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Man muss nicht auf der BBC-Liste für 2012 stehen, um als Newcomer unser Interesse zu wecken. Wir sind uns sicher: Das britische Duo Cloud Boat wird noch von sich reden machen. motor.de stellt Tom Clarke und Sam Ricketts vor.
Im vergangenen Jahr tat sich die motor.de-Redaktion noch schwer damit, das britische Duo Cloud Boat als Newcomer zu feiern. Immerhin waren Tom Clarke und Sam Ricketts lediglich bei wenigen Konzerten hierzulande zu sehen. Von ihrer Musik gibt es nicht mal eine Handvoll Songs. Offiziell erschien bisher ausschließlich eine Doppel-Single auf dem renommierten belgischen Label R&S Records, das bereits elektronischen Größen wie Aphex Twin, Model 500 und Juan Atkins eine Plattform zur Verfügung stellte. Und auch wenn sich die beiden nicht auf der berühmten BBC-Liste für den Sound of 2012 befinden, gehören Cloud Boat zu den interessantesten Neuentdeckungen. Auf ihrer Support-Show für James Blake wussten sie 2011 mit ihrer sphärischen und Bass-geschwängerten Musik die Post-Dubstep-Novizen zu überzeugen.
motor.de hat seither das Interesse am Duo nicht verloren. Die Plattenfirma selbst auch nicht, immerhin nennt R&S solch einflussreiche Künstler wie Steve Reich, Mala, Thom Yorke und Burial in einer Reihe, um den Sound von Cloud Boat zu beschreiben. Im Interview sprachen Sam und Tom über ihre Einflüsse, die Bedeutung von Field Recordings und den schmalen Grad zwischen Verlust und Hoffnung.
motor.de: Viele werden euch von der letztjährigen Tour mit James Blake kennen. Welche Erinnerungen verbindet ihr mit Deutschland?
Sam: Wir haben extrem liebevolle Erinnerungen an Deutschland. Wir sind auch James sehr dankbar, dass er uns auf Tour mitgenommen hat. Wir haben in einer kurzen Zeit viel gelernt und das deutsche Publikum ist sehr repektvoll mit uns und unserem Sound umgegangen. Wir werden niemals unsere Auftritte im Berghain, im Leipziger Conne Island mit Mount Kimbie oder unsere jüngste Headlinershow im Golden Pudel Club in Hamburg vergessen.
motor.de: Als ihr euch entschieden habt, zusammen Musik zu machen, was stand damals als Idee im Vordergrund: das Live-Spielen?
Tom: Wir haben niemals an etwas anderes gedacht, als unsere Musik live zu performen. Das war immer das Hauptziel. Wir kommen beide aus unterschiedlichen musikalischen Backgrounds. Es war demnach unsere Intention, Musik zu erschaffen, die wir auch live spielen können. Obwohl wir eine Weile gebraucht haben, um herauszufinden, wie wir das machen, fügt das Live-Spielen den Songs ein neues Element hinzu. Es ist eine Art Kommunikation, die sehr wichtig für unsere Musik und für uns als Musiker ist. Die Aufregung und das Nervenkostüm, das ich bei unserem ersten Auftritt hatte, ist ein Gefühl, das ich so lange wie möglich aufrechterhalten will.
motor.de: Als ich den Namen Cloud Boat zum ersten Mal hörte, dachte ich zunächst an Kindermärchen. Auf der anderen Seite kann es aber auch für imaginären Eskapismus stehen. Was bedeutet “Cloud Boat” für euch, woher kommt der Name?
Sam: Der Name wurde von einer Malerei des litauischen Komponisten und Malers Mikalojus Konstantinas Čiurlionis inspiriert. Ich mochte das Bild, doch der Name ist eher symbolischer Natur für eine bestimmte Zeit in meinem Leben. Ich mag die Worte und ich denke, sie haben definitiv eskapistische Elemente. Schreiben und Musik live zu performen, sind hervorragende Wege, um unser Vorstellungsvermögen zu kanalisieren. Außerdem sind wir beide ziemlich kindisch, sodass deine Märchen-Assoziation gar nicht so falsch ist.
