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Es schwirren die Rhythmen zu 'Do you still feel or do you just touch?' durch meinen Kopf, während André von Children mir im Blauen Band gegenübersitzt und das Tonbandgerät langsam den passenden Platz für unser Gespräch eingenommen hat. Zu Beginn spielen wir noch das altbekannte Spiel Frage-Antwort und landen dann doch irgendwann in einer interessanten Unterhaltung in entspannter Atmosphäre. Wir drücken auf Start und lassen die Spulen des Tonbandgerätes laufen. Ähnlich wie die Musik, lässt der schreibende Kopf der Band unnötigen Firlefanz und Schnickschnack außen vor. Vor wenigen Jahren hat es die drei Bandmitglieder von Children aus Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern weg zum Studieren nach Berlin gezogen. Bis dato konnte noch niemand ahnen, was für harmonische Klänge in den Tiefen des Künstlerkollektivs schlummerten. Doch am kommenden Freitag, den 5.09.2014, wird die Band ihr Debütalbum „Leaving Home“ und damit ihr Können in vielseitiger Klangpalette präsentieren. Wie es zu der Platte gekommen ist und wie es zu so viel stimmengewaltigem minimalistischem Elektrosound kommen konnte, haben wir in einem gemütlichen Gespräch für euch mal hinterfragt.
Der kreative Kopf der Texte, der hinter Children steckt, André, kannte seine Bandkollegin Steffi bereits aus der Schulzeit und hat mit ihr zusammen den Kern der heutigen Gruppe Children gegründet. „Wir hatten zu dem Zeitpunkt auch noch einen Schlagzeuger dabei und haben uns überlegt, dass wir ja noch Laura kennen, die Bass spielen kann. Das hat dann einfach gut gepasst und sie hat auch Lust gehabt. Das war dann die erste Version von Children. Mit Schlagzeuger, der dann nach zwei Jahren gesagt hat, dass er gerne was anderes machen wollen würde. Seitdem sind wir zu dritt und machen die ganze Sache mit elektronischen Beats.“ Als der Schlagzeuger dann nach zwei Jahren beschlossen hatte, doch einen anderen Weg an der Kreuzung der Entscheidungen zu wählen, sind Children plötzlich nur noch zu dritt. Nunmehr befindet sich das Kind im vierten Jahr seiner noch recht jungen Musikschuhe. Und wie es zu dem minimalistischen und elektronischen Indie-Pop gekommen ist, erklärt uns André wie folgt: „Es war jetzt gar nicht so eine krass bewusste Entscheidung. Also, für mich spiegelt das einfach so ein wenig unseren Charakter wider. Wir sind eher zurückgenommene Menschen und auch nicht so sehr interessiert an ‚Peak-Time’ Musik [lacht]. Dadurch kam das ein bisschen automatisch. Und dadurch, dass wir alle ein wenig klassisch vorbelastet sind, da wir an der Musikschule gewesen und darüber an das Musikmachen gekommen sind, ganz klassisch mit Noten und Tonleitern und dem ganzen Quatsch, ist man auch einfach sehr bedacht auf Harmonien in der Musik. Es ist auf jeden Fall mehr eine Reflexion von uns als eine bewusste Entscheidung, von wegen: ‚Ach, Minimalismus ist im Kommen, das machen wir jetzt auch mal!’“.
Dass die drei Bandmitglieder von Children hundertprozentig hinter dem stehen, was sie auf die Bühne bringen, haben sie bereits im Gibson Showroom bewiesen. Mit Worten wie „Too much becomes less, less of too much. Do you still feel or do you just touch.“ ketten sich die Gesänge der zwei Frauenstimmen in rhythmischen Beats immer tiefer in unsere Gedankengänge und lassen uns beim Schlendern durch die Berliner Tiefen nicht mehr allein. Doch was ist die Botschaft von all dem, was sich auf der Platte „Leaving Home“ finden lässt?
„Es ist kein Konzeptalbum, es gibt keine eindeutige Grundbotschaft. Uns ist aber aufgefallen, als alles fertig war, also, die ganzen Demoversionen, dass das Weggehthema und Erwachsenwerden schon eine große Rolle spielt. Deshalb haben wir dann auch überlegt, wie wir das Album nennen könnten. Das Thema ist dann erst später gekommen und war auch nicht so direkt bewusst. Es sind ja sehr an Momentaufnahmen erinnernde Texte und nicht die großen Stories. Auch ein wenig wieder diese Reflexion, die ja bereits in der Musik wiederzufinden ist, dass einem auffällt, die Dinge aufzuschreiben, die einen einfach sehr beschäftigen. Es war nicht sehr viel Kalkül dabei. Wir haben gerade beim Musikmachen gemerkt, dass wenn man aufgehört hat, etwas ganz extrem zu wollen, dann ist auf einmal sehr viel passiert. Und so war es bei den Texten auch. […]‘"
Wenn man sich die Melodien von Children bei einem kurzen Auszeit aus dem alltäglich rationalistischen Realismus mit viel Gefühl durch die Gedanken wandern lässt, dann bietet "Leaving Home" genau den richtigen Sound. Und während man sich die Klänge auf der Zunge zergehen lässt, fällt man bei der Frage, welche Inspiration besonders entscheidend für die Band sein könnte, schon mal in tiefe Grübelfalten. Gibt es denn den einen oder anderen Künstler, der sich als Inspirationsquelle in den Tiefen des Debütalbums "Leaving Home" wiederfinden lässt?
