Kopenhagen/Berlin. Während sich in Berlin der Himmel mit Wolken bedeckt, strahlt uns ein charismatischer Kristian Finne Kristensen über die Webcam zu. In seiner Wohnung in Kopenhagen sitzend, schaltet der Frontmann von Chorus Grant noch ganz schnell die im Hintergrund spielende Musik aus und dann kann es losgehen. Während das Gespräch seinen Lauf nimmt, wirkt es zunehmend so, als säße man direkt bei dem Musikerfahrenen Künstler in der Wohnung, fast so, als könne man den Zigarettenrauch über die Distanz hinweg bis in die Redaktion von motor.de riechen. Nicht allein die Musik Chorus Grants lädt somit zum Schwärmen ein. Auf seinem neuen Album „Space“, das am 22.08.2014 seine Jungfernfahrt durch den Plattenspieler hat feiern dürfen, haben sich die Lieder von der tückisch nachwirkenden Melancholie des Reisens beeinflussen lassen. Mit klaren Linien, die sich durch die sanft-ruhigen Melodien des Albums ziehen, laden die Klänge dazu ein, sich mit dem dänischen Sänger auf eine Identitätsreise von „Wer bin ich, wenn ich unterwegs bin?“ und „Wer bin ich, wenn ich zu Hause bin?“ zu begeben. Ähnlich wie seine Musik, führt uns der Künstler durch seine Gedanken und lässt uns einen Einblick in ebendiese Gewinnen, in welcher Verbindung er zu Elliott Smith steht, was das Schreiben für ihn bedeutet und nicht zuletzt, wie es zu "Space" gekommen ist.

Zu Beginn hat uns natürlich brennend interessiert, wie es zu so viel melancholischem und zugleich idyllischem Nachreisefieber hat kommen können und wie der Künstler eigentlich die mit Erinnerungen verbundenen Klänge auf dem neuen Album beschreiben würde.

„Viele der Lieder sind sehr eng mit bestimmten Orten und dem, was dort geschehen ist, verbunden. Ich denke, dass das Album sehr viele Emotionen des Reisens beinhaltet. Jedoch war es nicht der Fall, dass ich mit einer Gitarre in den Händen, irgendwo in einem fremden Land saß und gespielt habe. Es war vielmehr, als ich zurück nach Hause kam und ich denke, dass wir alle dieses Gefühl von, nun, ich würde es nicht direkt Traurigkeit nennen, aber diesem Gedanken darüber, was das eigene Leben eigentlich ist, kennen. Man hatte eine wundervolle Zeit in einem Land, ganz gleich welches, für die letzten Wochen. Wie kommt es, dass einen während dieser Zeit jeden Morgen das Gefühl überkam, das Beste aus jedem Tag, jeder Minute zu machen und Spaß daran findend, die untere Straßenecke zu überqueren, um sich eine neue Packung Zigaretten oder eine Wasserflasche zu kaufen. Wenn man dieses Feuer doch nur jeden Tag in sich tragen könnte, dann wäre das Leben gefüllt mit so viel mehr. […]“

Und dieses Gefühl von Überforderung, welches der Reiseerinnerung so manches Mal nachschwebt, vermittelt der Künstler mit Hilfe von minimalistischen Klängen, mit nur wenigen Elementen, wobei die Kompositionen dabei immer noch interessant und in keiner Weise langweilig wirken. Wenn man den langsamen Rhythmen folgt, dann wirkt es beinahe so, als habe sich das Album von den melancholischen und dennoch idyllischen Klängen Elliott Smiths inspirieren lassen. 

„Ja, es ist schon ein wenig so. Wobei es doch lustig ist, dass es vielen meiner Künstlerfreunde oder anderen Musikern in Artikeln schwer fällt zuzugeben, dass sie während des Schreibprozesses andere Dinge gehört haben und dann behaupten, dass sie während der Arbeit an einer Platte nichts anderes hören und alles aus ihrer eigenen Vorstellung heraus kreieren. Aber für mich, wie Du bereits erwähnt hast, ist es so, dass ich ein großer Elliott Smith Fan bin. Ich weiß nicht, was es genau ist, das mich so an ihm fasziniert. In dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, wurde viel von den Beatles gehört. Nun, und sie gefallen mir auch heute noch. Doch als ich angefangen habe, meinen eigenen Sound zu entwickeln, hatte ich irgendwie das Gefühl, dass Elliott Smith irgendeinen Geist der Beatles in seinen Liedern hat, doch das durchmischt mit einer Traurigkeit und Ehrlichkeit, wie bei Nirvana. Künstler, die sehr inspirierend für mich gewesen sind; Typen, die Leben gelebt haben, die scheinbar alles beinhaltet haben. Wenn ich auch sagen muss, dass es vermutlich mehr Trauer als alles andere gewesen ist. Ein anderes Album, das sehr entscheidend für mein Erwachsenenleben gewesen ist und dies nur wenige Zeit vor der Arbeit an ‚Space‘ wurde, ist eines der Band AIR. Es ist eine französische Band und ich bin mir sicher, dass Du sie kennst. Dieses ganz bestimmte Album ist der Soundtrack zu dem Film 'The Virgin Suicides'. Es ist hauptsächlich instrumental. Doch wenn man es sich anhört, dann denkt man nicht sofort ‚Oh, das ist genau wie Space!‘. Es war jedoch sehr inspirierend für mich, auf Grund der ruhigen Lieder, die trotz allem in keiner Weise leise Lieder sind. Nicht unbedingt welche für ein Lagerfeuer, aber Lieder, die mit Drums, Bässen und einer gesamten Band unterlegt sind, wobei sie dennoch irgendwie tief. Ich denke, eine Mischung daraus und Elliott Smith war etwas, das ich viel zu jener Zeit gehört habe.“