“Cloud Boat” von Mikalojus Konstantinas Čiurlionis.
motor.de: Wie seid ihr als Band zusammen gekommen? Ihr habt unterschiedliche Geschichten. Während Sam eine klassische Musikausbildung genoss, studierte Tom Philosophie, richtig?
Tom: Wir kennen uns bereits seitdem wir 15 oder 16 Jahre alt sind. Wir waren Freunde und haben bereits in unterschiedlichen Bands zusammen gespielt, da war Cloud Boat noch weit entfernt. Wir sind zunächst unterschiedliche Wege gegangen, um zu studieren. Als wir wieder zusammentrafen, haben wir uns entschieden gemeinsam etwas Neues zu starten. Daraus entstand Cloud Boat und es wächst seitdem.
motor.de: Bisher habt ihr lediglich die Songs “Bastion” und “Lions On The Beach” via R&S Records veröffentlicht. Das belgische Label ist eine große Plattform. Wie kam es zu dem Release?
Sam: Über James Blake haben zum ersten Mal Kontakt zum Label herstellen können. Wir sind richtig stolz darauf, auf R&S veröffentlichen zu dürfen. Wir sind Teil einer großen Gruppe von tollen Künstlern. Gerade die Auftritte im Boiler Room und im Warehouse haben wir sehr genossen.
Cloud Boat – “Bastion”
motor.de: Nehmen wir “Bastion” als Beispiel dafür, wie ihr Songs kreiert und an Songs arbeitet. Hier verbindet ihr eine sinstre Atmopshäre mit Themen wie Verlust, Retrospektion und die Last der Bürde, richtig?
Tom: Absolut korrekt. Ich denke die meisten Sachen, die mich ergreifen, bewegen sich zwischen den Gefühlen Verlust und Hoffnung, Retrospektion und Ausdruck – wie in “Bastion”. Wie ich singe und Sam spielt, das ist sehr persönlich für uns und lässt sich nicht so einfach in Wort übersetzen – gerade wenn Ideen und Themen in Songs derart dekonstruiert werden, verliert der Song durch die Erklärung doch schnell seine Energie und Faszination. Es sollte immer Raum bleiben für den Hörer, sich zu verlieren.
motor.de: Ich glaube, es ist wohl mehr ein Medienthema, doch angesichts solch interessanter Künstler wie SBTRKT, Mount Kimbie und natürlich James Blake – würdet ihr eure Musik auch eher im Spektrum von Post-Dubstep ansiedeln? Wenn nicht, wie würdet ihr eure Musik einer Klassik interessierten Person beschrieben?
Tom: Ich würde ihm wohl eine CD von uns in die Hand drücken und ihn bitten, sich die Musik selbst anzuhören. Es ist sicherlich besser, als wenn ich mit kläglichem Gemurmel versuchen würde, ihm unsere Musik zu beschreiben. Ich weiß auch nicht, in welches Genre ich unsere Musik einordnen soll – allein schon aufgrund der Angst, sie überhaupt einordnen zu müssen. Mir fehlt es schwer ein spezifisches Territorium anzugeben, weil dadurch auch weniger Platz zum Bewegen besteht. Aktuell bin ich einfach nur glücklich, Musik zu machen, die wir komplett lieben und vor verschiedenen Menschen spielen, unabhängig vom Genre.
motor.de: Wenn wir schon nicht über Begrifflichkeiten sprechen können, dann wenigstens über die Bestandteile eurer Musik. Ihr benutzt unter anderem Field Recordings. Warum? Was macht sie so interessant für euch?
Sam: Ich denke, Field Recordings sind wundervoll, weil sie einen Song persönlicher gestalten. Darüber hinaus bereiten sie – egal wie ruhig oder abstrakt – zu den Gitarren, Vocals und Beats einen Vordergrund. Tom und ich haben viel Zeit damit zugebracht, Mikrofone in der Nähe unseres Zuhauses aufzustellen – viel davon befindet sich auf “Bastion”. Auf dem Song benutzen wir eine Sammlung von Aufnahmen eines Parkhauses, das über einem Supermarkt liegt. Es ist auch immer mit dem Reiz verbunden, Aufnahmen zu hören, die sich zu kleinen Artefakten entwickeln können. Sie inspirieren, erschaffen Nähe, selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Aufnahme unbedeutend wirken.