"Also, ich glaube, den größten Einfluss hatten immer die Künstler mit denen wir direkt was zu tun hatten. Nicht direkt musikalisch, sondern einfach das Verständnis von der Sache. Das Meiste hat man von den Bands gelernt, mit denen wir direkt zusammen gespielt haben und mit denen man gemeinsam auf Tour gewesen ist. Wenn auch alle gemerkt haben, dass das Ganze… dass man bei den großen Künstlern eigentlich nur mal die Oberfläche kennenlernt und es für uns eigentlich immer viel interessanter war, wie das alles passiert ist. Ein sehr großer Einfluss war, glaube ich, der Jochen Irmler, bei dem wir im Studio die Instrumentalsachen aufgenommen haben. Ich weiß nicht genau, wie alt er ist, aber so über sechszig. So ein alter Krautrocker (lacht). Und er hatte die Band Faust, die musikalisch ganz anders ist als wir. Aber der hat einfach so eine Aura gehabt und so eine Art. Der hat auch gar nicht so viel gesagt, doch das hat uns so sehr beeinflusst, dass er trotz allem einen großen Einfluss auf die ganze Sache hatte."
Und wer nicht bereits nach der ersten Note in einen tiefen Liebesrausch mit den Children gefallen ist, der wird dies spätestens bei den klaren Worten in denen André die noch unschuldigen Absichten der Band schildert. Nun wäre es doch bei all der Geradlinigkeit überaus amüsant, wenn ein ruhiger André auf die Frage nach seinem eigenen Favoriten an Freizeitmusik die Antwort eines extremen Heavy Metalls zum Besten geben würde. Wie können wir uns den Musikgeschmack des Bandmitgliedes denn nun vorstellen?
"Nee (lächelt). Also, ich habe im Grunde immer so Phasen. Einmal im Jahr finde ich dann eine bestimmte Band gut oder irgendein Lied. Und dann hört man sich das an und legt es dann wieder weg. Aber ich höre ohnehin nicht so unglaublich viel Musik. Wenn dann höre ich schon ruhigere Sachen. Ich hab auch mal Slayer gehört (lacht), aber das ist schon etwas her."
Das hätte uns nun auch sehr überrascht. Es scheint wie ein großer Einklang zwischen André, Steffi, Laura, ihren Charakteren, der musikalischen Inspiration sowie dem klanghaften Ouput. Da wirkt es nicht überraschend, dass auch der Bandname, an friedliche Unschuld erinnert. Doch wie ist es dazu gekommen, dass sich ein so überaus passender Bandname wie Children in einklanghafter Harmonie mit Musik und dem neuen Albumnamen gefunden hat.
"Wir haben gedacht, wir wollen einen einfachen Bandnamen, der griffig ist. Wozu man gleich einen Bezug hat und das kein Kunstname ist. Und ich habe mal eine Doku gesehen, die „Eternal Children“ hieß und in der ging es um Freakfolk, so um Anthony und Coco Rosie. Dann hab ich gedacht ‚Mhm, Eternal Children.‘ Aber ‚Eternal‘ passt einfach nicht so zu uns (lacht). Und dann nehmen wir doch einfach nur 'Children'."
Wenn man die drei Kinder auf der Bühne sieht, dann wirkt die gesamte Darstellung, ähnlich wie die harmonischen Melodien ihrer Musik, sehr idyllisch und gesamtheitlich. Doch manchmal täuschen einen die Augen, sodass wir unbedingt wissen wollten, ob es denn innerhalb der Band irgendwelche hierarchischen Strukturen, bezüglich der kreativen Aufgabenverteilung oder Sonstigem gäbe?
"Also, wir haben keine direkte Rollenverteilung. Wir sind mehr so ein dreiköpfiges Monster. Also, auch so ein bisschen zusammen. Wir reden viel miteinander, so ziemlich über alles, was in der Band passiert. Es ist eigentlich auch nicht so, dass irgendwelche Entscheidungen getroffen werden, ohne dass jemand nicht Bescheid weiß. Außer bei Kleinigkeiten. Es gibt keine klare Rollenverteilung bei uns."
Das verspricht eine passende Symbiose, um nach dem Release ihres Debütalbums "Leaving Home" am 5.09.2014 voll durch die Decke starten zu können. Bleibt denn im Moment, in all der Aufregung, noch Zeit, um die gewaltige Kraft der Träume in Hoffnungen für die nächste Zeit ausdrücken zu können?
"Wir wollen das einfach weitermachen. Wir haben jetzt keine persönlichen Wünsche, finanzieller Art oder sowas. Das ist natürlich cool und irgendwie wollen wir das auch. Und das ist auch eine kleine Firma, die man hat und mit der man auch tatsächlich mal Geld verdienen könnte. Aber in erster Linie geht es uns darum, das zu machen, um Musik zu machen. Das ist unser wichtigster Antrieb. Und alle anderen Sachen, die sich daraus ergeben, die ergeben sich eben. Und wir wollen auf jeden Fall nicht auf der Stelle treten. Wir wollen, dass es weitergeht und dass es wächst. Aber in erster Linie wollen wir weitermachen."
Als wir die Alte Schönhauser Straße betreten, hat sich der Himmel über Berlin bereits etwas zugezogen, während das Tonbandgerät, bespielt mit den letzen dreißig Minuten immer tiefer in die linke Hosentasche sinkt. Ein Abschiedsgruß und dann kehren wir einander die Rücken zu, in Gedanken die Gewissheit tragend, dass da noch so manch großes auf Children zukommt.
(Foto: Fleet Union // Text: Hannah Ziegler)
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