Der Musiker, der bereits unter anderem durch die Band Cancer, die im Kollektiv mit dem Sänger von When Saints go Machine, Nikolaj Manuel Vonsild, entstanden ist, so manch Einem ein Name ist, schildert, wie er zur Musik und nicht zuletzt zu Chorus Grant gefunden hat. Bereits seit seinem vierzehnten Lebensjahr hat Kristian Finne Kristensen in Bands gespielt. Angefangen hat somit alles bereits in späten Kinderschuhen in seinem Heimatort, der Insel Bornholm.

„[…] Mit deinen Freunden in einer Band zu spielen ist irgendwie eine sehr demokratische Sache. Jeder hat einen Anteil daran, etwas zum Projekt beizutragen. Und die Tatsache, dass in einer Band viele Meinungen aufeinandertreffen, hat mich hin zu dem Wunsch gestoßen, etwas zu haben, das absolut mein Eigenes ist. Und Chorus Grant hat vielleicht ein oder zwei Jahre vor der Gründung von Cancer begonnen, sodass ich mein eigenes Ding bereits seit einiger Zeit gemacht habe, bis ich dann meinen Freund Nikolaj getroffen und wir beschlossen haben, was Gemeinsames zu machen. Zum Teil kam es dazu, weil er sich gedacht hat, dass das, was ich allein gemacht habe, ziemlich cool gewesen ist, sodass er sehen wollte, was passiert, wenn wir gemeinsam was kreieren.“

So wird das Rudeltier zum einsamen Wolf, der sich dennoch gerne in den Pulk einer Gruppe wirft und gemeinsam mit der Band Cancer bereits für so manch ein begeistertes Lächeln auf den Gesichtern des Dänenlandes gezaubert hat. Das strahlt bei genauerer Betrachtung auch das Cover der Platte Space aus, die einen Raum in dem kleinen Ferienhaus seiner Tante auf Fire Island zeigt. Wenn wir ihn dazu fragen, wie es genau zu diesem Cover für das Album gekommen ist, rennt dem Musiker ein schnelles Lächeln über die Lippen. Entstanden sei dieses Foto auf einer Reise und während seines Aufenthaltes in besagtem Haus. Der Sänger äußert sich diesbezüglich, dass „Das ist das Schlafzimmer, in dem ich untergekommen bin. Und ich sage dir Folgendes, wenn ich gewusst hätte, dass mit diesem Foto so viele Emotionen einhergehen würden, dann hätte ich das Zimmer ein wenig vorher aufgeräumt. Es steht nämlich noch eine Sonnencreme auf dem Nachttisch und auf dem Bett erkennt man eine seltsam pinkfarbene Tasche. Das Bild wär ein wenig aufgeräumter und ein besseres Foto, hätte ich doch nur mein Zimmer ein wenig aufgeräumt. Aber ich hatte bis dato noch keinen Plan, dass ich das Bild für etwas verwenden würde. […]“ .

Sehr menschlich und ehrlich antwortet der Sänger von Chorus Grant auf unsere Fragen, was uns zu dem Rätsel leitet, dass da hieße, was es bereits am heutigen Tag, vor dem Frage-Antwort-Spiel auf die Ohren gegeben hat. Ohne lange nachzudenken, gibt uns Kristian Finne Kristensen „Ich habe Radio gehört, was nun nicht gerade sonderlich interessant ist.“. Aber ehrlich und menschlich, genauso eben, wie sich der Künstler während des gesamten Interviews präsentiert. Keine aufgesetzte Fassade oder PR-Spiel, das uns vor der Kamera vorgesetzt wird. Doch, wie heißt es so schön: Man ist, was man hört. Und so fand sich nach längerem Stöbern in den Gedanken, fiel dem Künstler doch noch ein, dass es eine ganz bestimmte Band gegeben hat, die im Radio gespielt wurde. „[…] Sie haben einen Song von der ersten Platte der Band The Shins gespielt. […] Und das hat mich daran erinnert, dass sie an einem gewissen Punkt einmal richtig gut gewesen sind, was ich motiviert hat, das Album heute nochmal anzuhören.“ 

Ähnlich wie seine Musik, spricht die Stimme Chorus Grants in ruhigen Intonationen zu uns, wobei man die positive Ausstrahlung zunehmend als Hintergrundbass heraushören und keine Langeweile vernehmen kann. Und vielleicht dürfen wir Chorus Grant schon ganz bald hier in Deutschland auf den Bühnen bewundern, denn wie der Sänger es ausdrückt "[…] Wir arbeiten alle sehr hart daran und haben bereits Kontakt mit einer Agentur aufgenommen, was ziemlich cool ist. Es sieht ganz danach aus, als würden wir im nächsten Herbst nach Deutschland kommen. […]". Nun, wir begeben uns gerne mit Chorus Grant auf eine gemeinsame Reise durch Erinnerungen und Emotionen. 

(Foto: Esben Boeg Jensen // Text: Hannah Ziegler)