Cloud Boat – “Lions On The Beach”
motor.de: Tom, deine Stimme klingt wie eine ruhige doch selbstbewusste Trauer. Ich schätze diese offen zur Schau getragene Verletzlichkeit. Gibt es eine Hauptquelle, aus der du deine Inspirationen ziehst?
Tom: Mir gefällt deine Beschreibung. Viel davon handelt tatsächlich von Trauer und Sehnsucht – über mich selbst, über andere Menschen und manchmal über Dinge, an die ich mich über Songs zu erinnern versuche. Es ist wichtig, dass ich versuche meine wahren Gefühle durch die Musik zu kommunizieren. Ob das Ganze selbstbewusst ist, kann ich nicht sagen. Ich singe noch nicht so lange und vielleicht ist es dir aufgefallen, aber ich öffne auf der Bühne immer noch selten meine Augen.
motor.de: Und wie sieht es mit deinen Inspirationsquellen aus?
Tom: Es gibt sie nicht wirklich, ich versuche lediglich gewisse Dinge, die ich gefühlt habe – ob positiv oder negativ –, am Leben zu erhalten. Wann immer ich Songs schreibe oder spiele, erinnere ich mich an Dinge, die ich liebe oder verloren habe. Ich kann Dinge aussprechen, die in meinen Augen ausgesprochen werden müssen. Es geht immer um die eigene Befreiung, ums Freimachen.
motor.de: Sam, dein Gitarrenspiel erinnert mich an eine Kombination zwischen Slowcore und Drone. Welche Künstler haben dich inspiriert?
Sam: Ich denke und hoffe, dass mein Style eine Kombination aus allem Einflüssen ist, die ich schätze. Ich bin ein großer Fan der repetitiven und Drone-basierten Klassiker wie La Monte Young und Steve Reich, aber schätze ebenso den Purismus, die Schönheit und den Experimentiergeist von Komponisten wie Arvo Part und Morton Feldman. Wir beide lieben Künstler wie Grouper, Pink Floyd, Godspeed You! Black Emperor und Earth. Außerdem möchte ich den Einfluss aus Metal und Hardcore nicht unterbewerten. Im Endeffekt aber streben wir danach einen Stil zu kreieren, der neu und einzigartig ist.
motor.de: Ihr beide habt für die Kollegen von Yours Truly ein Mixtape erstellt. Sam, bei deiner Zusammenstellung hast unter anderem John Frusciante aufgelistet. Was bedeutet Frusciante für dich als Künstler?
Sam: Ehrlich gesagt, habe ich John Frusciante natürlich über die Red Hot Chili Peppers kennen und schätzen gelernt. Schon immer haben mich vor allen Dingen seine Solosachen fasziniert. Er war schon immer ein großartiger Songschreiber, auch wenn es eine große Variation in seinem Werk gibt. Angefangen seiner brutalen “Außenseiter-Kunst” der ersten Alben über die Arbeit mit Ataxia bis hin zu den formvollendeten und selbstbewussten, späteren Platten. Ein Song wie “Before The Beginning” von seinem Album “The Empyrean” ist bewundernswert, weil seine Harmonie und Einfachheit über die kompletten neun Minuten in den Bann ziehen.
motor.de: Zum Schluss, wann gibt es denn neue Töne von euch zu hören? Wisst ihr schon, wann euer Debütalbum veröffentlicht wird, gibt es etwa schon einen Namen für den Erstling?
Tom: Wir wissen noch gar nicht genau, wann, wo und was unser nächster Release sein wird. Wir schreiben und nehmen gerade neue Musik auf und wollen sicher gehen, dass es komplett fertig ist und in der bestmöglichen Art und Weise präsentiert wird. Es wird nicht mehr allzu lange dauern, das können wir versprechen.
Interview: Sebastian Weiß
Fotos: José Luis Baez für zweikommasieben.
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