Mit den Beinen leicht neben dem Beat schlägt Rapper Casper musikalisch Haken zwischen HipHop und Indie. Im Interview spricht er über seine Position in der deutschen Musiklandschaft.

Alle Welt redet nur noch von Casper. Die einen schimpfen auf den „Emo-Rapper“, den „Justin Bieber mit Bart“, andere tönen vom Messias des deutschen HipHops, dem Retter des Sprechgesangs in unseren Gefilden. Letzten Monat erschien sein Zweitling „XOXO“, doch schon vorher schlug die Vorschuss-Euphorie via Facebook hohe Wellen. Kaum auf dem Markt, erklomm die Platte den Gipfel der Hitparade und seit dem grinst Benjamin Griffey von ungezählten Magazincovern. Grund dazu hat er genug, ausverkaufte Shows in Megahallen zeugen davon. Trotz der dem Verkehrschaos auf dem Weg zum MS Dockville Festival geschuldeten Verspätung, kann sich der heißbegehrte Künstler ein bisschen Zeit abzwacken und im motor.de-Interview über seine aktuelle Situation im Genredschungel plaudern.

motor.de: Platz eins der Albumcharts, Menschen, die sich deine Songtexte tätowieren lassen, die Süddeutsche titelt dich als Prinzen des Hiphop – kannst du eigentlich vor lauter Grinsen noch einschlafen?

Casper: Im Augenblick gibt es ja nicht so richtig die Zeit zum Grinsen. Momentan ist alles ein bisschen stressig. Gerade sind wir angekommen, die ganze Zeit Interviews durchgerattert, dann müssen wir gleich die Bühne aufbauen und auch schon spielen. So ist das momentan. Ich glaube, in zwei, drei Monaten lachen wir uns tot. Dann grinsen wir nur noch. Oh das ist übrigens das schönste Bändchen überhaupt! (deutet auf unser Jenseits von Millionen-Band) Und ich habe es nicht! (lautes fluchen)

motor.de: Mit so vielen Endorphinen im Blut wird das nächste Album dann wohl lebensbejahender ausfallen, oder?

Casper: Ich weiß nicht, wie die nächste Platte wird. Ich weiß nur, dass sie sehr geil wird. Wenn man nämlich einmal auf eins war, macht die Plattenfirma alles, was man will. Das habe ich nämlich schon gelernt. Ich ruf irgendwo an: „Ich will auf das und das Konzert“„Jajaja, wir besorgen dir Karten“ Super ist das! Und ich glaube, so wird das dann mit der Platte auch. Dann sag ich: „Hätte gern das, ich hätte gern jenes, ich brauch bla!“ (Spricht weiter in seiner rauen Rapperstimme) Dann nehmen wir das in New York auf und kaufen uns Features (lacht).

Casper – “So Perfekt”

motor.de: Du bewegst dich im Genre HipHop/Rap, ziehst aber heftigst Bögen zu Helden anderer Genre – Ian Curtis, Kurt Cobain, sogar Brody Dalle und Wesley Eisold – warum?

Casper: Weil das tatsächlich die Musik ist, von der ich geprägt wurde. Die Sachen, auf die ich mich beziehe, sind die, die ich privat höre und mit denen ich aufgewachsen bin. Auch wenn ich jetzt Rapper bin, sitze ich nicht den ganze Tag zu Hause und höre Jay-Z und Kool Savas. Ich komme eher aus dieser Rock-Richtung.

motor.de:Thees Uhlmann ist auf deinem neuen Album als Gastsänger vertreten…

Casper: (unterbricht) Oh ja, der schöne Thees!

motor.de: … und im Interview meinten einmal Ghost Of Tom Joad zu mir, am liebsten würden sie mit dir einen Song machen. Das war letztes Jahr, noch bevor dein Album erschien.

Casper: Ich würde auch sehr gern mit Ghost Of Tom Joad einen Song machen!

motor.de: Wie erklärst du mir, dass du auch im Indiegeschäft so oben auf bist?

Casper: Ich habe das Gefühl, dass das eine Mischszene geworden ist. Es ist ja nicht so, dass man als Nummer-eins-Rapper bedingungslos von der Rapszene gefeiert wird. Und es ist auch nicht so, dass einen, selbst wenn die Platte Indiebezüge oder Indieanleihen hat, die ganze Indieszene liebt. Es bewegt sich also irgendwo dazwischen. Deswegen ist es auch bei Festivals so kompliziert. Selbst bei Rapfestivals gibt es immer Leute, die schreien „Das ist kein Rap! Blablabla“. Und bei Indiefestivals genauso: „Das ist aber Rap, das find ich scheiße!“ Deswegen bewegen wir uns in einem Zwielicht, würd ich fast schon sagen. Es gibt auf beiden Seiten Leute, die das gut finden, und Leute, die das schlecht finden.

motor.de: Deine Songs sind ja eine Parade der emotionalen Nabelschau, bei der du tiefe Einblicke in dein Privatleben und Gedankenwelt zulässt. Bis wohin nimmst du deine Hörer mit, wo ist da für dich die Grenze?

Casper: Wenn man so fragt „Wo wird’s dir zu persönlich“ oder „Empfindest du das als Seelenstriptease“, muss ich sagen, dass ich das nie so empfunden habe. Ich finde, wenn man einem Menschen interessiert zuhören möchte, dann will man ja auch Geschichten hören. Und ich finde Geschichten am ehrlichsten, wenn sie der Person, der man zuhört, auch wirklich passiert sind. Persönliche Musik ist einfach am besten. Ich mag halt diese Melancholie und diese leicht andeprimierte Stimmung – ich bin ja auch selbst ein großer Morrissey-Fan und einer von denen, die ihm Blumensträußchen geben.

motor.de: Bist du dann auch so „Meat is murder“-mäßig drauf?

Casper: Meat is super! (lacht) Also eine Grenze gibt es für mich nicht. Natürlich könnte ich die ziehen, aber wenn in meinem Leben eine interessante Geschichte passiert, dann finde ich die auch erzählenswert. Und zwar genauso wie sie war und mit allen Details. Ich muss das nicht aus einer anderen Perspektive erzählen oder Sachen hinzudichten oder sagen „Also eine Freundin von mir meint…“ Ich sag einfach, wie das passiert ist und Ende.

motor.de: Das Interlude vor dem letzten Song deiner Platte, in dem dein Vater etwas für dich einspricht, ist also echt?

Casper: Ja, das ist wahr, es ist wirklich mein Vater. Wir hatten uns so drei oder vier Monate nicht gesprochen und ich schrieb ihm eine Email, was alles passiert ist: „So sieht’s aus, ich hab jetzt einen Plattenvertrag und jetzt sag doch mal was dazu!“ Er fing dann an „Whawhawha, mein Sohn und so…“ und ich sagte: „Nee, sprich das mal ein und schick uns das.“ Und das ist es jetzt auch.

motor.de: Womit kann man in naher Zukunft von dir rechnen?

Casper: Wir spielen nur noch Konzerte. Bis Mitte April spielen wir in jeder Stadt der Welt. Dann kommt zum Winter noch eine Platte und direkt danach und dazwischen. Ich mache ja momentan nichts anderes als zu arbeiten.

motor.de: Eine letzte Frage: Dein Tipp für Festivalgänger, die wie hier auf dem Dockville im Matsch ertrinken?

Casper: Saufen!


Interview: Julia Kindel