Nun steht das vom BPI, dem Dachverband der phonographischen Wirtschaft Großbritanniens, organisierte Events in den Startlöchern: Vom 20. bis zum 29. April werden in Berlin, München, Köln und Hamburg unter anderem die Sugababes, Kosheen, The Horrors und Brett Anderson (Ex-Suede) auf den diversen Bühnen stehen. Aber auch im Indie-Unterholz rappelt es ganz gewaltig!
Pop-Deutschland, ach was: Die musikverrückte Welt blickt seit 40 Jahren neiderfüllt nach Großbritannien. Dorthin wo 70-Jährige im Altersheim Beatles-Songs singen statt Roy Black, wo vor Fußballspielen ganze Stadien den aktuellen Fratellis-Kracher “Chelsea Dagger” grölen, Musikmagazine Millionenauflagen haben und seit den frühen Sechzigerjahren ein großer Teil des unser aller Leben begleitenden Soundtracks herkommt – mit einem Wort: Dorthin, wo das tägliche Leben quer durch alle gesellschaftlichen Klassen und Interessengruppen in unfassbar hohem Maße von der Pop-Kultur geprägt ist.
Das lässt sich auch anhand von Zahlen belegen: Eine Million(!) Gitarren wurden im vergangenen Jahr alleine in England verkauft. Während der globale Musikmarkt in den Jahren 2000 bis 2004 insgesamt einen Rückgang von 15,4% zu verzeichnen hatte, wuchs der UK-Markt um immerhin 3,4%. 2005 wurden auf der Insel mehr Platten verkauft als jemals in der Geschichte zuvor; im Vergleich zu 1996 – immerhin die Hochzeit von Oasis und Blur! – ist der dortige Markt gar um 45% gewachsen. Zahlenhuberei, keine Frage – aber dennoch ein eindrucksvoller Beleg für den ungemein hohen Stellenwert von Pop-Musik im UK.
Neben dem Zuspruch im eigenen Land war Pop für Großbritannien aber von jeher auch ein ungemein wichtiger Exportartikel, in heutigen Post-Commonwealth-Zeiten vielleicht sogar fast der wichtigste. Um die Verbreitung britischen Pop-Schaffens in Deutschland zusätzlich zu den in vorauseilendem Gehorsam beinahe jeden Trend von der Insel aufgreifenden hiesigen Medien zu fördern, rief die BPI im vergangenen Jahr die erste British Music Week aus. Über 40 Künstler spielten im Mai 2005 vor über 8.000 Besuchern in zahlreichen Berliner Clubs. Wegen des großen Erfolgs nun also der Nachfolger gleich in vier Städten.
Bereits im November gab es ein erstes Meeting in der Londoner BPI-Zentrale, in dessen Verlauf uns der organisatorische Leiter der BMW, Matt Glover, mitteilte, dass der programmatische Schwerpunkt der Veranstaltung in diesem Jahr weitaus breiter gestreut sein würde und erstmals auch ein paar echte Top-Acts mit im Boot wären.
Knapp drei Monate später steht nun fest: Der Mann hat nicht übertrieben. Die BPI hat kräftig expandiert: Parallel werden in der besagten Aprilwoche über 40 bislang bestätigte Künstler britischer Provenienz in nunmehr bereits vier deutschen Städten auf der Bühne stehen. Das musikalische Spektrum reicht dabei von Mainstream-Pop über Brit-Pop und -Rock bis hin zu elektronischen Klängen.
Anfang März: Die British Music Week beginnt – mit Musik. Alleine mit Akustik-Gitarre klingt Jason Rowe nicht gar so schwülstig wie auf seinem doch arg gefälligen Albumdebüt. Wir sitzen im Berliner Lido und dem Teilzeit-Songschreiber der Fantastischen Vier fällt die nicht besonders dankbare Aufgabe zu, vormittags um elf die offizielle Pressekonferenz zur British Music Week zu eröffnen. Durch die Veranstaltung führt der ehemalige MTV-Moderator und Viva 2-Aufbauhelfer Steve Blame, der alleine durch seine Präsenz an Zeiten erinnert, in denen MTV tatsächlich noch ein manchmal sogar richtig guter, auf jeden Fall aber: Ein Musiksender war – die Generation Ray Cokes, mit der deutschen V-Jane Christiane Bakker, dem feuchten Traum der heute 30- bis 40-Jährigen.
Auf dem Podium warten derweil bereits BPI-Manager Steve Redmond, Gründer und Erfinder der BMW, Radio Eins-Musikchef Peter Radszuhn und der Gründer des Domino-Plattenlabels (u.a. Franz Ferdinand, Arctic Monkeys) Laurence Bell auf ihren Einsatz. Redmond erklärt: “Berlin bleibt das Zentrum der Veranstaltung, da die Stadt für Deutschland ebenso wichtig ist wie London für England. Aber auch in den anderen Städten laufen interessante Veranstaltungen.” Weitere Bekenntnisse und Standard-Phrasen folgen, bei der offenen Fragestunde danach will noch ein Scherzbold wissen, ob die ausländischen Gäste nicht der deutschen Plattenindustrie mal ein bisschen Feuer unterm Hintern machen könnten. Aber Redmond weiß natürlich, was sich gehört und antwortet mit mildem Grinsen, es „wäre sicher nicht besonder höflich gegenüber unseren tollen deutschen Gastgebern, wenn wir gleich anfangen wollten, ihnen Belehrungen zu erteilen“. Anschließend zerrt noch irgendjemand die am gleichen Abend in Berlin auftretende und noch ziemlich verschlafene Band The Feeling aus dem Tourbus auf die Lido-Bühne, womit wir bei dem wären, um was es hier eigentlich geht: Musik. Neben den in der Einleitung genannten Acts treten unter anderem The Others, The Cooper Temple Clause, The Pipettes und Client auf. Die Plattenfirmen Warner, Universal, SonyBMG, Sanctuary und Domino Records werden einige ihrer hoffnungsvollsten neuen Künstler im Rahmen spezieller Showcases und Labelnights vorstellen. Denn trotz namhafter Acts geht es natürlich vor allem um spannende neue, noch relativ unentdeckte Bands wie die Pidgeon Detectives, The Whip und unzählige andere. Beinahe täglich werden zudem weitere Bands bestätigt, ein Blick auf die Website sei deshalb dringend empfohlen. Der neiderfüllte Blick nach drüben hat im April also Pause, Pop-Britannien ist zu Gast im Land der Dichter und Denker!
Text: Michael Jäger
Aktuelle Programmhinweise und alle Locations unter: www.britishmusicweek.de
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